Die meisten Tore, die wenigsten Gegentreffer, zwölf Punkte vor Bayern: Dennoch spricht der BVB nicht vom Titel. Freitag kommt der HSV.

Hamburg. Auf die Frage, wer denn nun Borussia Dortmunds größter Konkurrent sei, antwortete Trainer Jürgen Klopp nach dem 4:0-Auswärtssieg in Hannover trocken: "Hamburg." Nicht etwa, weil der HSV in den vergangenen Wochen Angst und Schrecken verbreitete, sondern schlicht und einfach, weil die Mannschaft von Armin Veh am kommenden Freitag nächster Gegner des Bundesliga-Spitzenreiters ist. "Von Spiel zu Spiel denken", das bleibt bei den schwarz-gelben Gipfelstürmern weiter bescheiden das Motto. Angesichts der derzeitigen Bundesliga-Bilanz klingt die Aussage von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke arg nach Understatement: "Ich habe noch nie einen Meister mit 28 Punkten gesehen – sehr wohl aber Mannschaften, die mit 28 Punkten abgestiegen sind."

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Fakt ist: Borussia Dortmund steht nach elf Spieltagen auf Tabellenplatz eins, gab in sechs Auswärtsspielen keinen Punkt ab und hat bereits vier Punkte Vorsprung auf Verfolger Mainz 05. Der HSV hat schon zehn Zähler Rückstand auf den BVB, Rekordmeister Bayern München muss bereits das oft zitierte Fernglas auspacken, um die Dortmunder im Abstand von zwölf Punkten noch sehen zu können. Torhüter Roman Weidenfeller sagt – im vereinsdiktierten Understatement – dennoch: "Wenn wir am letzten Spieltag immer noch zwölf Punkte Vorsprung haben, können wir von der Meisterschaft reden."

Dass der BVB spätestens seit dem 2:0-Erfolg bei Mainz 05 am 10. Spieltag ein ernsthafter Meisterschaftskandidat ist und nun schon den Titel "Überraschungsmannschaft der Saison" inne hat, ist nicht zu leugnen. Die Gründe für den Erfolg der Borussia sind vielschichtig, dennoch aber klar. Nach Jahren der strikten Sparpolitik hat sich der BVB wirtschaftlich konsolidiert und durch das Erreichen der Europa League wieder finanziell größere Spielräume. Sportdirektor Michael Zorc griff dennoch nicht tief in die Tasche, sondern setzt auf junge, talentierte Spieler. Während der HSV rund 5,5 Millionen Euro Ablöse für Gojko Kacar an Hertha BSC Berlin überwies, zahlten die Borussen eine Ausbildungsentschädigung von 350.000 Euro an den japanischen Klub Osaka und erhielten dafür Shinji Kagawa, Dortmunds neuen Spielmacher. Erst kürzlich verpflichtete Zorc für die kommenden Saison ein weiteres Supertalent. Von den Münchener Löwen wechselt im Sommer 2011 der 17-jährige Juniorennationalspieler Moritz Leitner zum BVB.

Trotz Doppelbelastung durch die Europa League bot Jürgen Klopp in den vergangenen Wochen eine kaum veränderte Startelf auf. Sind seine Stammkräfte nach 60, 70 Minuten müde, hat der Coach erstklassige Alternativen auf der Bank. In Hannover wechselte Klopp Robert Lewandowski, Jakub Blaszczykowski und Antonio da Silva ein. In der 80. Minute traf Lewandowski zum 3:0, das 4:0 besorgte sein polnischer Landsmann Blaszczykowski in der Nachspielzeit nach feinem Zuspiel von da Silva.

Ligaweit gab der BVB mit 190 Versuchen die meisten Torschüsse ab. Mit 27 Toren und nur sieben Gegentreffern führen die Westfalen auch diese Wertung an. Wettbewerbsübergreifend kassierte Schlussmann Weidenfeller seit 471 Minuten keinen Gegentreffer mehr. Das Innenverteidiger-Duo Mats Hummels/Neven Subotic lässt die wenigsten Torschüsse der Liga zu (111).

Dortmunds Jugendwahn zahlt sich aus. Gegen Hannover lag das Durchschnittsalter der Startelf bei 22,8 Jahren. Supertalent Mario Götze, der am 17. November in Göteborg gegen Schweden erstmals zum Aufgebot der Nationalmannschaft gehören soll, ist gerade erst 18 Jahre alt. DFB-Sportdirektor Matthias Sammer adelte ihn bereits vor Wochen als "das größte Talent des deutschen Fußballs".

Hoffnung auf Punkte beim Auswärtsspiel am Freitag gibt es für den HSV aber dennoch. Vor heimischer Kulisse ist die Bilanz des BVB nämlich nicht so lupenrein wie in der Fremde. Die einzige Saisonniederlage (0:2 gegen Bayer Leverkusen) kassierte Dortmund im Signal-Iduna-Park, zuletzt gab es dort ein 1:1-Remis gegen jene Hoffenheimer, die der HSV am Sonnabend mit 2:1 bezwang. Und sollte der unangefochtene Spitzenreiter der Liga auch die Hamburger punktlos nach Hause schicken, so werden sie in Dortmund trotzdem weiter nur von Spiel zu Spiel denken. Als größten Konkurrenten um die Meisterschale wird Jürgen Klopp dann wohl den SC Freiburg nennen. So heißt nämlich Dortmunds übernächster Gegner.