Routinier Michael Green, immerhin schon 38 Jahre, ist beim Erstligisten Harvestehuder THC trotz seines Alters ein Leistungsträger.

Hamburg. Es gibt sie, diese Momente, in denen sich Michael Green ein wenig verloren vorkommt. Wenn seine Mitspieler in der Kabine über Dinge reden, die ihm fremd sind, weil die Jungs teilweise nur halb so lang auf der Welt sind wie er selbst, dann ist er wieder da, dieser Gedanke daran, dass der Tag nicht allzu fern ist, an dem er den Hockeyschläger endgültig in die Ecke stellt. Aber weil diese Momente rar sind und weil er spürt, dass er den Bundesligaherren des Harvestehuder THC noch etwas geben kann, will der 38-Jährige noch nicht lassen von der "Droge Hockey", wie er es nennt. Dem Sport, der ihn süchtig gemacht hat und den er geprägt hat wie nicht viele andere in dieser Stadt.

Seit fast 20 Jahren spielt der Sohn einer Deutschen und eines US-Amerikaners in der Abwehr der Schwarz-Gelben, und seit er 2004 vor den Olympischen Spielen in Athen aus dem Nationalkader gestrichen wurde, wird nach jeder Saison über sein Karriereende gemutmaßt. Dennoch hat er stets weitergespielt, auch weil in den vergangenen Jahren der sprichwörtliche Höhepunkt fehlte, um abzutreten, wenn es am schönsten ist. Sogar nach dem Abstieg im Sommer 2009 blieb Green dabei, weil er bei der Mission Wiederaufstieg nicht fehlen wollte. Spiele wie das am Sonnabend (14 Uhr, Barmbeker Straße) gegen Meister Rot-Weiß Köln sind es, wofür er bis heute akribisch arbeitet.

"Michael ist ein Phänomen. Seine Routine ist für uns unersetzlich, aber er ist auch körperlich topfit und hat ein tolles Standing im Team, weil er sich sehr gut einbringt", lobt Trainer Christian "Büdi" Blunck, 42, der von 1994 bis 2002 mit Green zusammenspielte und dreimal Meister wurde. Green legt Wert darauf, im Team keine Extrawürste gebraten zu bekommen. "Ich werde auch deshalb akzeptiert, weil ich intensiv mittrainiere und nicht nur zu den Spielen komme", sagt er. Natürlich könne er nicht mehr mitten in der Woche mit den Teamkollegen die Nächte durchfeiern. "Aber auf dem Platz haben wir alle dieselben Interessen, und mir macht es Freude, meine Erfahrung an die Jungen weiterzugeben."

Dass er es schafft, ein so zeitintensives Hobby wie Hockey auf Leistungssport-Ebene in seinen Alltag zu integrieren, ringt Blunck höchsten Respekt ab. "Michael war schon immer unfassbar gut strukturiert", sagt der Coach. Schon in seiner Zeit als Nationalspieler absolvierte der Weltmeister und Welthockeyspieler von 2002 sein Medizinstudium mit bemerkenswerter Akkuratesse. Heute arbeitet der Facharzt der Chirurgie und Orthopädie am Klinikum Eilbek in der sportmedizinischen Abteilung, in der er mit Oberarzt Helge Beckmann alle arthroskopischen Operationen durchführt und jeden Freitag eine Sprechstunde für Leistungssportler anbietet.

Trotzdem findet er noch genug Zeit für Ehefrau Sylvia und die Kinder Linda, 5, Maxi, 3, und Tim, 1, mit denen er in Eimsbüttel lebt. Zusätzlich ist er ehrenamtlich im Vorstand der Deutschen Olympischen Gesellschaft und im Beirat der Stiftung Leistungssport engagiert und seit 2006 auch in der Athletenkommission des Welt-Hockeyverbands IHF. Und weil auch das noch nicht reicht, um das Leben des Multitalents auszufüllen, nahm Green in der vorigen Woche die Anfrage des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) an, den aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Vizepräsidenten Leistungssport, Hans Baumgartner, zu ersetzen. Sein Zuständigkeitsbereich sind alle Auswahlteams, den Zeitaufwand für diesen Posten kann Green bislang noch nicht abschätzen.

Klar ist, dass er bei seiner aktiven Karriere in dieser Saison keine Zeit einsparen möchte. In der Halle wird er nicht antreten, fürs Feld hat er jedoch fest zugesagt. "Ich freue mich einfach, dass ich noch mithalten kann in der Bundesliga, die so stark ist wie noch nie", sagt er, und wer könnte das besser beurteilen als er? Frühzeitig den Klassenerhalt sichern und die Play-offs erreichen, das ist das Ziel des HTHC und damit auch Greens Ziel. Wenn es tatsächlich mehr wird als das, dann könnte der Zeitpunkt des Rücktritts gekommen sein. Und dann sind es seine Mitspieler, die sich etwas verloren vorkommen werden.