Bei seinem Comeback weist Mittelgewichts-Boxweltmeister Felix Sturm sportliche Klasse nach, das Spektakel fehlt aber

Köln. Vielleicht war es dieser Satz, dahingesagt zu vorgerückter Stunde am Sonntagmorgen, kurz bevor er zur Dopingkontrolle musste, der am meisten über den neuen Felix Sturm erzählt. "Das waren heute 70, vielleicht 75 Prozent Sturm", sagte der alte und neue Superchampion der World Boxing Association (WBA) im Mittelgewicht, und es war an einem Kampfabend, in dessen Bewertung Sturms Entourage zwischen "sensationell" und "Weltklasse" schwankte, eine Einschätzung, die von Realismus geprägt war. Dem neuen Realismus eines Mannes, der sein Leben in die eigenen Hände genommen hat und nun sehen muss, was er daraus machen kann.

14 Monate hatte der 31 Jahre alte Wahl-Kölner nicht im Ring gestanden. Einerseits, weil im November sein erstes Kind zur Welt kam, andererseits wegen eines Rechtsstreits mit seinem ehemaligen Promoter Klaus-Peter Kohl, Chef des Hamburger Universum-Stalls. Seit einer Ablösezahlung von knapp einer Million Euro Anfang Juli ist Sturm ein freier Mann und darf sich mit seiner "Sturm Box-Promotion" in Eigenregie vermarkten. Am Sonnabend feierte er in der Kölner Lanxess-Arena nun sein Comeback, und die wichtigsten Erkenntnisse nach dem ebenso einstimmigen wie verdienten Punktsieg (117:111, 117:111, 118:111) gegen Giovanni Lorenzo (29, Dominikanische Republik) waren: Sturm hat von seiner boxerischen Klasse nichts eingebüßt, und seine Fans haben ihn nicht vergessen.

18 212 waren offiziell live dabei, unter ihnen Tausende aus der Heimat seiner bosnischen Eltern. Mit einer gigantischen Werbeoffensive hatten Sturms neue Partner, der Münchner Privatsender Sat.1 und der Hamburger Vermarkter Ufa Sports, den neuen Felix Sturm angepriesen, doch was die Zuschauer zu sehen bekamen, war letztlich doch der alte Sturm in etwas aufgepeppter Verpackung. In seiner Ecke saß Fritz Sdunek anstelle von Michael Timm, was sich darin bemerkbar machte, dass Sturm mehr auf einzelne Treffer als auf Kombinationen setzte und auch weniger schlug als früher.

Dagegen blieb das Rahmenprogramm einiges schuldig. Vor allem der als "in Deutschland nie dagewesen" angekündigte Walk-in geriet zum Rohrkrepierer. Weil die Technik versagte, konnte die US-Rockband Linkin Park zu Sturms Einmarschhymne "Bleed it out" nicht live aus Los Angeles zugeschaltet werden. Und statt Lukas Podolski, der mit einem Großteil des deutschen Fußball-Nationalteams am Ring saß, trug Sturms Trainingskollege Maurice Weber den WM-Gürtel in den Ring.

Weil die Technik, auf die es ankam, nicht versagte, sondern nach zwei Runden Eingewöhnungszeit so funktionierte wie gewohnt, hatte Sturm mit dem tapferen Lorenzo keinerlei Mühe. Der Gast aus Übersee muss wohl konstatieren, dass es an der Auswahl seines Outfits gelegen haben könnte, dass er chancenlos blieb. Am vergangenen Montag, einen Tag nach dem 6:3-Sieg Borussia Mönchengladbachs in Leverkusen, war er zur offiziellen Pressekonferenz im Borussen-Trikot erschienen, weil er hoffte, ein Stück der Dominanz würde auf ihn abstrahlen. Am Sonnabend marschierte er dann im Leibchen des 1. FC Köln ein, und so boxte er auch. Engagiert zwar, aber eindimensional, in der Deckung anfällig und offensiv ohne Durchschlagskraft. Er schlug mehr (638 zu 473 Schläge), traf jedoch deutlich seltener (105 zu 249 Treffer) als der Champion. Dass er dennoch den Sieg für sich reklamierte, sorgte bei Sturm nur für ein müdes Lächeln. "Er soll mal in den Spiegel gucken", empfahl der Sieger seinem verbeulten Kontrahenten.

Angesichts eines Marktanteils von bis zu 28,2 Prozent (5,27 Millionen Zuschauer im Schnitt) dürfte Sat.1-Sportchef Sven Froberg in den für diese Woche anberaumten Zukunftsgesprächen für eine Fortsetzung der nur auf einen Kampf angelegten Kooperation plädieren. Schon im Dezember will Sturm wieder im Ring stehen. Sein Status als Superchampion ermöglicht es ihm, einer Pflichtverteidigung gegen den technisch brillanten und schlagstarken Kasachen Gennady Golovkin, der Ende November ebenfalls vor Gericht versucht, sich von Universum loszusagen, aus dem Weg zu gehen. Sein Ziel sind Vereinigungskämpfe mit den Weltmeistern der anderen drei bedeutenden Verbände. Dass es viel Geld kostet, diese oder auch die namhaften US-Stars ohne Titel nach Deutschland zu holen, weiß Sturm. Er ist ja jetzt Realist.