Hamburgs Halleneuropameister Sebastian Bayer fordert Europameister Christian Reif

Hamburg. Ein bisschen konnte sich Sebastian Bayer schließlich doch wie ein EM-Teilnehmer fühlen. Ein Sponsor hatte ihm eine Teilakkreditierung für die Wettbewerbe in Barcelona Ende Juli besorgt. Sie berechtigte eigentlich nicht dazu, die Athletenbereiche zu betreten. "Aber wenn man ein bisschen sportlich aussieht und etwas Offizielles um den Hals hängen hat, schaut keiner genau hin", erzählt Bayer. Der Weitsprung-Europarekordler des HSV war mit einem Mal mittendrin beim Höhepunkt des Leichtathletikjahres, für den ihn der deutsche Verband nicht nominiert hatte. Und am Ende gab es dank der Bronzemedaille seiner Freundin Carolin Nytra über 100 Meter Hürden sogar etwas zu feiern.

Bayer, 24, kann die Entscheidung auch mit einem Monat Abstand nicht verstehen. Er hat dem Ärger auf seiner Homepage öffentlich Luft gemacht, in Abstimmung mit Raúl Spank, dem WM-Dritten im Hochsprung, der auch nicht nach Barcelona durfte. Beide hatten nach einer Fußoperation erst spät mit der EM-Vorbreitung beginnen können - und sehen sich nun als Leidtragende der rigiden Nominierungskriterien.

Im Nachhinein aber durften sich die Verbandsfunktionäre auf die Schultern klopfen. Der Ludwigshafener Christian Reif sprang in Barcelona mit 8,47 Metern zum Sieg. Bayers Glückwunsch fällt recht kühl aus: "Seine Leistung war superstark, aber er hat Riesenglück gehabt." Wäre Reif nur ein wenig weiter vorn abgesprungen, wäre sein Goldsatz ungültig gewesen, und es hätte es nicht einmal für den Endkampf gelangt. Reif wiederum hat Bayer nicht vermisst: "Mit 7,71 Metern hat er in Barcelona nichts zu suchen", ätzte er.

Die kleinen Spitzen werden sie in Berlin nicht ungern vernommen haben. Am Sonntag kommt es beim Istaf-Meeting zum Duell der beiden Rivalen im Olympiastadion, an das Bayer keine schönen Erinnerungen hat. Bei der WM vor einem Jahr scheiterte er unter Schmerzen in der Qualifikation. Jetzt ist der Fuß wieder beschwerdefrei, aber Bayer spürt, dass er bei seinem zweiten richtigen Wettkampf des Jahres nicht halten kann, was das Duell des Europameisters gegen den Halleneuropameister, des Dritten gegen den Zweiten der ewigen deutschen Bestenliste, verspricht: "Ich habe zurzeit noch keine 8,30 Meter drauf. Unter normalen Umständen kann ich ihn nicht schlagen."

Es wird nicht leicht gewesen sein festzustellen, dass plötzlich ein anderer all die Aufmerksamkeit abgreift, die im vergangenen Jahr noch ihm allein gehört hatte nach seinen Sensationssprüngen auf 8,71 Meter in der Halle und 8,49 Meter im Freien. Aber Bayer ist klug genug zu wissen, dass ein starker Mitbewerber auch sein eigenes Geschäft beflügeln kann: "Man pusht sich zu ganz anderen Leistungen. Für die Leichtathletik kann das nur gut sein."

Für die drei Wettkämpfe, die er in diesem Jahr noch bestreiten will, hat sich Sebastian Bayer ein bescheidenes Ziel gesetzt: den nahezu biblischen Hamburger Rekord von Wolfgang Klein auszulöschen. Der spätere HSV-Präsident sprang 1964 in Paris 7,90 Meter weit - zigaretten- und bierunterstützt, wie die Legende besagt.