Startfehler beim Großen Preis von Deutschland wirft den Red-Bull-Fahrer hinter das Ferrari-Duo zurück. Stallregie bei den Italienern gerügt

Hockenheim. Im Ziel boten die Gewinner in den roten Rennoveralls im Vergleich zu den Vorstellungen der Konkurrenz von Red Bull ein gutes Schauspiel. Nach ihrem Doppelsieg beim Großen Preis von Deutschland beglückwünschten sich Sieger Fernando Alonso und der Zweitplatzierte Felipe Massa. Die Umarmung Alonsos ging Massa dann doch zu weit. Aber immerhin hatten sie gewonnen, wenn auch der falsche Pilot.

Mit dem Triumph vor Sebastian Vettel und den beiden McLaren der Briten Lewis Hamilton und Jenson Button meldet sich vor allem der Spanier Alonso mit einem großen Olé im Titelrennen zurück - zumal der Große Preis von Ungarn am kommenden Wochenende vom Profil der Strecke her den Ferrari ebenfalls liegt.

Das Rennen in Hockenheim litt darunter, dass es frei von spektakulären Überholmanövern ablief und der einzige Höhepunkt unter dem Verdacht stand, eine Teamabsprache gewesen zu sein, sodass Ferrari sich vor den Rennkommissaren des Weltverbandes Fia erklären musste: Massa hatte Alonso passieren lassen auf dem Weg zum Sieg. Für den Vorwurf der Teamorder gab es eine Geldstrafe in Höhe von 100 000 Dollar. Zudem wird der Fall zur weiteren Untersuchung an das Motor Sports World Council übergeben.

"Wir waren konkurrenzfähig", sagte Alonso, "wir haben das Rennen ohne weitere riskante Manöver beenden können." Die beiden Ferrari führten auf dem Hockenheimring vom Start eine Teamstrategie vor, die Red Bull vor Neid erblassen lassen müsste. Schließlich hatten sich die Österreicher durch heftige Rangeleien ihrer Piloten Vettel und Mark Webber auf der Piste um Punkte gebracht und den Spitznamen "die Hornochsen" eingehandelt.

Hinter Vettel, der als Trainingsschnellster von der Poleposition startete, griffen Alonso und Massa sofort an. Während Vettel den hinter ihm startenden Alonso auf der rechten Seite beinahe gegen die Mauer gedrückt hätte, passierte ihn Massa auf der linken Seite. Im Gedrängel vor der ersten Kurve rauschte auch noch Alonso vorbei.

Erst in Runde 47 legten die Italiener den späteren Zieleinlauf fest. Der führende Massa bekam von Rob Smedley, seinem Renningenieur, den Funkspruch: "Alonso ist schneller als du, kannst du das bestätigen?" Eine Runde darauf stellte der Brasilianer seinen eigenen Siegeswillen ein, um den spanischen Kollegen passieren zu lassen.

Alonso hatte sich zuvor in Runde 22 beim Team beschwert, dass Massa sich so hartnäckig wehrte ("Das ist lächerlich"), obwohl er langsamer sei. "Ich glaube, darüber muss ich nichts sagen", sagte Massa, der als Begründung lieferte, dass er auf den harten Reifen nicht schnell genug unterwegs war. "Ich habe für das Team gearbeitet und für sie einen guten Job gemacht. Nur das zählt."

Ferrari gilt ohnehin als Ruhmbegründer für alle Streitigkeiten um die Teamorder, weil die Italiener den berühmtesten Zwischenfall verantworteten: 2002 beim Grand Prix von Österreich hatte Rubens Barrichello auf Anweisung aus der Box Schumacher kurz vor dem Ziel passieren lassen, obwohl der schnellere Brasilianer fast das gesamte Rennen in Führung lag. Bei der Siegerehrung setzte es damals ein gellendes Pfeifkonzert, offiziell verbot der Automobilweltverband Fia daraufhin die Maßgaben. "Die Teamorder", sagt Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko aber, ein früherer Pilot, "lässt sich immer wieder umgehen." Ferrari musste sich daher schwerer Vorwürfe erwehren. "Ich glaube, es war gegen die Regeln. Es ist falsch für die Formel 1. Ferrari hat es 2002 getan, und deswegen sind die Regeln geändert worden. Die Fahrer sollten gegeneinander kämpfen", klagte Red Bulls Teamchef Christian Horner. "Es war so offensichtlich. Es ist eine große Schande, dass ein Rennen so manipuliert wurde. Natürlich hat jedes Team das Recht zu protestieren, aber wir werden erst mal sehen, was die Fia dazu zu sagen hat." Ferrari wähnte sich durch die geschickte Formulierung aus dem Schneider. Freilich scheint der Zeitpunkt der Anweisung unglücklich gewählt. Am Hockenheimring war es den Teams erstmals nicht mehr erlaubt, bestimmte Funksprüche für das Fernsehpublikum per Knopfdruck unhörbar zu machen. "Beide Autos waren vorne, wir mussten Vettel zurückhalten, und Alonso war eindeutig schneller", rechtfertigte Smedley sich später.

Die ganze Affäre stellt die Formel 1 vor delikate Probleme, weil Interessenkollisionen auf der Hand liegen: In gewisser Weise wird alles, wie in Italien zuweilen üblich, in der Familie geregelt. Ausgerechnet Jean Todt, der einst bei Ferrari die Regie geführt hat bei der Teamorder 2002, sitzt nun als Chef an der Spitze des Weltverbandes Fia, der über die Vorwürfe richtet. Und sein Sohn Nicolas managt Massa.

Todts Freund und früherer Ferrari-Intimus Schumacher verteidigte das Vorgehen seines früheren Arbeitgebers. "Ich habe zu 100 Prozent Verständnis dafür, was Ferrari gemacht hat", sagte Schumacher, "ich hatte in der Vergangenheit Mühe zu verstehen, dass sich die Leute darüber aufregen."