Tennisprofi Mischa Zverev möchte beim Heimturnier am Rothenbaum den Umschwung schaffen

Hamburg. Es ist dieser Satz, den er beiläufig fallen lässt, der seine Stärke und Schwäche zugleich perfekt widerspiegelt. "Ich habe mich damit abgefunden, dass ich Nummer 150 der Welt bin und wieder Challengerturniere spielen muss", sagt Mischa Zverev, und man fragt sich in diesem Moment, wie ein 22 Jahre alter Tennisprofi, der im vergangenen Jahr für Deutschland im Daviscup angetreten war, sich mit Challengerturnieren abfinden kann. Doch um diese Aussage zu verstehen, muss man Zverev genauer kennenlernen.

Als der gebürtige Moskauer, der als Sechsjähriger mit seinen Eltern nach Hamburg kam, vor einem Jahr am Rothenbaum aufschlug, hatte er das beste halbe Jahr seiner Karriere hinter sich. Er stand an Position 45 der Weltrangliste und war für das Hauptfeld in seiner Heimatstadt direkt qualifiziert. Doch in Hamburg begann sein Absturz. Er unterlag in Runde eins dem Reutlinger Simon Greul in drei Sätzen. Von da an gewann er 2009 nur noch ein Match, bevor er sich im Oktober in Shanghai das rechte Handgelenk brach. Auch in der ersten Jahreshälfte 2010 änderte sich wenig; auch, weil ihn zunächst das malade Handgelenk, später dann ein Rippenbruch und Schulterprobleme peinigten. Und da er die im ersten Halbjahr 2009 gesammelten Weltranglistenpunkte nicht verteidigen konnte, stürzte er in der Weltrangliste bis auf Position 150, die er heute innehat. Nur dank einer Wildcard rutschte er am Rothenbaum ins Hauptfeld.

Hamburg, das hat er sich vorgenommen, soll auch 2010 den Wendepunkt darstellen, allerdings den zum Positiven. "Ich habe ja aus der zweiten Jahreshälfte 2009 keine Punkte zu verteidigen. Wenn ich in den nächsten Monaten ein paar Matches gewinne, stehe ich zum Jahresende wieder in den Top 100", sagt Zverev. Der 190 cm große Linkshänder, der heute in Runde eins auf den Kasachen Andrej Golubev (22; Nr. 82) trifft, hat einiges verändert in den vergangenen Monaten. Vor allem hat er sich rar gemacht, weil er mit dem Trubel, den seine Top-50-Platzierung mit sich brachte, nicht umzugehen wusste. "Es fiel mir schwer, ständig Niederlagen zu erklären", gibt er zu. Sein Handy legte er monatelang lahm, E-Mails ließ er von seinem Vater beantworten. "Ich brauchte meine Ruhe, um zu mir zu finden."

Die Konsequenzen, die er zog, waren vielfältig. Er hat seine Ernährung professionalisiert. Die Trainingsarbeit hat sein Vertrauter Detlev Irmler vom Rochusclub Düsseldorf, für den Zverev in der Bundesliga aufschlägt, von seinen Eltern übernommen. Die meiste Zeit des Jahres lebt Zverev allein in Monaco, sein Elternhaus in Lemsahl hat er in diesem Jahr nur eine Woche von innen gesehen. Selbst in diesen Tagen wohnt er mit seiner neuen Freundin Sue, einer Studentin aus Florida, im Hotel.

Es ist Zverevs Stärke, sich über das eigene Wohl und Wehe nicht den Kopf zu zermartern. Es ist seine Schwäche, nicht immer das Letzte aus sich herauszuholen. Diese Diskrepanz hat er im eingangs erwähnten Satz verpackt. Ob er fürchte, mit 21 Jahren seinen Karrierehöhepunkt erreicht zu haben, wird er zum Ende des Gesprächs gefragt. "Ich glaube nicht", sagt er.