Mercedes überrascht beim ersten Formel-1-Training in Australien mit guten Zeiten. Weltmeister Sebastian Vettel verordnet sich eine Nachtschicht

Melbourne. Sebastian Vettel haderte mit seiner "Abbey", Michael Schumacher stimmte sich dagegen im verbesserten Silberpfeil mit einer Bestzeit für den Formel-1-Auftakt ein. "Das war ein schöner Start in eine hoffentlich aufregende Saison", meinte der Rekordweltmeister. Nach Platz drei im ersten Training am Freitag in Melbourne eroberte der Mercedes-Pilot anschließend sogar den ersten Platz. Doppelchampion und Titelverteidiger Vettel kam indes im neuen Dienstwagen RB8 nicht über die Ränge elf und zehn hinaus. Prompt machte er sich auf eine Sonderschicht gefasst: "Wichtig ist, dass wir über Nacht einen Schritt nach vorne machen." Am Sonntag (7 Uhr MEZ RTL und Sky) beginnt mit dem Großen Preis von Australien die Formel-1-Saison.

Wie seine Verfolger litt auch Vettel unter dem Wetter im australischen Spätsommer. Nach heftigem Regen in der Nacht und vor der zweiten Einheit nahm Vettel nur 40 Runden auf dem 5,303 Kilometer langen Kurs im Albert Park unter die Räder. "Bei diesen Bedingungen kommt man nicht viel zum Fahren", meinte Vettel.

Gerade für den 24 Jahre alten Heppenheimer wären mehr Umläufe aber gut gewesen, nachdem er das Melbourne-Paket seines neuen Red-Bull-Rennwagens am letzten Testtag wegen technischer Probleme kaum hatte ausprobieren können. Wie seine Kollegen aber verharrte auch Vettel am späten Freitagnachmittag (Ortszeit) lange Zeit in der Box.

Anfangs plauderte er noch mit Teamkollege Mark Webber, der bei seinem Heimspiel in Australien zunächst deutlich besser abschnitt. Erst nach rund 45 Minuten fuhr Vettel mit seinem RB8 auf den nur langsam abtrocknenden Kurs. Und das, nachdem schon in den ersten anderthalb Trainingsstunden bei ihm wenig gepasst hatte. "So ziemlich alles war nicht gut", sagte er.

Unterdessen hatten seine Verfolger die Gelegenheit genutzt und schon mal aufhorchen lassen. Vizeweltmeister Jenson Button stellte die Tagesbestzeit auf, McLaren-Kollege Lewis Hamilton kam auf Platz zwei vor Schumacher. Nico Rosberg reihte sich im zweiten Mercedes auf Platz sechs ein. Im zweiten Durchgang wurde der Wiesbadener Neunter im Silberpfeil mit den geheimnisvollen Luftschächten vorn und hinten. Dieser Technik-Kniff hatte bereits die misstrauischen Rivalen auf den Plan gerufen. "Heute sprechen die Leute über uns, morgen werden es schon wieder andere sein", meinte Mercedes-Teamchef Ross Brawn.

Der Engländer nennt solche Tricks die Magie der Formel 1. Für die Konkurrenten ist es allerdings manchmal Hexenwerk. 2009 rüstete er die Rennwagen seines damals noch eigenen Teams mit dem Doppeldiffusor aus. Es war der Schlüssel zum WM-Erfolg von Jenson Button. Seit 2010 ist Brawn Teamchef des Rennstalls, den Mercedes übernahm. Der anscheinend deutlich verbesserte Silberpfeil der dritten Generation wartet mit Finessen der Ingenieurskunst auf: Gleich zwei sogenannte F-Schächte bekam der F1 W03 verpasst. Einen vorne, einen hinten. In der Nase des Silberpfeils befindet sich ein Schlitz. Die Luft wird von dort auf den Frontflügel geleitet. Am Heckflügel befindet sich ein weiterer Schacht. Dieser soll, so wird vermutet, in Kombination mit der Aktivierung und Deaktivierung des sogenannten DRS funktionieren.

Beim DRS kann ein Teil des Heckflügels so verstellt werden, dass die Luft hindurchgeht, der Anpressdruck verringert und so die Geschwindigkeit erhöht wird.

Für Gesprächsstoff sorgte auch Nico Hülkenberg. Der Emmericher bestreitet am Sonntag in Australien nach über einem Jahr wieder ein Formel-1-Rennen, nachdem er vom Test- und Ersatzfahrer bei Sahara Force India zum Stammpiloten aufgestiegen ist. Nach Rang zwölf im ersten Training musste sich Hülkenberg dann in letzter Sekunde nur Schumacher geschlagen geben. "Ich habe schon ein gutes Gefühl mit dem Auto", meinte er.

Ebenfalls erfreulich aus deutscher Sicht: Timo Glock schaffte es beim Debüt seines neuen Marussia bis auf Platz zwölf. Zu seiner eigenen Überraschung: "Bis jetzt ist das Auto nur poliert und keine Schraube dran gedreht." Seit zwei Jahren kam der ehemalige GP2-Meister noch nie in den zweiten Durchgang der K.o.-Ausscheidung in der Qualifikation.

Ein Erlebnis, über das offenbar sogar Sebastian Vettel nachdenkt. "Das ist kein Scherz: Es ist wichtig, ins dritte Qualifying zu kommen", sagte der Weltmeister und Trainingsdominator des Vorjahres. Wie aussagekräftig der erste Ausritt der Formel-1-Generation 2012 war, bleibt umstritten. Ferrari-Mann Fernando Alonso sagt: "Man kann keine Vorhersagen für die Qualifikation treffen." Und Vettel: "Ich weiß, dass alle auf eine Antwort brennen." Geben konnte er sie nicht.

Erstes Training in Melbourne (5,303 km): 1. Button (Großbritannien) McLaren-Mercedes 1:27,650 Min., 2. Hamilton (Großbritannien) McLaren-Mercedes 1:27,805, 3. Schumacher (Kerpen) Mercedes 1:28,235, 4. Alonso (Spanien) Ferrari 1:28,360, 5. Webber (Australien) Red-Bull-Renault 1:28,467, 6. Rosberg (Wiesbaden) Mercedes 1:28,683, 7. Ricciardo (Australien) Toro-Rosso-Ferrari 1:28,908, 8. Hülkenberg (Emmerich) Force-India-Mercedes 1:29,292, 9. Maldonado (Venezuela) Williams-Renault 1:29,415, 10. Räikkönen (Finnland) Lotus-Renault 1:29,565, ... 12. Vettel (Heppenheim) Red-Bull-Renault 1:29,790, 21. Glock (Wersau) Marussia-Cosworth 1:32,632.