Im American Football steht am Sonntag das Finale an. Mit den New England Patriots könnte der Offensive Tackle als erster Deutscher siegen.

Indianapolis/Köln. Typisch Sebastian Vollmer: Deutschlands Football-Star hat auf das große Schaulaufen für das Spektakel Super Bowl verzichtet. Während sich 5000 Journalisten aus aller Welt und 6000 zahlende Schaulustige vor dem Duell zwischen den New England Patriots und den New York Giants in der Nacht zu Montag (0.30 Uhr/Sat.1) in Indianapolis ein Stelldichein gaben, mied der bescheidene Hüne aus dem Rheinland wie gewohnt das Rampenlicht.

Dabei wäre Vollmer auch in dem teilweise bizarr anmutenden Treiben - ein Medienvertreter trug ein schwarzes Superheldenkostüm, ein anderer kam mit einer Discokugel unterm Arm - nicht zu übersehen gewesen. Der Offensive Tackle der Patriots ist 2,03 Meter groß und bringt stattliche 140 Kilogramm auf die Waage, selbst in NFL-Kreisen ungewöhnliche Ausmaße. Doch der im nordrhein-westfälischen Kaarst beheimatete Vollmer genießt seine Nebenrolle im größten Spektakel des US-Sports.

Entsprechend unangenehm war es dem eher wortkargen Deutschen, als ein Journalist auf der Pressekonferenz Vergleiche mit Basketball-Star Dirk Nowitzki anstellte. „Mit ihm würde ich mich nicht vergleichen. Er ist ein großartiger Sportler und hat so viele große Dinge in seiner Liga erreicht“, sagte der 27-Jährige.

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Abseits des riesigen Rummels arbeitet Vollmer verbissen daran, doch noch pünktlich fit zu werden für das bis dahin größte Spiel seiner Karriere. In der regulären Saison konnte er wegen einer Fußverletzung und anhaltender Rückenprobleme nur sechs Spiele absolvieren. Zuletzt plagte sich der Hüne mit einer Magen-Darm-Grippe herum.

Headcoach Bill Belichick machte dennoch Hoffnung: „Er hat definitiv eine Chance. Sebastian hat sich in den letzten Wochen stark verbessert. Er hat sich gesteigert.“ Steigert sich „Sea Bass“ (Wolfsbarsch), wie Vollmer in Anlehnung an seinen Vornamen getauft wurde, in den nächsten Tagen noch, könnte er sich als erster Deutscher überhaupt mit einem Super-Bowl-Ring schmücken - und etwas mehr ins Rampenlicht rücken.

Selbst wenn Vollmer auf dem Platz stand, war er für die meisten Zuschauer zusammen mit seinen Offensive-Line-Mitstreitern stets nur einer von den großen, kräftigen Kerlen, die Quarterback-Superstar Tom Brady den Rücken freigehalten haben. In Fußballschuhen, die Vollmer vor seiner Football-Karriere zehn Jahre geschnürt hatte, wäre er die klassische Sechs, die dafür sorgt, dass der 10er das Spiel machen und zaubern kann. Ein enorm wichtiger Spieler, den aber kaum einer wahrnimmt.

Zu Unrecht, wie New Englands Offensiv-Coach Dante Scarnecchia findet: „Sebastian bringt alles mit. Er ist mit Athletik gesegnet, hart im Nehmen, unglaublich stark, dazu ein kluger Kerl.“ Vor neun Jahren wurde der Kaarster, der erst mit 14 Jahren zum Football kam, während einer USA-Reise mit der Jugendnationalmannschaft von Scouts der Universität Houston entdeckt und bekam trotz damals kaum vorhandener Englisch-Kenntnisse ein Sport-Stipendium.

„Ein Typ zu sein, der irgendwo aus dem Nirgendwo kommt und dann zu einem der besten Tackler der Liga wird, das ist wahrlich ein Zeugnis seiner guten Arbeit und davon, wie gut er dieses Spiel beherrscht“, sagt Teamkolleger Brian Waters. Beim Draft 2009 wurde Vollmer von New England in der zweiten Runde ausgewählt, als 58. Spieler. „Meine Gebete wurden erhört“, sagte er damals.

Es war der Startschuss zu einer „Reise unter dem Radar“, wie es ein US-Sportjournalist einmal bezeichnete. Vollmer zeigt überragende Leistungen, vor denen jedoch meistens nur die den Hut ziehen, die wirklich was von Football verstehen. Anders ist es kaum zu erklären, dass er in der vergangenen Saison bei der Fanabstimmung für das Allstar-Game unberücksichtigt blieb. „Ich hatte schon immer die Einstellung, dass man, wenn man die kleinen Dinge im Leben genug beachtet, am Ende das Große bekommt“, sagte Vollmer.

Das „Große“ ist 55 Zentimeter hoch, 3,5 Kilogramm schwer, besteht aus Sterlingsilber und trägt den Namen Vince Lombardi Trophy. Der Lohn für den Sieg im Super Bowl. Am frühen Montagmorgen deutscher Zeit könnte sich Vollmer in die Geschichtsbücher seiner Sportart eintragen. Ganz unbescheiden diesmal.