Österreicher Gregor Schlierenzauer gewinnt auch zweites Springen der Vierschanzentournee. Vorzeitiges Aus für Martin Schmitt.

Garmisch-Partenkirchen. Sven Hannawald hat das Neujahrsspringen mit einem mulmigen Gefühl verfolgt. Und am Ende, als alles vorbei war, ging es ihm eher schlechter als besser. "Das neue Jahr beginnt nicht ganz so fröhlich", sagte das Skisprungidol.

Denn bisher ist der heute 37-Jährige noch der einzige, der je alle vier Wettbewerbe der Vierschanzentournee gewinnen konnte - das war vor zehn Jahren. Der Österreicher Gregor Schlierenzauer ist jetzt auf halbem Weg: Nach seinem Sieg beim Auftaktspringen am Freitag in Oberstdorf setzte er sich auch bei der zweiten Station am Sonntagnachmittag in Garmisch-Partenkirchen durch und baute seine Führung in der Gesamtwertung aus. Hannawald lobte den souveränen Sieger als Experte bei Sky Sport News HD: "Er hat eine stabile Form, die beängstigend ist."

Auf Platz zwei flog Schlierenzauers Landsmann Andreas Kofler. Fast hätte es wie in Oberstdorf erneut für einen Dreifachsieg der Österreicher gereicht, doch diesmal landete Daiki Ito aus Japan auf Rang drei. Thomas Morgenstern wurde als drittbester Österreicher Sechster, nur 1,7 Punkte hinter Ito. Für die Deutschen verlief der erste Tag im neuen Jahr wieder einmal enttäuschend: Severin Freund verpasste als Siebter den nach dem ersten Durchgang möglichen Podestplatz, Richard Freitag sprang auf Platz 25. Bitter: Für Altmeister Martin Schmitt ist die Vierschanzentournee wegen schlechter Leistungen schon vorbei; bei der dritten Station in Innsbruck ist der bald 34-Jährige nicht mehr dabei.

Für Gregor Schlierenzauer hingegen beginnt jetzt der härteste Part: Er muss seine Nerven in seinem Heimatland im Griff behalten, möchte er erstmals die Vierschanzentournee gewinnen. Zunächst jedoch wollte er seinen Sieg genießen. "Das ist ein super Tag", sagte Schlierenzauer. Der erst 21 Jahre alte Überflieger fand trotz seines Erfolges aber auch etwas zu mäkeln: "Es waren diesmal nicht meine besten Sprünge, aber umso besser für mich, wenn es trotzdem reicht."

Nach dem ersten Durchgang sah es noch so aus, als könne Severin Freund den Österreicher nicht nur ärgern, sondern ihn am Ende sogar übertrumpfen. Mit 138,5 Metern sprang er einen halben Meter weiter als Schlierenzauer, der jedoch wegen schlechterer Wetterbedingungen am Ende mehr Punkte erhielt. Im zweiten Durchgang jedoch konnte der Deutsche trotz guter Windverhältnisse seinen zweiten Platz nicht halten oder verbessern, sondern fiel zurück. "Ein siebter Platz ist aber noch ganz gut", sagte der 23 Jahre alte Bayer, ärgerte sich dann aber doch: "Diese Chance war schon groß. Solche Gelegenheiten musst du nutzen, willst du ganz nach vorne kommen." Im Gesamtklassement liegt er dennoch auf Rang fünf und kann sich weiterhin einen Podestplatz erkämpfen. Für Richard Freitag hingegen, der in der Tourneewertung auf Platz 19 zurückfiel, ist das kaum noch möglich.

Bundestrainer Werner Schuster versuchte, das Positive an den Ergebnissen zu sehen. "Für uns wird es jetzt sicher leichter", sagte er und hofft, dass seine beiden Hoffnungsträger nun befreiter auftreten und den Erwartungsdruck abstreifen können.

Martin Schmitt muss sich über Stress und Druck bei dieser Vierschanzentournee keine Gedanken mehr machen, auch wenn ihm die Aufmerksamkeit der Zuschauer noch immer sicher ist, wie diese Szene zeigt: Nach seinem Sprung im ersten Durchgang schrien einige Fans hinter der Absperrung so laut und inbrünstig wie sie nur konnten. Immer wieder riefen sie seinen Namen, wollten, dass er sich umdreht. Doch Schmitt hörte sie nicht, er versuchte gerade mal wieder, sich und anderen zu erklären, was da eben los war. Wie schon in Oberstdorf hatte er es wieder nicht in den zweiten, den finalen Durchgang geschafft. "Ich spüre aber immer noch, dass etwas in mir steckt", beharrte er, musste jedoch zugeben: "Ich bekomme es im Moment einfach nicht richtig auf die Reihe."

Da nur sechs Deutsche zur dritten Tourneestation nach Innsbruck reisen - Qualifikation am Dienstag, Springen am Mittwoch -, und er nicht zu den Besten im Team gehört, ist die Veranstaltung für Schmitt vorzeitig beendet. "Das bedeutet nichts für das Ende meiner Karriere. Auch morgen wird die Sonne wieder aufgehen, und ich werde dann immer noch Skispringer sein", stellte er etwas trotzig klar.

Trotz Schlierenzauers Dominanz ist der eigentliche Sieger des Wochenendes der am Freitag in Oberstdorf so schwer gestürzte Norweger Tom Hilde, 24. Bei seiner missglückten Landung hatte er sich den achten Rückenwirbel gebrochen, durfte aber am Sonnabendabend schon wieder das Krankenhaus verlassen und tauchte schwer lädiert beim Silvesteressen seiner Mannschaft auf. "Es ist eine Erleichterung für alle, einen Freund zurückzuhaben", sagte Norwegens Mannschaftsführer Clas Brede Bråthen.

Am Sonntagmorgen offenbarte dann das Tageslicht, wie sehr Tom Hilde wirklich gezeichnet war: die rechte Gesichtshälfte bis unters Auge mit Schürfwunden übersäht, dazu eine lange Schramme die Nase hinunter. Aber er tauchte ohne Krücken oder seinen Rumpf stützendes Korsett auf, ging zwar leicht humpelnd seines Weges, jedoch erstaunlich gut gelaunt und tapfer. "Ich kann nichts ändern, sondern nur versuchen, mich schnell zu erholen. Mein Körper fühlt sich überraschend gut an, auch wenn ich natürlich merke, dass da was ist", sagte Hilde.

Spekulationen, der Wind sei zu stark gewesen, und die Jury hätte ihn nicht die Schanze hinunterlassen sollen, erstickte er sofort. "Das war ganz alleine mein Fehler. Ich sollte in der Lage sein, die Landung hinzubekommen", stellte er klar und verdeutlichte das mit einem kuriosen Vergleich: "Das ist, als ob ein Fußballer einen Elfmeter verschießt und sich dabei auch noch einen Rückenwirbel bricht."