Der 29-Jährige vom Sauerland-Team lag gegen Roman Karmazin schon deutlich hinten, ehe er aufdrehte und noch ein Remis erreichte.

Neubrandenburg. Die wichtigsten Glückwünsche kamen am frühen Sonntagmorgen per SMS von seiner Verlobten, die den Kampf wie 3,54 Millionen Fans am TV verfolgt hatte. Einen schönen Kampf habe er geliefert, und spannend sei es auch wieder gewesen, schrieb Diana an ihren langjährigen Lebenspartner Sebastian Sylvester. Der IBF-Boxweltmeister im Mittelgewicht freute sich vor allem darüber, dass er das Duell mit dem Russen Roman Karmazin, 37, ohne nennenswerte Blessuren überstanden hatte. Am 2. Juli heiratet er seine Verlobte in seiner Heimat Greifswald, und wer tritt schon gern als frisch lackierter Totalschaden vor den Traualtar?

Dass der 29-Jährige vom Berliner Sauerland-Team überhaupt als Weltmeister den Bund fürs Leben eingehen darf, hatte er einem großartigen Endspurt zu verdanken, der ein fast schon verloren geglaubtes Faustgefecht noch zu einem Unentschieden werden ließ, das in der Box-Arithmetik genügt, um als Champion seinen Gürtel zu behalten. In der ersten Kampfhälfte hatte der bewegliche Karmazin dem Deutschen die Grenzen aufgezeigt. Sylvester wirkte in dieser Phase hölzern und eindimensional, er verließ sich nur auf seine linke Gerade, hatte aber keine Ideen, um den zähen Russen entscheidend aus der Reserve zu locken. Erst als diesem nach einigen Körpertreffern die Kräfte schwanden, kam Sylvester zu harten Wirkungstreffern mit der Rechten.

„Ich hatte mir vorgenommen, variabel und effektiv zu sein. Aber er war anfangs zu schnell. Deshalb habe ich meine Linke gebracht, aufgepasst, dass er mich nicht trifft, und gewartet, dass er müde wird“, erklärte der Champion, der von den 4500 Fans im ausverkauften Jahnsportforum frenetisch gefeiert wurde, seine Strategie. Dass diese auch hätte nach hinten losgehen können, gab er später im kleinen Kreis auf der After-Show-Party im Radisson-Hotel in der Neubrandenburger Innenstadt zu. „Ich bin noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen!“

Tatsächlich lag der kanadische Punktrichter Pasquale Procopio mit seiner Wertung von 114:114 goldrichtig, während seine US-Kollegen John Duke Lawson (111:118) und Matthew Podgorski (117:111) einen völlig gegensätzlichen Kampf gesehen hatten. Während der Auszählung der Punktzettel kam es deshalb auch zu einem Handgemenge, als ein Mitglied des Karmazin-Lagers Bilder machen wollte und vom Ordnungspersonal deshalb der Halle verwiesen wurde. Karmazin, der sich als Sieger gesehen hatte, bemühte anschließend das altbekannte Klagelied von der Parteilichkeit der Punktrichter in Deutschland.

VOM JÄGER ZUM GEJAGTEN

Die Forderung seines Managers Steve Bash nach einem sofortigen Rematch rief deshalb bei Sylvesters Promoter Kalle Sauerland nicht mehr als ein Schulterzucken hervor. Man werde in Ruhe die Optionen prüfen. Auch Kämpfe gegen deutsche Rivalen wie Sebastian Zbik oder Mahir Oral seien interessant. „Zunächst aber wird Sebastian Fußball-WM gucken und heiraten“, so Sauerland. Das sind doch schöne Aussichten für ein Sommermärchen.