Der Mittelgewichts-Weltmeister steigt am Sonnabend zur ersten Verteidigung seines IBF-WM-Titels in den Ring.

Güstrow. Um eine Antwort auf die Frage zu finden, was sich in seinem Leben nach dem Gewinn des WM-Titels verändert hat, benötigt Sebastian Sylvester nur ein paar Sekunden. "Ich bin hochnäsig geworden, fühle mich als etwas Besonderes und weiß nicht, wieso ich mich mit solchen Typen noch abgebe", sagt der 29 Jahre alte Mittelgewichts-Boxprofi mit einem Seitenblick auf seinen Trainingskameraden Lukas Schulz, der sich neben ihm auf einem Liegestuhl vom gemeinsamen Saunagang in der Sportschule Güstrow erholt. Dass Sylvester bei dieser Aussage keine Miene verzieht, zeigt, dass er sich tatsächlich kein bisschen verändert hat. Der Humor ist trocken wie immer, und auch sonst ist der Mecklenburger seit dem 19. September ganz der Alte geblieben.

Die Motivation, mit der er am Sonnabend (22.25 Uhr/ARD live) zur ersten Verteidigung seines IBF-WM-Titels in den Ring des Jahnsportforums in Neubrandenburg steigt, ist allerdings eine andere. "Früher war ich der Jäger, jetzt bin ich derjenige, dem der Gegner etwas wegnehmen will", sagt er. "Ich will diesen Titel bis zum Karriereende behalten. Deshalb gibt es für mich keinen Grund, mich auf den Lorbeeren auszuruhen."

Trainer Karsten Röwer kann bestätigen, dass sein Schützling die gewohnte Arbeitsmoral auch in der Vorbereitung auf den US-Amerikaner Billy Lyell (25) an den Tag gelegt hat. Um keine Gewichtsprobleme zu bekommen, verlegte er sogar das weihnachtliche Entenbraten-Essen in den Oktober vor. "Sebastian weiß, dass er sich auf jeden Kampf gewissenhaft einstellen muss, denn die Aufgaben werden ja nicht leichter", sagt der Coach.

Ursprünglich hatte Sylvester gegen den Spanier Pablo Navascues antreten sollen, der jedoch wegen einer positiven Dopingprobe aus dem Verkehr gezogen wurde. Dass Lyell erst seit einer Woche als Ersatz feststeht, ist für ihn kein Problem. "Als Weltmeister muss man jeden boxen", sagt der Champion aus dem Berliner Sauerland-Team, der durch den WM-Triumph seinen Bekanntheitsgrad immens steigern konnte. "In Güstrow wusste jeder, dass Sebastian da ist. Im Sparring hatten wir so viele Zuschauer wie nie zuvor", sagt Röwer. Eine schöne Anerkennung sei das, sagt Sylvester: "Dann weiß man, dass man es richtig macht."

Die ersten zehn Tage nach dem WM-Sieg über Giovanni Lorenzo habe er versucht, "alles mitzunehmen, was an öffentlichen Terminen möglich war". Als ihm der Trubel jedoch zu groß wurde, zog sich Sylvester in sein Haus in Dersekow nahe Greifswald zu seiner Verlobten Diana und Tochter Lea-Chantal (9) zurück und genoss die Zeit mit der Familie. Dass seine Partnerin, die bislang die nervliche Belastung nicht auf sich nehmen wollte, am Sonnabend erstmals bei einem großen Kampf live am Ring sitzen wird, ist eine weitere Veränderung. "Ich hatte ihr versprochen, dass sie mitkommen darf, wenn ich eine freiwillige Titelverteidigung in Neubrandenburg bekomme. Damals hatte ich nicht damit gerechnet, dass das passiert", sagt er augenzwinkernd. Die Tochter übernachtet bei der Großmutter und darf den Kampf am nächsten Morgen als Aufzeichnung sehen - sofern der Papa siegt und nicht zu viel Blut fließt. Von Ersterem ist Sylvester überzeugt. Auch daran hat sich nichts geändert.