Der Coach über die Siegesserie seines Teams, Viertelfinalgegner HSV (So., 17.15 Uhr, O2 World/Eurosport) und sein Fernziel Bundesliga.

Hamburg. Wie verabredet man sich zum Interview mit einem Weltstar? Im Handball ist das einfach: Man wählt die Handynummer, nach dem dritten Klingeln nimmt Talant Dujshebaev ab und sagt: "Von mir aus können wir anfangen."

Abendblatt: Herr Dujshebaev, wissen Sie schon, wie Sie nach Hamburg kommen?

Talant Dujshebaev: Wenn alles nach Plan läuft, fliegen wir am Sonnabend. Wir hoffen, dass sich die Situation bis dahin normalisiert. Es gab zwar einen Plan B, aber wir wollen positiv denken.

Hätten Sie eine Verschiebung der Partie befürwortet?

Nein. Einen neuen Termin zu finden wäre kaum möglich gewesen. Meinetwegen wären wir auch mit dem Bus angereist.

Sie hatten im Gruppenspiel im November ein heftiges Wortgefecht mit Ihrem HSV-Kollegen Martin Schwalb. Werden Sie sich am Sonntag im Viertelfinal-Hinspiel entschuldigen?

Ich? Nein. So etwas kann im Eifer des Gefechts doch vorkommen, wenn zwei Topmannschaften aufeinandertreffen. Persönlich habe ich gar nichts gegen ihn. Er hat einen starken Charakter und ich auch. Ich hoffe, wir können dieses Thema wie zwei zivilisierte Leute behandeln und einander die Hand geben. Wir haben beide einen Fehler gemacht und kein gutes Vorbild abgegeben. Ich habe übrigens großen Respekt vor der Arbeit von Martin Schwalb.

Ist das Viertelfinalduell Hamburg gegen Ciudad Real schon das vorweggenommene Endspiel?

Wir beide sind jedenfalls die Topfavoriten in diesem Wettbewerb. Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass Hamburg einen großen Schritt nach vorn gemacht hat und in diesem Wettbewerb Favorit Nummer eins ist.

Aber Sie haben beide Gruppenspiele in dieser Saison gewonnen.

Das ist Vergangenheit. Die Atmosphäre wird diesmal eine ganz andere sein. Und damals hat Bertrand Gille nicht gespielt, Pascal Hens hat das Hinspiel verpasst. Klar ist: Wer von den beiden Mannschaften das Final Four erreicht, hat gute Chancen auf den Titel. Im Übrigen ist es für mich ein Fehler im System, dass ein Gruppenerster schon im Viertelfinale wieder auf den Gruppenzweiten trifft.

Sie haben in der spanischen Liga nach 26 Spieltagen noch keinen Punkt abgegeben, das ist noch keiner Mannschaft gelungen. Wird es Ihnen nicht langweilig?

Nein. Denn keiner kann einschätzen, wie viel dieser Erfolg kostet. Natürlich kann man die spanische Liga nicht mit der deutschen vergleichen, die für mich immer die stärkste der Welt war. Trotzdem ist so eine Serie nicht selbstverständlich. In der vergangenen Saison sind wir mit zwei Auswärtsniederlagen gestartet. Das war alles andere als langweilig.

Ihr Team ist anders als der deutsche Pokalsieger HSV im Cup gescheitert. Erhöht das den Druck?

Man kann nicht jedes Jahr alles gewinnen. Wir hatten mit Verletzungen und Müdigkeit zu kämpfen. Und die Priorität liegt immer auf Liga und Champions League.

Sie haben schon am Dienstag in der Liga anzutreten, während der HSV bis zum Rückspiel spielfrei ist. Ein Nachteil?

Unser Verband sollte in der Tat darüber nachdenken, den Kalender zu optimieren. Zwischen Hin- und Rückspiel eines Viertelfinales der Champions League sollte kein Spiel sein. Es ist letztlich auch im Interesse des spanischen Handballs, dass ihn ein Klub beim Final Four vertritt.

Was halten Sie von dieser Endrunde?

Im Basketball hat sie sich bewährt. Aber meine Erfahrung ist auch, dass wir im alten Modus mehr Möglichkeiten haben. Ein Spiel kann man verlieren. In zwei Spielen setzt sich die Qualität eher durch. Trotzdem: In Köln vor 20 000 Zuschauern zu spielen, diese Gelegenheit kommt nicht oft.

Außerhalb Deutschlands wären kaum so viele Menschen zu mobilisieren gewesen. In Spanien ist das Interesse am Handball seit Jahren rückläufig. Warum?

Hinter dem Fußball fallen hier alle anderen Sportarten weit zurück, nur Basketball hat noch eine gewisse Bedeutung. Aber es ist auch eine Mentalitätsfrage. Das Wetter ist gut, es gibt ganz andere Möglichkeiten, als in eine Halle zu gehen. Dennoch glaube ich, dass ein Final-Four-Turnier auch in Frankreich, Spanien oder Kroatien ein Erfolg werden könnte.

Wird Ihr Sohn Álex am Sonntag im Kader stehen?

Nein. Er ist ja gerade erst 17 geworden.

Aber Sie haben ihn in dieser Saison schon eingesetzt. Hat er es leichter, als Sie es einst hatten?

Das würde ich so nicht sagen. Er wurde in das Handballumfeld gleichsam hineingeboren und hatte von klein auf Kontakte zu den besten Spielern der Welt. Das Schwierige für ihn ist, dass er immer am Vater gemessen wird.

Wann werden wir Sie als Trainer in der Bundesliga sehen?

Irgendwann will ich gern nach Deutschland kommen und als Trainer das schaffen, was mir als Spieler versagt blieb, nämlich Titel zu gewinnen. Ich habe immer noch viele Freunde, verfolge die Bundesliga, kenne das Leben in Deutschland, spreche die Sprache ordentlich. Zurzeit gehöre ich zu Ciudad Real. Aber ich weiß auch, dass der Trainerkopf zuerst rollt, wenn es nicht läuft.

Ihr Erfolg hängt auch von der finanziellen Situation ab. Der Verein musste vor der Saison Leistungsträger ziehen lassen.

Ehrlich gesagt finde ich das sogar eine reizvolle Aufgabe. In den vergangenen beiden Jahren mussten wir unseren Etat kürzen und haben junge, talentierte Leute verpflichtet. Natürlich ist es schön, wenn alles gut läuft und man keine Probleme hat. Aber wenn man kämpfen muss und schwierigere Zeiten zu überstehen hat, steigert das das Selbstbewusstsein. Man wächst dadurch als Trainer und als Mensch.

Sie sind seit 15 Jahren Spanier. Wie spanisch sind Sie?

Ich sehe mich als Kosmopoliten. Ich fühle mich auch in Russland sehr wohl. Ich liebe es, zu reisen und viele Kontakte zu haben. Ich habe viel mitgenommen von der russischen, kirgisischen, spanischen Mentalität. Und von der deutschen auch.

Nämlich?

Die Seriosität, das Organisationstalent, das Kämpferische. Das war ganz wichtig für meine Entwicklung. Ach ja: Wenn ich mich in ein Auto setze, ist das Erste, was ich mache, dass ich mich anschnalle. Und ich trinke nie ein Bier, wenn ich Auto fahre. Das habe ich in Deutschland gelernt.

Talant Dujshebaev (41) gilt als einer der besten Handballer aller Zeiten. Aufgewachsen in der Sowjetrepublik Kirgistan, kam er als 18-Jähriger zu ZSKA Moskau und wurde 1992 mit der GUS Olympiasieger. 1995 nahm er die spanische Staatsbürgerschaft an. In der Bundesliga spielte er vier Jahre für Nettelstedt und Minden. Seit 2001 ist er bei Ciudad Real, das er als Trainer dreimal zum Champions-League-Sieg führte.