Der Norddeutsche Josef Giesen gewann jetzt seine erste Biathlon-Medaille bei den Paralympics. Das Gewehr bedient er mit dem Mund.

Whistler. Der Mann ohne Arme schießt wie Wyatt Earp. Josef Giesen, contergangeschädigt, ist als Biathlet einer der weltbesten Schützen. Bei den Paralympics in Whistler traf der Mann vom VfL Herzlake nur bei einem seiner Versuche die Scheibe nicht. Und die steht immerhin in einer Entfernung von zehn Metern mit einem Durchmesser von 1,5 Zentimetern – das entspricht etwa der Größe von einem Cent. Wie kann Giesen, der nach den Spielen an der kanadischen Westküste seine Laufbahn beendet, seine Waffe bedienen?

Ganz einfach: Mit dem Mund und mittels einer Spezialvorrichtung. Er repetiert sein Luftgewehr mit dem Kinn. Den Abzug betätigt der 48-Jährige über eine Schnur mit einem Ring am Ende. Er muss so gut schießen, wie er es in der Regel tut, um den großen Nachteil kompensieren zu können: Giesen geht notwendigerweise ohne Stöcke auf die Strecke und kann deswegen nicht so gut beschleunigen wie seine Konkurrenten mit Armen. Im Whistler Paralympic Park machte er am Mittwoch (Ortszeit) mit Bronze über 12,5 Kilometer seine Medaillensammlung im Biathlon komplett. 2002 war er in Salt Lake City Paralympics-Sieger im 7,5-Kilometer-Rennen und wurde 2006 in Turin Zweiter.

Jetzt ist Schluss, „mit 48 sollte man langsam an das Finale denken“. Und dieses Finale genoss Jupp, wie ihn seine Kumpels nennen, in vollen Zügen. Unmittelbar nach seinem Rennen warf er sich in den Schnee, defilierte dann an der Zuschauer-Tribüne vorbei, verneigte sich, obwohl es eher umgekehrt hätte sein müssen. Und abends, auf der Medals Plaza, machte er zum großen Gaudium des Publikums die „Kuntz-Säge“. Und weil er beim obligatorischen Blumenstrauß-Weitwurf nicht unbedingt Weltrekordler ist, fand Giesen auch bei dieser Herausforderung einen simplen Weg: Der norwegische Paralympics-Sieger Nils-Erik Ulset legte ihm das Gebinde auf den Fuß, ein kurzer Kick - und schwupps, war das Teil im Publikum verschwunden. Das wird Giesen jetzt auch tun: von der Loipe verschwinden. Das Weltfestival des Behindertensports bot ihm dafür den würdigen Rahmen.