Als gelernter TV-Journalist weiß Michael Pfad, wie wichtig der äußerliche Schein sein kann. Er hat gelernt, den Eindruck zu erwecken, alles im Griff zu haben.

Hamburg. Als gelernter TV-Journalist weiß Michael Pfad, wie wichtig der äußerliche Schein sein kann. Der 46-Jährige hat gelernt, wie ein Politiker in vielen Worten wenig zu sagen und dabei doch den Eindruck zu erwecken, alles im Griff zu haben. Er kennt seine Fähigkeit, Zuhörer einnehmen zu können, und dass er, wenn er einen Raum betritt, die Blicke auf sich zieht, hat ihm eine Selbstsicherheit verliehen, die er seine Gesprächspartner spüren lässt. Doch jetzt hat er sich aus seiner bequemen Sitzhaltung nach vorn gebeugt und ringt um Fassung. Er, der sich nach Fragen gern eine kleine Denkpause nimmt, obwohl er seine Antwort längst kennt, kann eine Spur Verunsicherung nicht verbergen.

Ob er verstehen könne, dass ihn Kritiker in Anbetracht seiner ersten 100-Tage-Bilanz als Geschäftsführer der Hamburg Freezers für einen Dampfplauderer halten, war die Frage gewesen, und Pfad hätte nicht antworten müssen, um verständlich zu machen, dass er das überhaupt nicht verstehen kann. „Kein Kommentar“, lautete sein einzig offizielles Statement, wobei er deutlich machte, dass er seinen Worten immer Taten folgen ließ. Diese Taten stehen, betrachtet man die nüchternen Zahlen der ablaufenden Saison, noch aus. Das Team wird erstmals in seiner achtjährigen Geschichte die Play-offs der Deutschen Eishockey-Liga verpassen, der Zuschauerschnitt liegt bei noch zwei ausstehenden Heimspielen mit 6896 deutlich unter den kalkulierten 8000.

Es wäre allerdings ungerecht, Pfad die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Bei seinem Amtsantritt am 1.Dezember 2009 hatte der frühere Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) erklärt, sich erst in der Saison 2010/11 an seinen Worten, dass alles besser werden solle, messen zu lassen. In den vergangenen 100 Tagen sei er hauptsächlich damit beschäftigt gewesen, jeden Stein bei den seit Jahren kriselnden Freezers umzudrehen und alles und jeden zu hinterfragen. Er habe im Verborgenen wirken müssen, um das Fundament des Vereins einschätzen zu können. „Ich hätte mir gewünscht, wir könnten mehr von dem Bestehenden beibehalten. Aber da ist fast überhaupt nichts vorhanden“, sagt er. Der größte Umbruch der Vereinsgeschichte sei deshalb längst in vollem Gange – auch wenn die Öffentlichkeit davon nicht viel mitbekommt.

Seiner Ankündigung, nur eine Handvoll Spieler des aktuellen Kaders in Hamburg behalten zu wollen, scheint Pfad nachzukommen. Selbst mit langfristigen Verträgen ausgestattete Akteure wie Vitalij Aab und Martin Walter können sich ihrer Weiterbeschäftigung nicht sicher sein. Doch auch beim administrativen Personal wird es Einschnitte geben. Eine langjährige Mitarbeiterin musste bereits gehen, und dies wird nicht die letzte personelle Veränderung auf der Geschäftsstelle gewesen sein. Dementsprechend angespannt ist die Stimmungslage in den Büroräumen der Volksbank-Arena. „Keiner weiß, ob er bleiben darf oder gehen muss. Viele sind im Moment mehr mit sich als mit dem Verein beschäftigt“, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Besonders irritiert sind die Angestellten über die mangelhafte interne Kommunikation. Häufig erfuhren sie aus der Zeitung, wie es im Verein weitergehen soll. Intern wird sogar dem umstrittenen Ex-Boss Boris Capla nachgetrauert. Tenor: Bei ihm wusste man, woran man war.

Pfad gesteht den Vorwurf der mangelhaften Kommunikation ein, den Ruf des knallharten Sanierers wolle er jedoch von vornherein ablehnen. „Ich bin noch nie bei irgendeinem meiner Jobs als Killer aufgetreten. Aber ich ärgere mich über Menschen, die einen guten Job haben, diesen aber nicht mit Freude ausüben“, sagt er. Ein vernichtendes Urteil, gekleidet in harmlose Worte.

Es sind Aussagen wie diese, die innerhalb der Organisation für Skepsis sorgen. Zumal Pfad in seinen ersten 100 Tagen durchaus selbst in Fettnäpfchen getreten ist. So weilte er beispielsweise am 31. Januar privat in London bei einem Fußballspiel, anstatt bei der um die Play-offs kämpfenden Mannschaft in Düsseldorf zu sein. Ohnehin kam es nicht gut an, dass der neue Macher bei kaum einem Auswärtsspiel dabei war. Und wenn, dann saß er auf der Tribüne und mied den Kontakt zum Team. Pfad erklärt sein distanziertes Verhalten mit der mangelnden Leistungsbereitschaft der Spieler, und man muss ihn auch verstehen: Es ist nicht sein Team, das derzeit die Freezers vertritt. Es ist ein wenig so, als hätte er eine neue Partnerin, müsse sich mit deren pubertierendem Sohn aus vorheriger Beziehung arrangieren und warte nur darauf, dass das erste gemeinsame Kind auf die Welt kommt. Mit dem Unterschied, dass der Sohn nicht einfach wegzuschicken wäre, so wie er es nun mit den ungeliebten Profis machen kann.

Je näher der Tag des Abschieds vom bestehenden Team rückt, desto mehr spürt man bei Pfad die Lust auf den neuen Job. Wenn er über seine Visionen spricht, leuchten mittlerweile sogar seine Augen. „So langsam sieht man die Konturen, wie es einmal werden wird“, sagt Pfad, der inzwischen manchmal von den Freezers träumt – und es sind keine Alpträume, die ihn dann plagen. Sympathischer und tiefer in der Stadt verwurzelt will der Klub auftreten. Pfad will der neuen Mannschaft die Liebe zu Hamburg vermitteln, die er selbst in sich trägt. Er will ein Team auf dem Eis sehen, das in jedem Spiel alles für den Erfolg gibt. „Wir werden nicht jedes Spiel gewinnen, aber wir müssen in jedem Spiel alles tun, um es zu versuchen“, sagt er. Die Verantwortung dafür trage jedoch allein der neue Sportdirektor Stephane Richer. Pfad kann, und das unterscheidet ihn neben seiner viel offeneren Art am deutlichsten von seinem Vorgänger Capla, Arbeit abgeben und anderen Vertrauen schenken. Sie müssen ihm nur beweisen, dass sie derlei Wertschätzung verdienen.

Sein wichtigstes Ziel, sagt Pfad, sei es, die Arena wieder auszuverkaufen. „Ich will, dass die Color-Line-Arena regelmäßig voll wird. Diesem Ziel ordne ich fast alles unter.“ Seine Fassung hat er längst zurückerlangt. Er redet jetzt wieder, wie man ihn kennt: klar, blumig und mit Nachdruck in der Stimme. Allerdings nicht wie ein Dampfplauderer, sondern wie einer, der ernst meint, was er sagt. Und der Lust hat, das auch endlich beweisen zu können.