Das Team von Martin Schwalb erlebt gegen den VfL Gummersbach ein Debakel und macht den Kampf um den Meistertitel wieder spannend.

Hamburg. Martin Schwalb nahm sich die Akkreditierung vom Hals, gedankenversunken reichte er den Schiedsrichtern die Hand, er gab sich alle Mühe, freundlich dreinzublicken, dann schlich er mit leerem Blick durch die Color-Line-Arena, in der es totenstill geworden war. Auf dem Videowürfel über ihm stand das Unglaubliche geschrieben: Mit 31:39 (17:17) hatten die HSV-Handballer sensationell gegen den VfL Gummersbach verloren. Von einem "gebrauchten Tag" sprach der Trainer später, für den er "die volle Verantwortung" übernehme. Schwalb hatte hoch gewettet in diesem Spiel, und er hatte alles verloren. Die Hamburger bleiben nach der ersten Heimniederlage der Saison zwar Tabellenführer, doch nach Minuspunkten ist Titelverteidiger THW Kiel plötzlich wieder in der Poleposition.

Nach zwölf Minuten hatte Schwalb erstmals eine Ahnung beschlichen, dass die Dinge nicht ihren gewohnten Gang gehen könnten. 6:7 stand es, drei Minuten zuvor hatte seine Mannschaft noch 6:3 geführt. Doch nun zeichnete sich ab, dass die Aufgabe, die die Gummersbacher dem HSV mit ihrer Drei-drei-Abwehr gaben, noch ihrer Lösung harrte. Schwalb übertrug dem wurfstarken Domagoj Duvnjak die Regie und beorderte Kapitän Guillaume Gille stattdessen an den Kreis. Dort hatten die Fans seinen Bruder Bertrand erhofft, nachdem der das Aufwärmprogramm absolviert hatte. Die gute Miene täuschte offenbar: Noch immer macht Gille die im August operierte Achillessehne zu schaffen.

Dafür durfte ein anderes Comeback gefeiert werden. Torsten Jansen kam nach 18 Spielminuten erstmals wieder zum Einsatz, nachdem er vor 16 Tagen einen Muskelfaserriss erlitten hatte. Die Wade bereitete keine Beschwerden mehr, der Spielverlauf schon. 10:13 stand es bei Jansens Einwechslung, und noch immer hatte die Fahndung nach einem tragfähigen Angriffskonzept keinen Durchbruch ergeben.

15 Fehlwürfe oder Ballverluste infolge technischer Unzulänglichkeiten standen allein in der ersten Halbzeit auf der Sollseite. Erschwerend hinzu kam, dass weder Johannes Bitter noch Per Sandström im Tor nennenswerte Spielanteile bekamen. So gesehen konnte sich Schwalb mit dem Gleichstand zur Halbzeit noch gut arrangieren. Er kennt das ja von seiner Mannschaft: Unzählige Spiele hatte sie in dieser Saison nach verhaltenem Beginn am Ende noch klar gewonnen. Doch diesmal war alles anders.

Beim Stand von 18:18 setzte Schwalb seinerseits auf einen Überraschungseffekt und brachte Pascal Hens als siebten Feldspieler (32.). Ein hohes Risiko, das sich nicht auszahlen sollte. Zwar mussten sich die Gummersbacher nun an den Kreis zurückziehen und den HSV-Rückraum ins Spiel kommen lassen. Doch traf allein der überragende Vedran Zrnic zweimal ins verwaiste HSV-Tor. Nach neun Minuten und einem Saldo von 3:6 beendete Schwalb das Experiment: "Die Jungs haben das taktisch nicht richtig umgesetzt und dafür die Quittung bekommen. Das war mein Fehler", gestand er.

Mit jedem Fehlwurf wuchs die Verunsicherung. Nicht wenige der 8855 Fans fühlten sich nun an das bittere Aus im Pokalhalbfinale 2009 (27:35) erinnert. Als Zrnic per Strafwurf zum 24:30 traf, zeichnete sich ein Debakel ab. Wieder brachte Schwalb einen siebten Feldspieler. Doch auch dieser letzte Akt der Verzweiflung ging nach hinten los. "Das wirft uns nicht um", versprach der sportliche Leiter Christian Fitzek. Der Beweis muss am Sonntag in Zagreb angetreten werden.

Tore, Hamburg: Lindberg 11 (7 Siebenmeter), K. Lijewski 5, Vori 4, Duvnjak 3, G. Gille 3, Hens 2, Flohr 1, Jansen 1, M. Lijewski 1; Gummersbach: Zrnic 12 (6), Vukovic 7, Schindler 6, Pfahl 6, Gunnarsson 4, Wagner 2, Stojanovic 1, Szilagyi 1. SR: Methe/Methe (Vellmar). Z.: 8855. Zeitstrafen: 4; 6.