Claudia Pechstein hat eine Olympiateilnahme 2010 noch nicht abgeschrieben. Sie wurde vom Weltverband wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt.

Vancouver. Die Dauer-Affäre Pechstein sorgt nun auch in Vancouver für Unruhe im deutschen Olympia-Team. Am Montag hat die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein überraschend einen Eilantrag beim Ad-hoc-Gericht des Sportgerichtshofes CAS gestellt, um trotz ihrer zweijährigen Doping-Sperre noch den Olympia-Start zu erzwingen. Zudem verschärfte sie ihren Kampf gegen die Internationalen Eisschnelllauf-Union (ISU) mit einer Strafanzeige.

Experten räumen der Berlinerin wenig Chancen auf eine Olympia-Teilnahme ein. Die deutsche Teamleitung muss sich nach einem Brief Pechsteins nun aber erneut mit dem ungeliebten Fall beschäftigen. DOSB-Generaldirektor Michael Vesper hatte tags zuvor angekündigt, dass man ihr Schreiben „selbstverständlich beantworten“ werde. Jedoch sei „zu dieser Angelegenheit alles gesagt, was es zu sagen gibt“. Ähnlich bedeckt hielt sich Gerhard Zimmermann, Vizepräsident des Eislauf-Weltverbandes ISU: „Nach wie vor handelt es sich um ein laufendes Verfahren, zu dem wir keine Stellung nehmen werden.“ Durch den Ad-hoc-Antrag werden Vesper und Co. von Medien nun sicher erneut zu Statements aufgefordert.

Hintergrund des erneuten juristischen Vorstoßes ist eine Aussage des Anti-Doping-Experten Pierre-Edouard Sottas, der Pechstein trotz ihres abnormalen Retikulozyten-Profils plötzlich vom Doping-Vorwurf entlastet. In einer E-Mail an Pechstein-Anwalt Simon Bergmann hat Sottas dargelegt, er schätze „die Wahrscheinlichkeit, ein solches Profil aufgrund von Doping zu erhalten, speziell auf den Wettkampf in Hamar bezogen, als gering ein“. Die 37-Jährige hat daher ihre Strafanzeige gegen die ISU sowie deren Anwälte Gerhardt Bubnik und James L. Hawkins wegen Prozessbetrugs bereits auf den Weg gebracht.

Aufgrund der auffälligen Blutwerte bei der Mehrkampf-WM in Hamar am 7. Februar 2009 hatte die ISU Pechstein Ende Juni 2009 mit einer zweijährigen Sperre belegt. Strafrechtlich relevant werden könnte die Aussage von Sottas aus Sicht des Pechstein-Lagers, da dessen Einschätzung dem Weltverband bereits bekanntgewesen sein soll, bevor Pechstein gesperrt wurde. Die ISU hatte ihre Anklage maßgeblich auf ein Gutachten von Sottas gestützt, in dem der Bio-Statistiker der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) Pechstein abnormale Retikulozyten-Werte bescheinigte.

Sottas behauptet in seiner Mail, die die Athletin am Montag auf ihrer Webseite in Auszügen veröffentlichte, er habe die ISU bereits im Juni, während der Verhandlung vor dem Schiedsgericht, darauf hingewiesen, dass er eine medizinische Ursache für wahrscheinlicher halte als Doping.

„Diese Vorgehensweise erfüllt aus unserer Sicht den Straftatbestand des Prozessbetruges“, erläuterte Pechsteins Anwalt Simon Bergmann. „Die ISU-Verantwortlichen haben wider besseren Wissens sowohl ihre eigenen Verbands-Schiedsrichter als auch die CAS-Richter arglistig getäuscht und bis zuletzt in dem Glauben gelassen, Gutachter Sottas sei fest davon überzeugt, meine Mandantin habe gedopt.“ Pechstein kommentierte: „Dass der Verband bewusst Beweismaterial unterdrückt, das mich entlastet, macht mich fassungslos“. Es sei beschämend und schockierend zugleich, dass die ISU zu solchen Mitteln greife, um ihre Verurteilung zu erwirken.

Aufgrund dieser neuen Entwicklung will Pechstein jetzt sogar versuchen, in letzter Sekunde doch noch ihr Startrecht bei Olympia zu erwirken. Ihr Anwalt Christian Krähe wird den Schriftsatz in Vancouver übergeben. Das neunköpfige Ad-hoc-Gericht des CAS, das über strittige Nominierungsfälle in einem Eilverfahren entscheidet, muss nun innerhalb von 24 Stunden ein Urteil fällen. Der Teamwettbewerb, an dem Pechstein teilnehmen will, findet am 26. und 27. Februar statt.

Das Ad-hoc-Schiedsgericht des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) wird seit den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta zur schnellen Schlichtung von juristischen Streitfällen eingesetzt. Die neun Juristen des Schiedsgerichts müssen vor Ort in 24 Stunden über Streitigkeiten zwischen den Internationalem Olympischen Komitee (IOC), Athleten und Verbänden entscheiden. Dabei kann es um Startberechtigungen, Zieleinläufe oder auch um Doping gehen.