Ex-Schiedsrichter-Sprecher Manfred Amerell nahm zu den Vorwürfen der Belästigung ausführlich Stellung und enthüllte pikante Details.

Hamburg. Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Manfred Amerell ist mit sofortiger Wirkung von seinen DFB-Ämtern zurückgetreten. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat den Rückzug Amerells unterdessen mit ungewöhnlich klaren Worten kommentiert.

„Wir nehmen den Schritt zur Kenntnis und halten ihn für richtig und notwendig, weil Erkenntnisse vorliegen, die leider die im Raum stehenden Vorwürfe gegen Herrn Amerell bekräftigen“, ließ der DFB am Freitag in einer Presseerklärung verlauten.

Amerell hatte nach schweren Vorwürfen gegen ihn seinen sofortigen Rücktritt von allen DFB-Ämtern angeboten. Der 62 Jahre alte DFB- Funktionär aus Augsburg wies im Laufe des Tages in einer schriftlichen Stellungnahme erneut entschieden die Anschuldigung zurück, er habe einen jungen Bundesliga-Referee sexuell belästigt.

Sein Anwalt erklärte, Amerell behalte sich rechtliche Schritte in alle Richtungen vor. „Ob die von Herrn Amerell über seinen Anwalt verbreiteten Äußerungen unter diesen Umständen klug waren, möchten wir unkommentiert lassen“, schrieb der DFB.

„Ich bin enttäuscht, dass meine Privatangelegenheiten in völlig falschen und diskreditierenden Zusammenhängen an die Öffentlichkeit getragen werden.“ Da er „für Glaubwürdigkeit und vertrauensvolle Zusammenarbeit im Schiedsrichterwesen stehe“, wolle er sich der Verantwortung stellen, schrieb Amerell, der Mitglied im DFB- Schiedsrichterausschuss war. Er habe daher den Verantwortlichen des DFB und des Süddeutschen Fußball-Verbands den Rücktritt angeboten.

Amerell nahm zu den Vorwürfen ausführlich Stellung. Er sei „tief betroffen und schockiert“, erklärte er. Die öffentlich gemachten Vorverurteilungen, Verdächtigungen und Spekulationen hätten ein Ausmaß angenommen, das für ihn und seine Familie nicht mehr erträglich sei. „Ich habe in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt einen jungen Bundesliga-Schiedsrichter sexuell belästigt“, schrieb der 62-Jährige. Er erklärte, dass er zu dem betreffenden Referee, „dessen sportlichen Werdegang ich in den letzten Jahren begleitet habe, ein sehr gutes Verhältnis“ hatte.

„Aus den zunächst rein sportlichen Kontakten entwickelte sich im Laufe der Zeit schließlich auch eine intensive private Freundschaft“, so Amerell. „Größten Wert lege ich dabei auf die Feststellung“, dass er diesen Schiedsrichter „zu keinem Zeitpunkt gegen seinen Willen zu dieser freundschaftlichen Beziehung gezwungen habe“.

Amerell räumte ein, dass es sicherlich ein Fehler gewesen sei, diese Freundschaft so eng werden zu lassen. „Die Beziehung war jedoch rein privat, persönlich und völlig unabhängig von meinem Amt im DFB- Schiedsrichterausschuss“, schrieb Amerell weiter. In der Mitteilung, die über seinen Anwalt verbreitet wurde, zitierte Amerell auch aus einer Handy-Kurznachricht, die ihm der Referee Mitte Januar geschickt haben soll.

Laut Welt-Online schrieb Amerell im Januar an den DFB-Schiedsrichter Michael Kempter wörtlich: „?Wieso machen wir alles kaputt? Ist das nötig Denke es ist nicht richtig, dass wir Hass aufeinander haben. Beide haben Fehler gemacht. Doch normal ist alles reparabel, oder? Tut mir echt weh. Komm doch ohne Dich auch nicht klar! Michi?“. Der 27-Jährige wirft Amerell vor, ihn sexuell genötigt zu haben.

Amerells Anwalt Jürgen Langer sagte im DSF, er prüfe „natürlich bereits zivilrechtliche Schritte in alle Richtungen, um dieser immensen Rufschädigung von Herrn Amerell und seiner Familie entgegen zu wirken“. Er forderte den DFB auf, „Ross und Reiter“ zu benennen, wann konkret irgendwelche sexuellen oder strafrechtlich relevanten Handlungen vorgenommen worden sein sollen. „Dann wird man danach die weiteren Maßnahmen ausrichten“, sagte Langer. Von „sexuellen Nötigungen oder anderen Dingen, die da momentan im Raum stehen“, sei „nicht ansatzweise etwas ersichtlich“.

Zugleich forderte der Rechtsanwalt den DFB auf, „jetzt Ross und Reiter“ zu benennen und zu erklären, „wann konkret hier irgendwelche sexuellen, strafrechtlich, sportrechtlichen Handlungen vorgenommen worden sein sollen“. Dann würde man danach die weiteren Maßnahmen ausrichten.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg sagte, dass bislang keine Tatsachen bekannt seien, die die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigen.

Ein Kommunikations-Hickhack innerhalb des DFB in dieser Angelegenheit hatte erst am Mittwoch den DFB-Vizepräsidenten Rainer Koch dazu veranlasst, seine Zuständigkeit für das Schiedsrichterwesen im DFB-Präsidium abzugeben. Als Nachfolger ist Hermann Korfmacher im Gespräch, der im DFB-Präsidium bisher für den Amateurbereich zuständig ist und sich zudem mit dem Wettskandal beschäftigte.

„Es würde Sinn machen, wenn sie die Aufgaben tauschen“, sagte DFB- Vizepräsident Karl Rothmund am Donnerstag. Koch hatte seine Entscheidung damit begründet, dass der Vorsitzende des DFB-Schiedsrichterausschusses, Volker Roth, bereits am 17. Dezember 2009 über die Vorwürfe informiert worden sei. Nach eigenen Angaben erfuhr Koch erst am 3. Februar davon. Bescheid wusste indes bereits DFB-Präsident Theo Zwanziger, den Roth knapp einen Monat nach Bekanntwerden der Vorwürfe unterrichtet hatte.

Amerell sei am 1. Februar zu einer Unterredung gebeten worden. „Das Präsidium wurde am 4. Februar unterrichtet, der zuständige Vizepräsident Dr. Rainer Koch wurde von mir ausführlich am 3. Februar telefonisch informiert, da er sich zu der Zeit – wie ich wusste - bereits seit einigen Tagen in Amerika aufhielt“, sagte Zwanziger und appellierte, „im Sinne der Personen verantwortungsbewusst mit dem Thema umzugehen“.