Whistler. Das hat Jenny Wolf (31) nun davon. "Alles andere als Gold wäre eine Enttäuschung bei Olympia", verkündete die Eissprinterin dieser Tage ungewohnt forsch, um hernach über das Echo ihrer Ankündigung zu erschrecken: "Eigentlich war es flapsig gemeint und gar nicht so ernst. Aber es hat sich irgendwie verselbständigt", sagte Wolf nun in Vancouver. Inzwischen findet die Berlinerin ihren Spruch gut: "Ich stehe dazu."

Alles andere als Gold ist eine Enttäuschung - zwar gilt diese Maxime längst nicht für alle der 153 deutschen Teilnehmer an den heute beginnenden XXI. Winterspielen in Kanada. Viele von ihnen werden sich an den nächsten 16 Wettkampftagen dennoch nicht nur für den persönlichen Erfolg zerreißen, sondern gleichzeitig für die nationale Mission: Platz eins im Medaillenspiegel, wie vor vier Jahren.

Elfmal Gold, zwölfmal Silber und sechsmal Bronze gab es in Turin. Seit 1976 haben deutsche Olympioniken stets mindestens neun Goldmedaillen errungen, und im ewigen Medaillenspiegel steht nur noch Russland knapp vor ihnen. Die ruhmreiche jüngere Vergangenheit verpflichtet für die Zukunft, niemand redet dagegen ernsthaft an. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) gibt vorsichtig einen Platz unter den besten drei Nationen als Ziel aus. Ab Platz vier, hat Generaldirektor Michael Vesper (57) geulkt, "sind wir nicht mehr ganz so happy".

"Wir gehen mit Zuversicht ins erste Wochenende", sagte der deutsche Chef de Mission Bernhard Schwank (49) und verbreitete hoffnungsfrohe Kunde: "Wir bekommen aus den Mannschaften gute Rückmeldungen, was Testleistungen und Stimmung angeht. Auch die letzten Ergebnisse waren recht positiv, wobei berücksichtigt werden muss, dass nicht immer die gesamte Weltspitze am Start war." DOSB-Präsident Thomas Bach stimmte gern ein in den Chor der Optimisten: "Unsere Zuversicht ist ungebrochen, eher noch verstärkt."

Dabei ist der Verteilungskampf um die Edelmetallplaketten heikler geworden. Immer mehr Nationen investieren in den Wintersport, oftmals gezielt in einzelne, Erfolg versprechende Disziplinen. Hermann Weinbuch (49) etwa beobachtet derzeit mit einiger Verblüffung das rasant sich erweiternde Favoritenfeld bei den nordischen Kombinierern. "Es gibt fast 15 Leute, die Medaillen gewinnen können", stöhnt der Chefbundestrainer, "das Feld ist eng zusammengerückt. Gerade zu Olympia sind mehr Nationen in der Lage, Geld zu akquirieren. Durch das Aufrüsten sind sie sehr leistungsstark geworden. Es wird entscheidend sein, dass wir das nötige Quäntchen Glück haben."

Dass der DOSB nun einen der erfolgreichsten Olympioniken zum Fahnenträger erkor, hat durchaus Signalwirkung. Drei Goldmedaillen hamsterte André Lange als Bobpilot bei Olympischen Spielen, nicht nur für Verbandschef Bach ist der 36-Jährige "ein Sympathieträger für den Sport und unser Land. Er verkörpert den modernen Athleten: Ehrgeizig, aber nicht verkniffen, immer mit Sympathie und Respekt vor seinen Gegnern. Er ist gleichzeitig ein glänzender Botschafter für unsere Olympiabewerbung München 2018".

Ist die Kampagne erfolgreich, dürfte der deutsche Sport auf zusätzliche Millionenförderung durch den Staat hoffen. Verdiente Sportler wie Bobpilot Lange oder Eisschnellläuferin Anni Friesinger-Postma (33) werden dann aus Altersgründen nicht mehr schwarz-rot-goldene Träume befeuern. Umso spannender wird zu beobachten sein, wie gut der Generationenwechsel über die Bühne geht. Rund 60 Prozent der 153 deutschen Teilnehmer starten zum ersten Mal bei Olympia.