Zwei Wochen vor Olympia melden sich Skeptiker zu Wort: Schneekanonen könnten nicht arbeiten und die Kosten der Spiele würden verschleiert.

Neuss/Vancouver. Das Tauwetter an den Olympiastätten des Cypress Mountain treibt den Organisatoren der 21. Olympischen Winterspiele den Schweiß auf die Stirn. Bei 14 Grad Celsius wirkt Vancouver zwei Wochen vor dem Auftakt (12. bis 28. Februar) wie Paris im Frühling, Schneekanonen können bei diesen Temperaturen nicht arbeiten. Zudem melden sich Oppositionspolitiker zu Wort, die glauben, dass Kosten der Spiele verschleiert werden. Sie befürchten für Kanada 34 Jahre nach dem Milliardendefizit der Sommerspiele 1976 ein "zweites Montreal."

Die Opposition glaubt, dass bei den 1,15 Milliarden Euro teuren Spielen im Bereich der zusätzlichen infrastrukturellen Maßnahmen die offizielle Summe von 1,65 Milliarden Euro nicht das letzte Wort ist, dass weitere Ausgaben in anderen Etat-Positionen versteckt werden.

Rob Van Wynsberghe, der an der Universität von British Columbia die Vorgänge um Olympia kritisch betrachtet, vermutet für Vancouver Langzeitprobleme angesichts der 677 Mio. Euro Darlehensgarantien, die die Stadt auch durch Auswirkungen der internationalen Finanzkrise übernehmen musste.

Oppositionspolitikerin Kathy Corrigan schätzt, dass die zuletzt auf 712 Millionen Euro gestiegenen Ausgaben für die Sicherheit, außerdem die Kosten für die Zugtrasse zwischen Stadtmitte und Flughafen und die Verbreiterung der Autobahn von Vancouver ins Skigebiet Whistler deutlich nach oben korrigiert werden müssen.

Das Organisatotionskomitee VANOC musste vergangene Woche in einem anderen Fall Wogen glätten. Das Whistler-Wintersportgebiet war Gegenstand von Verkaufspekulationen geworden. Aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten der Betreibergesellschaft Intrawest und ihrer US-Besitzer soll laut Medienberichten das Szenario drohen, dass das gesamte Gebiet im Nobel-Skiresort noch während der Winterspiele zwangsversteigert wird.

Bei besorgten Beoachtern werden Erinnerungen wach an das Desaster nach den Sommerspielen 1976 in Montreal, dem ersten Olympia in der Geschichte Kanadas. Diese hatten das größte Finanzloch aufgerissen, das jemals ein Gastgeber zu stopfen hatte: 30 Jahre lang belastete das Defizit von 1,07 Milliarden Euro den Steuerzahler. Bei seinen ersten Winterspielen 1988 machte es Calgary deutlich besser. Unter dem Strich standen 30 Millionen Euro Gewinn, die Anlagen werden bis heute erstaunlich gut genutzt.

Ein nacholympisches Desaster erlebten dagegen Nagano 1998 und Turin 2006. Der japanische Steuerzahler muss 25 Jahre lang bluten, weil die Sportstätten riesige Folgekosten produzieren und etliche für Olympia erbaute Hotels weitgehend leer stehen. Vier Jahre nach Turin 2006 ist auch in Italien aus dem Traum längst ein Albtraum geworden. Geisterstadien mit horrenden Folgekosten und verwüstete Sportanlagen, die immerhin 773 Millionen Euro gekostet haben. Die steuerschwachen Orte der Olympiaregion stöhnen unter 25 Millionen Euro Defizit.

Für Skeptiker ist selbst das Thema Wetter nicht erfreulich. "Nie zuvor in der olympischen Geschichte herrschte in der Gastgeber-Stadt der Winterspiele ein so gemäßigtes Klima", sagt Rene Heroux vom kanadischen Wetterdienst. Kopfzerbrechen bereitet den Organisatoren die geringe Aussicht auf Neuschnee am Cypress Mountain, Region der Freestyle- und Snowboard-Konkurrenzen.

British Columbias Premier Gordon Campbell verbreitete nach einer Inspektion der bereits seit drei Wochen für die Öffentlichkeit gesperrten Olympia-Regionen allerdings demonstrativ Zuversicht: "Unsere Experten bringen sich mit allem ein, was sie haben. Es wird alles gut werden."