Plötzlich gehört Rosi Mittermaiers Sohn zu den Medaillenkandidaten für die Olympischen Spiele in Vancouver.

Kitzbühel. Als die deutsche Nationalhymne erklang, schloss Felix Neureuther kurzzeitig die feuchten Augen, stimmte den Text an und genoss den "glücklichsten Tag" seines bisherigen Ski-Lebens. Der 25 Jahre alte Sohn der deutschen Skilegenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther hatte es in Kitzbühel zum ersten Mal seinen Eltern gleichgetan und einen Weltcup-Slalom gewonnen.

"Das ist die Vollendung des größten Traumes, den ich als Kind schon hatte", sagte Neureuther an dem Ort, an dem drei Jahrzehnte zuvor sein Vater gewonnen hatte. "Das ist irre", sagte der Slalomspezialist, der zuvor schon sechs Mal aufs Podest gefahren und bei der Weltmeisterschaft Vierter geworden war, aber eben noch nie ganz oben stand. Vater Christian Neureuther befand: "Es ist viel schöner als selbst zu gewinnen. Ich schmeiß mich vor ihm hin!" Der Name "Neureuther" wird künftig auf zwei Gondeln der Hahnenkamm-Bahn verewigt sein - jeder Sieger erhält traditionsgemäß einen Platz auf einer der roten Kabinen der Seilbahn. 1979 Christian, 2010 Felix.

Der deutsche Alpin-Direktor Wolfgang Maier erteilte seinem Schützling den Ritterschlag: "In Kitzbühel zu gewinnen, kommt gleich hinter einer Medaille bei einer WM oder Olympischen Spielen." Herren-Cheftrainer Karlheinz Waibel sagte: "Jetzt muss Felix keinem mehr etwas beweisen. Olympia kann kommen." Über Nacht gehört Felix Neureuther zumindest zu den deutschen Medaillenkandidaten.

Fünf Jahre ist es her, seit Alois Vogl beim Slalom in Wengen als letzter deutscher Fahrer triumphiert hatte. Überhaupt ist Neureuther erst der insgesamt fünfte deutsche Fahrer, der einen Weltcup-Slalom gewinnen konnte. Zuvor war dies nur Armin Bittner (sieben Siege), Christian Neureuther (sechs), Peter Roth (einer) und eben Alois Vogl (1) gelungen.

Dabei hatte der Olympia-Winter für den Partenkirchener alles durchwachsen begonnen. Lange kämpfte er um die Qualifikation, ging gehemmt in die Rennen. "Ich war kurz vorm Aufhören", behauptete er jetzt angesichts seines deprimierenden Saisonstarts. Doch über die Weihnachtstage hatte er mit dem Vater und Trainer Manfred Widauer konzentriert gearbeitet.

Erst als er mit zwei Sicherheitsläufen das Olympiaticket gelöst hatte, attackierte er wieder wie gewohnt. "Es geht so schnell in Deutschland", sinnierte Neureuther über Höhen und Tiefen. "Entweder man ist der Depp oder der König." Diesmal war sein königliches Rennen 70 000 Euro Prämie wert. Noch weit mehr hatte sich Didier Cuche gesichert. Als Doppelsieger in Abfahrt und Super-G - erst als dritter Läufer überhaupt - verdiente der Schweizer 120 000 Euro. 20 000 Euro gab er an die Haiti-Hilfe weiter. Stephan Keppler aus Ebingen löste im Super-G sein Olympia-Ticket und darf Neureuther begleiten.

Nach dem ersten Lauf hatte Neureuther noch auf Rang drei hinter Reinfried Herbst (Österreich) und Manfred Mölgg (Italien) gelegen. Arm in Arm mit dem zweitplatzierten Franzosen Julien Lizeroux verfolgte er im Ziel, wie sich die beiden Führenden durch Fehler um die Siegchance brachten. 25 000 Zuschauer schrien entsetzt auf, als Herbst ausschied.

Neureuther allerdings freute sich besonders, dass er es seinen Kritikern "heute mal gezeigt" hat: "Ich kann sehr wohl gewinnen." Im Ziel lag Lizeroux 0,39 Sekunden zurück, der Italiener Giuliano Razzoli hatte bereits 0,99 Sekunden Rückstand.