Der Bayern-Trainer stellt Löws Maßnahme komplett infrage: „Wir können die Werte doch auch liefern. Ich habe so etwas noch nie erlebt.“

Frankfurt/Main. Bundestrainer Joachim Löw muss sich wegen des viertägigen Leitungstests mit der DFB-Auswahl heftige Kritik von Bayern-Coach Louis van Gaal gefallen lassen.

„Ich denke, dass das Wahnsinn ist. Wir bezahlen die Spieler. Vier Tage ist doch nicht normal. Ich muss auch ein Spiel vorbereiten“, sagte der Niederländer und stellte den Sinn der Maßnahme komplett infrage: „Wir können die Werte doch auch liefern. Ich habe so etwas noch nie erlebt - und ich habe schon viele Topteams trainiert.“

Der Trainer des Rekordmeisters Bayern München schwang sich mit seinen Aussagen zwei Tage vor dem Treffen der Nationalmannschaft am Sonntag in Stuttgart neben Schalke-Coach Felix Magath zum schärfsten Kritiker auf.

Damit wartet auf Löw in der Schwaben-Metropole beim vorgezogenen Trainerlehrgang am Montag reichlich Überzeugungsarbeit. Verständnis für ihre Sichtweise dürfen die versammelten Bundesliga-Trainer vom DFB-Coach aber ganz offensichtlich nicht erwarten.

„Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen. Dieser Termin wurde langfristig mit der DFL und den Bundesliga-Vereinen abgestimmt. Bei allem Verständnis für die sportlichen Ambitionen von Louis van Gaal: Wir haben ein WM-Jahr, und es liegt im Interesse des gesamten deutschen Fußballs, dass wir unser Team optimal vorbereiten“, sagte Löw.

Bevor Löw zu Beginn der kommenden Woche unter anderem die Fitness der Neulinge Toni Kroos, Thomas Müller und Dennis Aogo überprüfen kann, hofft der 49-Jährige - ungeachtet aller Kritik - die Bundesligisten knapp fünf Monate vor dem WM-Start mit ins Boot holen zu können.

„Auf der Tagung werde ich meinen Kollegen nochmal die Notwendigkeit unserer Maßnahmen vor der WM erläutern“, sagte Löw. So sieht es auch Teammanager Oliver Bierhoff: „Vereine und Nationalmannschaft sollten noch mehr daran interessiert sein, miteinander zu arbeiten. Es ist ja niemandem geholfen, wenn da Gräben geschaffen werden.“

Nach der Zusammenkunft mit den Bundesliga-Trainern stehen in Stuttgart und Sindelfingen für die 29 eingeladenen Nationalspieler Marketingaktivitäten und der Leistungstest am Dienstag und Mittwoch auf dem Programm. „Ich erhoffe mir hinsichtlich unserer Planungen für Südafrika und die Kader-Zusammenstellung wichtige Erkenntnisse von dem Leistungstest. Die Ergebnisse werden uns zeigen, wer körperlich schon auf Stand ist und wer möglicherweise noch zulegen muss. In Südafrika brauchen wir Spieler, die topfit sind. Zudem haben wir vor der Bekanntgabe des Aufgebotes nur noch ein Länderspiel gegen Argentinien.“

Auch DFB-Internist Tim Meyer, der die Testreihe überwacht und anschließend mit seinem Team an der Universität des Saarlandes auswertet, hält den Leistungstest zu diesem frühen Zeitpunkt für unerlässlich. „Da im Frühjahr vor Vorbereitungsbeginn noch ein weiterer Test geplant ist, wird es um eine Feststellung des Status quo gehen, damit auch um die Frage: Wo müssen wir noch arbeiten?“, sagte der Mediziner, der bei der Nationelf einige neue Gesichter begrüßen kann.

Aogo (Hamburger SV/22 Jahre), Kroos (Bayer Leverkusen/20) und Müller (Bayern München/20) sollen laut Löw „mal in die Nationalmannschaft hineinschnuppern“. Fehlen wird beim ersten WM-Casting 2010 Kapitän Michael Ballack, der keine Freigabe von seinem Klub FC Chelsea erhielt. Auch die Verletzten Heiko Westermann, Lukas Podolski und Cacau mussten ihre Teilnahme absagen.