Elf Tage vor der Europameisterschaft plagen Bundestrainer Heiner Brand Sorgen auf einer Schlüsselposition.

Hamburg/Herrsching. Von den Schmerzen, die hin und wieder noch durch seinen linken Arm zucken, darf sich Johannes Bitter nicht täuschen lassen. Die Ärzte hätten ihm versichert, dass da nichts kaputtgehen könne. Seit zwei Tagen macht der Hamburger wieder mit beim Torwarttraining der deutschen Handballer, und wenn ihn dabei nicht gerade ein Ball am kürzlich operierten Ellbogen trifft, dann sei schon wieder fast alles wie immer. "Es geht von Tag zu Tag besser", sagt Bitter.

Das ist einmal eine gute Nachricht aus Herrsching am Ammersee, wo sich die Nationalmannschaft auf die Europameisterschaft in Österreich (19. bis 31. Januar) vorbereitet. Dann nämlich wird Bundestrainer Heiner Brand seine Nummer eins dringend benötigen, wie am Dienstag in Innsbruck zu besichtigen war: Deutschland stolperte im Testspiel zu einem 30:29 gegen den Turniergastgeber, und weder der Berliner Silvio Heinevetter noch Carsten Lichtlein aus Lemgo hielt nur annähernd, was sich Brand von ihnen verspricht.

"Wäre ihre Leistung gut gewesen, hätte ich auch etwas falsch gemacht", sagt Torwarttrainer Andreas Thiel beschwichtigend. Dass die Reaktionsschnelligkeit unter der harten Trainingsarbeit gelitten habe, sei normal. Spätestens im EM-Auftaktspiel gegen Polen könne man wieder auf die Reflexe vertrauen: "Wir werden uns im Turnier schon zu steigern wissen - wie eigentlich immer."

Das wird auch nötig sein. Heinevetter (25) machte in der Hauptstadt in den vergangenen Wochen vor allem dadurch von sich reden, dass er der 19 Jahre älteren Fernsehkommissarin Simone Thomalla ins Netz ging. "Seither ist seine Leistung völlig eingebrochen", wundert sich Füchse-Manager Bob Hanning. Seinen Arbeitsplatz musste Heinevetter immer häufiger für den Tschechen Petr Stochl räumen. Lichtlein (29) ist den Lemgoern nicht mehr gut genug, als dass sie seinen auslaufenden Vertrag verlängern würden. Und dem Mindener Nikolas Katsigiannis (27), dem vierten Mann im Deutschen Handball-Bunde, macht sein lädiertes Knie zu schaffen.

Verliebt, verletzt, verhalten: Die Zeiten waren schon besser für die wichtigste Position im deutschen Handball. Zeiten, als Thiel noch hexte und Fritz noch der Alte war. Gerade hat Henning Fritz, der Welthandballer des Jahres 2004, wieder wissen lassen, dass er sich mit 35 Jahren keineswegs zu alt fühle für ein Comeback im Nationalteam. "Henning hat gezeigt, dass er im Notfall eine Alternative wäre", sagt Thiel. Dieser Notfall aber sei nicht eingetreten.

Spätestens zur Generalprobe am Mittwoch gegen Brasilien wird Bitter (27) auf dem Feld zurückerwartet, vielleicht schon am Wochenende anlässlich zweier Testspiele gegen Island. "Er hat beim Spiel des HSV in Kiel bewiesen, dass er die Big Points abrufen kann", sagt Thiel. Von Heinevetter, dem er "überragende Fähigkeiten" bescheinigt, habe er in der Vorbereitung "nicht den Eindruck, dass die private Situation seine Leistung beeinträchtigt". Und auch Lichtlein tue die Zeit im Kreis der Nationalmannschaft gut. Dass er in Lemgo ausgebootet wird? "Das passiert halt mal", sagt Thiel. Obschon es sicher nicht einfach werde, eine neue Anstellung zu finden in der vielleicht stärksten Liga der Welt.

Die meisten Bundesligateams haben den Posten zwischen den Pfosten mit einem Ausländer besetzt. Die Statistik gibt ihnen recht. Das Fachorgan "Handballwoche" führt in seiner Torhüterrangliste auf den ersten sechs Rängen fünf Schweden. Den besten Deutschen findet man auf Rang zwölf: Henning Fritz. Die drei EM-Bewerber liegen mit Fangquoten um 32 Prozent einträchtig im Mittelfeld. Annähernd 40 sollten es in Österreich sein, sonst wären die Halbfinalansprüche des Weltmeisters von 2007 wohl unhaltbar.

Eine gute Torhüterleistung ist keine Garantie für den Erfolg. Aber sie ist eine notwendige Voraussetzung, im modernen Tempohandball mehr denn je. Zu Nostalgie sieht Thiel keinen Anlass: "Ein schlaksiger Typ wie ich hätte es bei der Vielzahl harter Würfe heute sehr schwer."

Wobei ihn der Mindener Nils Dresrüsse an seinen alten Weggefährten Stefan Hecker erinnere. Dresrüsse (19) trainiert derzeit beim Nationalteam mit. "Ein vielversprechender Junge", sagt Thiel. Die kurzfristigen Probleme wird das nicht lösen. Dresrüsse ist im EM-Kader nicht vertreten.

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