Der HSV-Spieler wurde für viele überraschend in den vorläufigen EM-Kader berufen. Nun will er seine Chance nutzen.

Hamburg. Normalerweise wäre Matthias Flohr jetzt im Urlaub. Würde die wenigen freien Tage genießen, die einem Spitzenhandballer in diesen Zeiten bleiben, bevor der HSV Hamburg am kommenden Montag das Training wieder aufnimmt. Aber diese Zeiten sind eben keine normalen im Leben des Linksaußen. Es sind die besten seiner sportlichen Laufbahn. Sie haben ihn bis nach Herrsching am Ammersee gebracht, wo sich die deutsche Nationalmannschaft auf die Europameisterschaft in Österreich vorbereitet. "Urlaub", sagt Flohr (27), "wäre sicher eine Alternative. Aber nicht die bessere."

Die bessere sind Abende wie der gestrige in Innsbruck. In einem Testspiel besiegte Deutschland den WM-Gastgeber mit 30:29 (17:12), und Flohr durfte rund 15 Minuten ran. Ob er in 13 Tagen an gleicher Stelle wieder mit von der Partie ist, wenn die deutsche Auswahl gegen Polen ins Turnier startet, wird sich wohl erst am Vorabend entscheiden. 19 Spieler hat Bundestrainer Heiner Brand nach Herrsching eingeladen, 16 darf er für die Vorrunde nominieren. Erfahrungsgemäß wird er sich auf 15 beschränken und einen Platz offen halten, um im Fall einer Verletzung reagieren zu können. Zwei HSV-Profis, Torwart Johannes Bitter und Linksaußen Torsten Jansen, sind gesetzt. Auch an Stefan Schröder (gestern ein Tor) dürfte rechtsaußen kein Weg vorbeiführen. Und Flohr? "Ich kann nur versuchen, mich über gute Leistungen zu empfehlen. Ansonsten genieße ich die Zeit."

Manches scheint gegen ihn zu sprechen. Die geringe Erfahrung etwa: Das gestrige war erst sein zweites Länderspiel. Anders als im Verein ist sein Arbeitsplatz in der DHB-Auswahl am Kreis. Auf dieser Position aber gibt es mit vier Kreisläufern ein Überangebot - und mit Abwehrchef Oliver Roggisch einen zweiten Bewerber, der sich besonders auf die Defensive versteht. Einerseits.

Andererseits weiß Brand, was er an Flohr hat: einen Allrounder, der ihm aus mancher Verlegenheit helfen könnte. Diese Überlegung mag ihn bewogen haben, trotz des Ausfalls von Stammkraft Sebastian Preiß (Lemgo) einen gestandenen Kreisläufer wie den Großwallstädter Jens Tiedtke zu Hause zu lassen.

Die Frage ist also eher, warum Brand erst jetzt eine Einladung an Flohr verschickte, obwohl der beim HSV seit nun sechseinhalb Jahren erfolgreich zupackt. Flohr hat sich diese Frage nie gestellt: "Hätte ich von der Nationalmannschaft geträumt, hätte ich darüber nur vergessen, welch geile Zeit ich in Hamburg habe."

Eher als die Erfüllung eines Traums ist es also wohl das Ergebnis harter Arbeit. Was andere ihm am Talent voraushaben mögen, hat der Student stets durch Höchsteinsatz wettgemacht. In Sonderschichten hat er nach dem Training an seinem Wurfverhalten gefeilt. Nur sechs Fehlversuche hat er sich in dieser Bundesligasaison geleistet, aber 26-mal getroffen, eine Quote von 81 Prozent. Sie könnte aber noch besser sein, findet Flohr: "Ich höre nie auf, lernwillig zu sein."

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