Beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen hatten die deutschen Sportler wieder erhebliche Schwierigkeiten.

Oberstdorf. Am Ende des Finales lag ein wenig Furcht über dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen. Da der Wind sich günstig entwickelte, gerieten die Flüge der Skispringer plötzlich gefährlich weit. Als der Schweizer Simon Ammann gar bis auf 143,5 Meter hinuntersegelte, erhob sich das Publikum ehrfürchtig zu Ovationen. Letztlich reichte es trotz des Sensationsfluges nicht ganz zum Sieg, sondern nur zum dritten Platz für den Weltcupführenden. Der erste Durchgang war mit 132 Metern nicht gut genug, um dem österreichischen Jungstar Gregor Schlierenzauer (136,5 und 137,5 Meter) den Sieg streitig zu machen. "Neues Jahr, neues Glück. Es war ein Toptag, nach der Krankheit hier zu gewinnen, da verdanke ich sehr viel dem Arzt", schwärmte Schlierenzauer, der vor dem Teamkollegen Wolfgang Loitzl (zweimal 135 Meter) siegte: "In Oberstdorf hatte ich teilweise Magenkrämpfe, dass ich nicht einmal in die Hocke gehen konnte." Deutsche Springer tauchten im Kampf um die Spitze nicht auf.

Bundestrainer Werner Schuster konnte nur dem Wettkampf "ein extrem hohes Niveau" bescheinigen: "Es waren hervorragende Bedingungen." Nicht aber seinem Team: Als bester Springer des Deutschen Ski-Verbandes landete wie in Oberstdorf Nachwuchsmann Pascal Bodmer auf Platz 16: "Das waren zwei passable Sprünge, aber sicherlich noch kein Topniveau." Der 18-Jährige hat sich als Zehnter der Gesamtwertung die Führungsrolle im DSV-Team erobert. Jetzt will er mehr: "In Innsbruck und Bischofshofen will ich unter die ersten Zehn."

Michael Neumayer wurde 17., Junioren-Weltmeister Andreas Wank 20. und Vizeweltmeister Martin Schmitt gar nur 25. Der Altmeister, der immerhin zum 14. Mal bei der Tournee startet, meinte tatsächlich, sein Absprung sei "ausbaufähig".

Bundestrainer Schuster klagte: "Wir schauen momentan schlecht aus, weil wir keinen haben, der in die Spitze reinspringen kann. Die Arrivierten springen weit unter ihren Möglichkeiten, mit den Jungen bin ich zufrieden." Sein Schluss: "Derzeit treffen sie sich im Mittelmaß."

Die Weltspitze scheint für die Deutschen derzeit unerreichbar. Und so wurde es schon als Erfolg gewertet, dass vier Springer den Finaldurchgang erreichten. In Oberstdorf waren es nur zwei gewesen. "Die Leistungen der Spitzenleute waren heute extrem, da sehen wir etwas alt aus", sagte Schuster weiter.

Das Neujahrsspringen hat die Verhältnisse in der Weltspitze gerade gerückt. Zwar führt der Österreicher Andreas Kofler als Sieger des Auftaktspringens die Tourneewertung noch vor Vorjahressieger und Landsmann Loitzl sowie dem finnischen Comeback-Routinier Janne Ahonen, der gestern Sechster wurde (129,5 und 137 Meter), zur Hälfte der Konkurrenz weiter an. Doch melden sich die zuvor favorisierten Ammann und Schlierenzauer eindrucksvoll zurück. Ammann hatte schon in der Qualifikation angedeutet, dass er bis an jede Grenze gehen würde. Wegen eines unzulässig weiten Anzugs war er wie der Österreicher Kofler disqualifiziert worden, weil zusätzlicher Stoff an der richtigen Stelle die Flugeigenschaften regelwidrig verbessert. "Man probiert halt im Training neue Sachen aus. Das war alles am Limit, da kann das schon einmal passieren, dass man drüber ist", gestand Kofler seinen Versuch der Schlitzohrigkeit, "ich werde heute noch ein bisserl nähen statt Silvester zu feiern."

Ammann beeindruckte mit seinem Klasseflug sogar Fachleute wie den früheren Weltklassespringer Jens Weißflog, der nun für das ZDF kommentiert: "Unglaublich wie der rausspringt vom Schanzentisch, wie der angreift. Der Absprung war wirklich ideal." So könnte es zum Ende der Tournee, die an diesem Sonnabend mit der Qualifikation in Innsbruck und am Sonntag dort mit dem dritten Springen fortgesetzt wird, doch noch zum Duell der beiden weltbesten Springer kommen: Ammann gegen Schlierenzauer.

Das Verhältnis zwischen Gregor Schlierenzauer und der Vierschanzentournee drohte schon zu einem großen Missverständnis zu werden. Während das österreichische Supertalent im Gesamtweltcup zuweilen einsam dominierte, lief bei der Tournee für ihn noch nie alles wie am Schnürchen. Mal schwemmte ihn der Regen zum Abschluss in Bischofshofen die Schanze hinunter, mal fiel sein Heimspringen in Innsbruck dem Föhn zum Opfer.

Als diesmal der Wettbewerb in Oberstdorf verregnete, plagten Schlierenzauer zu allem Überfluss noch gesundheitliche Probleme: Am Mittwoch gar musste er zur Behandlung seiner Magen- und Halsschmerzen nach Innsbruck reisen. Die Österreicher achten inzwischen darauf, dass sich die vielen Weltklasseleute nicht schon an ihrer internen Konkurrenz so sehr aufreiben, dass die Leistung des Teams leidet. Cheftrainer Alexander Pointner hat seine Lehren gezogen: "Wir haben aus den Jahren eines Andi Goldberger gelernt, der eine One-Man-Show hatte, während die restliche Mannschaft daran zerbrochen ist." Auch bei der Vierschanzentournee hat sein Team sich so schon um den Sieg gebracht. Vor zwei Jahren waren Morgenstern und Schlierenzauer die großen Favoriten - Sieger wurde dann aber der Finne Ahonen.

Eine solche Situation wäre für Pointners Kollegen Schuster und das deutsche Team ein Luxusproblem.