Nach Kathrin Hölzls zweitem Tagessieg im Riesenslalom steht heute die Slalom-Abfahrt an. Maria Riesch schwächelt hingegen.

Lienz. Am Ende war es hauchdünn. Mit nur fünf Hundertstelsekunden Vorsprung vor der Italienerin Manuela Mölgg sicherte Weltmeisterin Kathrin Hölzl den deutschen Alpinen beim Riesenslalom in Lienz den dritten Weltcupsieg im Olympia-Winter. Für Hölzl war es nach dem Triumph in Aspen bereits der zweite Tageserfolg. Knapp sieben Wochen vor den olympischen Spielen in Vancouver ist die 25 Jahre alte Sportlerin aus Bischofswiesen in Topform. Sie sei das Maß aller Dinge im Riesenslalom, sagt Damen-Cheftrainer Mathias Berthold. Und doch wusste Kathrin Hölzl auch, dass bei einem so knappen Sieg nicht allein die Leistung entscheidet: "Als ich die Zeit gesehen habe, dachte ich nur: Da hast du sauberes Glück gehabt", sagte sie.

Dabei hätte es gar nicht so eng werden müssen: Nach dem ersten Durchgang lag sie mit 0,41 Sekunden vor der Österreicherin Michaela Kirchgasser. Eine Ewigkeit in einem Sport, bei dem am Ende eine halbe Skilänge entscheiden kann. "Die Sicht und die Piste sind am Ende des zweiten Durchgangs schlechter geworden", sagte Bundestrainer Berthold. "Da haben die letzten Starter Zeit verloren." Doch Hölzl ärgerte sich nur kurz. Im Kampf um die kleine Kristallkugel für ihre Spezialdisziplin hat sie nach vier von sieben Weltcup-Rennen mit 281 Punkte, 16 mehr als Kathrin Zettel aus Österreich.

"Der Titel bei der Weltmeisterschaft im Februar und der Sieg beim Rennen in Aspen haben Katy enorm viel Selbstbewusstsein gegeben", sagt Bertold. Gut muss es sich für einen Trainer anfühlen, wenn er mit seiner besten Riesenslalomläuferin vor all die Spötter treten kann, die Hölzls WM-Sieg als Zufall abqualifiziert hatten. "Ihre Psyche ist stark. Sie fährt die Rennen ganz cool."

Die Psyche von Maria Riesch dagegen scheint beim Riesenslalom zu schwächeln. Nach nur 53 Sekunden war das Rennen für sie beendet. "In einer kleinen Senke hat es mich nach hinten reingedrückt. Dann ist der Ski geradeaus gefahren - und ich am Tor vorbei", beschrieb sie ihr Missgeschick. Schon beim Superriesenslalom im französischen Skiort Val d'Isère hatte sie nur Rang 21 belegt. In der Weltcup-Gesamtwertung liegt Riesch auch nach dem Rennen in Lienz auf Platz zwei.

Doch nicht nur Riesch passierte an diesem Tag ein Missgeschick, sondern auch der Weltcup-Führenden Lindsey Vonn. Laut einem offiziellen Kommuniqué des US-Skiverbandes (USSA) kam die Amerikanerin bei ihrem Sturz mit einer Prellung davon. "Es ist keine Fraktur, nur eine Knochenprellung", erklärte Richard Quincy, medizinischer Direktor des USSA. Vonn selbst hatte nach einer Untersuchung im örtlichen Krankenhaus zunächst von "mehreren Brüchen" gesprochen.

Bei allem Frust der Rieschs und Vonns, bei all der Freude von Kathrin Hölzl ging der fünfte Platz von Junioren-Weltmeisterin Viktoria Rebensburg aus Kreuth fast unter. Am Ende fehlten ihr nur 19 Hundertstelsekunden auf Hölzl und acht auf einen Podestplatz. Es war ihr bestes Ergebnis im Weltcup.

Kathrin Hölzl hatte den Erfolg von Lienz und ihre erste Führung im Disziplin-Weltcup schon vorher angekündigt. "Daheim habe ich gesagt, ich hole in Lienz das Rote Trikot, und dann hat mein Bruder gesagt, dass er dann nach Lienz kommt", verriet sie nach dem Rennen. In diesen Sätzen klingt die Souveränität der Kathrin Hölzl schon mit. Die Coolness einer Weltmeisterin. In Vancouver zähle sie zu den Favoritinnen in ihrer Disziplin, sagt Bundestrainer Berthold. Und drosselt noch im gleichen Satz das Tempo der Euphorie: "Bei Olympia bleibt dir nur ein Rennen", ergänzt er. "Da entscheidet die Tagesform."

Überraschen würde eine Medaille für Hölzl bei den Winterspielen niemanden mehr. Und ein Zufall wäre es erst recht nicht.