Vier Jahre Dienstjubiläum: HSV-Trainer Martin Schwalb hat Grund zur Freude. Auf abendblatt.de rekapituliert er die wichtigsten Ereignisse...

Martin Schwalb zieht nach vier Jahren Trainertätigkeit beim HSV Hamburg Bilanz und rekapituliert die Entwicklung des Vereins. Schwalb über…

… sein Angebot vom HSV Hamburg:

„Ich habe mich damals riesig gefreut, ein Angebot vom HSV erhalten zu haben, denn ich habe eine große Chance darin gesehen, die Mannschaft und den Verein mitgestalten zu dürfen. Dabei hatte ich natürlich auch im Kopf, dass die Spieler des HSV über ein großes Potenzial verfügen. Zudem waren mit der Stadt, der Halle und der Hamburger Umgebung ideale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit gegeben.“

… den Stellenwert des Trainerpostens:

„Wenn man alle Handball-Trainer in Deutschland befragen würde, glaube ich, dass Hamburg ganz oben mit dabei wäre auf der Liste der beliebtesten Trainerstationen.“

… seine Anfänge beim HSV:

„Als ich hier in Hamburg ankam, lag der HSV gerade auf Platz 13 der Tabelle. Das war am 21. Oktober 2005 – das weiß ich noch wie heute. Die Jungs waren total verunsichert. Es war eine sehr schwere Zeit für sie, denn sie hatten sich viel mehr vorgenommen und einen schwachen Saisonstart in der Bundesliga erwischt. Es sind vom Charakter her gute Jungs, und die Situation damals hat sie sehr beschäftigt. Die Unsicherheit beim HSV war groß. Intern haben wir gewusst, dass es schwierig werden würde, in der Bundesliga irgendetwas zu reißen. Deshalb haben wir damals alles auf den Pokal fokussiert. Wir wollten beim Final Four dabei sein, um einen positiven Akzent zu setzen. Das hat die Mannschaft nicht gewusst, aber auf Funktionärsebene haben wir große Hoffnung in dieses Ziel gesetzt. Im Final Four dann noch den Pokal zu gewinnen – das war eigentlich nicht unsere Absicht. Wir hatten natürlich das Glück, dass wir uns damals wochenlang auf das Final Four vorbereiten konnten, da es für uns in der Bundesliga um nichts mehr ging und wir auch nicht im Europapokal teilgenommen haben. Die Trainingspläne wurden dementsprechend ganz auf den DHB-Pokal abgestimmt. Wir haben teilweise sogar bewusst über Bundesligaspiele hinwegtrainiert – alles für das große Ziel Final Four. Das wäre heute in dieser Form gar nicht mehr möglich.“

… den Gewinn des DHB-Pokals 2006:

„Der Sieg beim Final Four war ein wichtiger Kontrapunkt zur allgemeinen Verunsicherung, die damals beim HSV geherrscht hat. Der Erfolg war sicherlich ein wichtiger Startschuss für die Erfolgsgeschichte des Vereins.“

… seinen Versuch, der Mannschaft Sicherheit zu geben:

„Um die Unsicherheit der Mannschaft aufzufangen, bin ich zu den Spielern gegangen und habe versucht, ihnen viele Sachen abzunehmen. Ich habe ihnen eine Richtung vorgegeben. Das war eine ganz wichtige Maßnahme. Wir mussten eine Art Corporate Identity schaffen, uns selbst definieren – ganz nach dem Motto: ‚Das ist unsere Abwehr, das ist unser Angriff usw.’. Alles musste auf einen geordneten Weg gebracht und die Spieler auf diese Reise mitgenommen werden.“

… die langjährige Arbeit mit der Mannschaft:

„Es dauert lange, bis man bestimmte Mechanismen und ein System etabliert hat. Wir haben umfassend daran gearbeitet, eine effektive 3-3-Abwehr zu installieren oder eine funktionierende 6-0-Deckung spielen zu können. Heutzutage wundert sich keiner mehr darüber, dass wir diese Spielsysteme beherrschen. Aber tatsächlich haben wir unzählige Stunden in dieses Können investiert, Absprachen getroffen, Videos analysiert, Schweiß und Energie hineingesteckt. Das gehört dazu, und das hat die Mannschaft auch gewusst und umgesetzt, obwohl es nicht einfach war.“

… die hohen Erwartungshaltungen an den Erfolg:

„Man wundert sich als Trainer manchmal, wie schnell die Leute in den Erwartungshaltungen davon galoppieren. Eigentlich wollten wir 2009/2010 zum ersten Mal an der Champions League teilnehmen und 2011 einen Titel holen – das war der ursprüngliche Plan. Heute fragt niemand mehr danach. Aber genau dies ist auch ein Beweis für die hervorragende Arbeit, die wie in den letzten Jahren beim HSV geleistet haben. Wenn man sieht, dass eine Verbesserung der Mannschaft erfolgt ist, muss man Ziele eben nachkorrigieren.“

… die Stärken des HSV:

„Die Mannschaft heute ist eine gewachsene Einheit. Sie besitzt Leute in ihren Reihen, die Verantwortung übernehmen und die etwas darstellen. Wenn man an den HSV Hamburg denkt, denkt man immer auch an bestimmte Spieler und Abläufe. Der Verein wackelt nicht mehr in seinen Grundfesten wie etwa zu seinen Anfangszeiten. Selbst bei Misserfolgen gerät der HSV nicht mehr in eine dramatische Schieflage. Der Verein ist heute im Gegensatz zu früher sehr viel stabiler.“

… seinen größten persönlichen Erfolg in den vergangenen vier Jahren:

„Der größte Erfolg für mich persönlich in den vergangenen vier Jahren war, dass wir beim HSV in schwierigen Zeiten zusammengestanden haben. Wir haben uns nie zerfleischt. Viele Leute haben drauf gewartet, dass wir irgendwann über uns herfallen, dass wir uns auseinanderdividieren. Deshalb bin ich stolz, dass wir heikle Situationen immer gemeinsam gemeistert haben. Selbst wenn es für die Mannschaft nicht gut lief, so wie beispielsweise in der vergangenen Saison, und einzelne Spieler oder Verantwortliche von außen kritisiert worden sind, haben wir intern niemals jemanden angegriffen oder mit dem Finger auf ihn gezeigt. Dieser Zusammenhalt ist absolut außergewöhnlich.“

… seinen Umgang mit Drucksituationen:

„Als Spieler kennt man gewisse Drucksituationen – gerade, wenn man an vorderster Front kämpft und agiert. Aber als Trainer ist der Druck wesentlich schlimmer, weil man sich viel mehr Gedanken machen muss über alle Möglichkeiten und Optionen, die man hat. Ich bin froh, dass ich mittlerweile ein erfahrener Trainer bin, dass ich Dinge auch kanalisieren kann. Ich bin seit 11 Jahren in der Bundesliga tätig, und manchmal ist der Job schon schwer. Man macht sich über jeden Spieler Gedanken, interpretiert manchmal Dinge in bestimmte Situationen hinein. Als Trainer kann man sich vielmehr verrückt machen, als als Spieler. Beim Umgang mit Drucksituationen gibt es kein Patentrezept. Das ist grundsätzlich nicht einfach. Natürlich nehme ich bestimmte Dinge, kritische Bemerkungen mit nach Hause. Als Trainer wird man immer und überall mit schwachen Leistungen oder Schwächephasen seines Teams konfrontiert. Ich nenne es die ‚Politik der kleinen Nadelstiche’, wenn selbst Freunde oder Bekannte einen beiläufig auf eine schlechtes Partie ansprechen und sofort wieder negative Erinnerungen in einem wach werden. Das kann schon belastend sein. Ich glaube aber, dass mir auch in solchen Situationen die Erfahrung hilft. Ich bin Druck seit 27 Jahren gewohnt – als Trainer und als Spieler. Natürlich entwickelt man im Laufe der Zeit gewisse Automatismen. Aber ich muss auch sagen: Kritik lässt mich nie ganz kalt.“

… die sportliche Entwicklung des HSV:

„Ich glaube, dass der Verein was das Sportliche anbelangt, gut aufgestellt ist. Das merken wir vor allem daran, dass, wenn wir Spieler ansprechen und sie fragen, ob sie Interesse hätten, nach Hamburg zu kommen, die Resonanz meist sehr positiv ausfällt. Da öffnen sich eher Türen, als dass sie sich schließen. Und ich glaube, dass wir auch mit der aktuellen Mannschaftszusammenstellung sehr gut gefahren sind. Das Team strahlt Charakter aus. Es wirkt sympathisch. Da haben wir eine gute Sache erreicht. Das sieht man auch an den Fan-Zuwächsen. Es ist enorm, wie sich die Menschen hier in Hamburg für diese Mannschaft begeistern.“

… den Vorwurf, der HSV sei verwöhnt:

„Wer sagt, der HSV sei verwöhnt, hat Unrecht. Die Mannschaft findet professionelle Bedingungen vor und muss professionelle Leistungen abliefern. Sie braucht keine Mallorca-Reisen, um sich zu motivieren. Es ist schön, dass sie die Möglichkeit solcher Fahrten hat. Aber die haben andere Mannschaften wie der THW Kiel oder die Rhein-Neckar Löwen ebenfalls. Wenn es allerdings schlecht läuft und die Leistungen nicht überzeugen, muss sich das Team unter Umständen den Vorwurf gefallen lassen, dass es zu viel Komfort bezieht. Das kann schon sein. Grundlegend gilt allerdings: Die Mannschaft fordert keinen Komfort. Er wird ihnen lediglich geboten. Und dafür müssen die Spieler eine überdurchschnittliche Leistung erbringen. Das versuchen sie. Und wenn sie es nicht schaffen, dann muss dieser ermöglichte Komfort vielleicht auch einmal reduziert werden. Mallorca allerdings ist schon ein Stück weit Heimat für den HSV. Wir machen da weit weniger Rabatz als manch andere Mannschaften.“

… seine persönliche Entwicklung:

„Ich bin in den vier Jahren beim HSV natürlich älter geworden. Und ich versuche mich hier nach bestem Wissen und Gewissen zu bewegen. Man lernt dazu, und dann vergisst man manchmal wieder etwas, weil man älter wird. Ich würde mir heute allerdings zutrauen, jede Mannschaft der Welt zu trainieren. Das hätte ich damals, als ich hier beim HSV angefangen habe, sicherlich nicht getan. Ich weiß inzwischen sehr gut, wie ich mit Spielern umgehen muss, wie ich auf sie einwirken kann. Sie fordern einen jeden Tag aufs Neue. Jeder einzelne. Ich muss jedes Mal eine Antwort für diese Weltklasse-Handballer haben. Autorität bekommt man nur über Antworten. Sonst hat man als Trainer keine Chance. Handball-Coach zu sein, ist nicht unbedingt der Traumjob des Jahrhunderts. Von außen sieht das Ganze oftmals leichter aus, als es tatsächlich ist.“

… seine Bereitschaft, Ratschläge anzunehmen:

„Goran sagt mir alles und darf auch alles zu mir sagen. Aber nicht nur er. Ich spreche mit jedem Spieler und diskutiere Sachen aus. Natürlich nehme ich Ratschläge an. Es gibt nur bestimmte Sachen, wo ich nicht mit mir diskutieren lasse. Pünktlichkeit, Disziplin und Respekt sind da vor allem zu nennen. Und auch bei manchen Spielvarianten kann ich keine Abweichungen zulassen. Eine 6-0-Deckung kann in einer Mannschaft nur auf eine bestimmte Art und Weise gespielt werden und darf keine unterschiedlichen Varianten beinhalten. Auch hier geht es um eine klare Linie.“

… seine Emotionalität:

„Ich bin grundsätzlich ein ruhiger Mensch und Trainer. 70 Prozent meiner Energie am Spielfeldrand verwende ich darauf, meine Spieler positiv zu beeinflussen, sie wachzurütteln, zu loben. Natürlich gibt es auch mal kleine Aufreger. An vielen Dingen arbeiten wir wochen- oder monatelang. Wenn etwas klappt, freue ich mich riesig. Ich bin jedoch entgegen der Meinung mancher Menschen nicht sonderlich emotional. Wenn man einmal genau nachvollziehen würde, wie oft ich oder die Bank 2 Minuten-Strafen bekommen haben, dann war das in vier Jahren meiner Tätigkeit beim HSV vielleicht ein einziges Mal. Wenn ich hingegen völlig unbeteiligt am Rand sitzen würde, würden meine Spieler sich frage, warum ich nicht teilnehme an einer Partie. Das geht natürlich nicht.“

… die Niederlage beim Final Four 2009 gegen den VfL Gummersbach:

„Im Final-Four-Halbfinale gegen den VfL Gummersbach haben wir 25 Minuten schlichtweg kein Tor geworfen und schlecht gespielt. Das kann vorkommen, es gehört beim Sport dazu. Aber soll man daran alles festmachen? Die Mannschaft ist an dieser bitteren Niederlage gewachsen. Bei Spielen, die heutzutage auf der Kippe stehen, knickt sie nicht mehr so leicht ein. Fakt ist aber auch: Man kann immer mal ein Spiel verlieren. Kiel hat zuletzt gegen Lemgo in der letzten viertel Stunde auch kein Tor mehr geworfen. Das kann vorkommen, und es gehört zum Handball dazu.“

… die Saison 2008/2009:

„Die letzte Saison war eine Ausnahme. Dadurch, dass sich Pommes bei Olympia eine schwere Knieverletzung zugezogen hat und die Vorbereitung nicht optimal verlief, darf man die vergangene Spielzeit keinesfalls als Maßstab nehmen. Aber eine positive Entwicklung braucht manchmal auch eine Delle. Es kann nicht immer nur bergauf gehen. Meine Mutter hat früher immer gesagt: ‚Der liebe Gott hat schon gemacht, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen’. Wenn etwas zu gut läuft, gibt es manchmal einen Rückschlag. Das ist nun einmal so. Auch meine aktuelle Mannschaft hat ihr Potenzial noch nicht voll entfaltet. Domagoj ist noch jung, muss sich entwickeln. Und wenn ich mir angucke, was Igor teilweise für Fehler macht, weil er die Abläufe noch nicht verinnerlicht hat, sehe ich auch bei ihm eine Steigerungsfähigkeit. Hinzu kommt, dass Bertrand, Oleg und Pommes fehlen. Unsere Spielzüge müssen verbessert werden, es gibt immer etwas zu tun. Es steckt noch viel drin im HSV.“

… das Schwarz-Weiß-Denken im Hochleistungssport:

„Alles, was wir tun, wird nur an Ergebnissen und Erfolgen gemessen. Dieses Schwarz-Weiß-Denken ist manchmal etwas ungerecht und problematisch. Verlierst Du mit einem Tor, hast Du alles falsch gemacht, gewinnst Du, machst Du alles richtig. So einfach ist das im Sport jedoch nicht. Und das müssen manche Menschen erst noch begreifen.“

… den Grund dafür, dass es zuletzt mit einem Titel nicht geklappt hat:

„Die Verletzungen einiger Spieler waren sicher ein Grund dafür, dass es in der Vergangenheit am Ende manchmal nicht zu einem Titelgewinn gereicht hat. Auch in dieser Saison gehört Glück dazu, um ganz oben dabei sein zu können.“

… die spektakulären Neuverpflichtungen von Igor Vori und Domagoj Duvnjak:

„Warum spektakuläre Verpflichtungen nicht schon früher vorgenommen wurden? Solche Leute wie Vori und Duvnjak muss man erst einmal bekommen. Die Philosophie des HSV ist jetzt allerdings, dass wir den Kader nicht weiter aufblähen.“

… seine Zukunft beim HSV:

„Wir sind noch lange nicht deutscher Meister. Warum soll ich, wenn ich irgendwelche Titel geholt habe, aufhören? Ich könnte das hier noch 20 Jahre lang weiter so machen. Mein Sohn ist Hamburger, meine Frau und ich fühlen uns sehr wohl hier. Ich brauche daran nichts mehr ändern. Wenn mir jemand einen 20-Jahresvertrag beim HSV anbieten würde, würde ich direkt unterschreiben. Aus Hamburg möchte ich nicht mehr weg.“

… sein Verhältnis zu HSV-Präsident Andreas Rudolph:

„Mit Andreas Rudolph gab es einen intensiven Meinungsaustausch. Den gibt es immer noch, und den wird es immer geben. Das ist etwas Positives, und das verstehen manche Menschen außerhalb nicht. Er ich hochemotional in manchen Geschichten, und ich bin manchmal auch einer, der sich nichts gefallen lässt. Genau das ist es allerdings auch, was uns beide antreibt. Das Verhältnis zwischen Andreas Rudolph und mir ist nie über die Stränge geschlagen, sonst wäre ich hier kein Trainer mehr. Wir haben emotionale, aber auch sensationelle Gespräche gehabt. Und ich glaube sogar, dass wir uns ein Stück weit gegenseitig brauchen. Ich brauche ihn als jemanden, der mir ein Feedback und Ideen gibt. Und er braucht – so glaube ich – Menschen um sich herum, die offen ihre Meinung sagen. Wir haben uns in schwierigen Situationen zusammengerauft und geschützt. Er akzeptiert, was ich sage, und ich akzeptiere, was er sagt. Und das wissen auch die Spieler. Sicherlich ist Ehrlichkeit ein wichtiger Mosaikstein beim HSV.“

… die Fans des HSV:

„Ich glaube, dass wir ein sehr spezielles und tolles Verhältnis zu unseren Fans haben. Wir sind da für sie, sprechen mit ihnen. Die Spieler sind gestandene Persönlichkeiten und gute Vorbilder.“

… die „Mission Meisterschaft“:

„Wir haben keine „Mission Meisterschaft“. Meine einzige Mission ist es, aus der Mannschaft das Beste rausholen. Was dann als Tabellenplatz am Ende für das Team rauskommt, ist eine ganz andere Sache. Die Spieler müssen Tag für Tag besser werden, darum geht es. Hier steht morgens niemand auf und sagt, ich will jetzt deutscher Meister werden. Es geht vielmehr darum, sich kontinuierlich zu verbessern.“

Aktuelle News, Ergebnisse und Hintergrundberichte rund um das Thema HSV Handball und aus der Handball Bundesliga per SMS-Dienst auf Ihr Handy.