Nach 17 Spielen ist das Team von Paul Gardner auf dem letzten Platz. Ein Gespräch über die verbleibenden Träume in einer verkorksten Saison.

Hamburg. Die Ringe unter seinen Augen, Spuren der sportlichen Krise der vergangenen Wochen, sind noch immer deutlich zu sehen. Dass Paul Gardner in der Nacht zu Montag schon um 4.30 Uhr aus dem Bett schlüpfte, hatte jedoch nichts mit seinen Hamburg Freezers zu tun. Vielmehr wollte der 53 Jahre alte Kanadier das vierte Spiel der Finalserie in der Major League Baseball zwischen den New York Yankees und den Philadelphia Phillies sehen. Baseball statt Gegnerstudium ist möglich, weil die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) wegen des Deutschland-Cups am Wochenende bis zum 13. November pausiert. Der Trainer hat dennoch einiges vor, wie er im Abendblatt-Interview verriet.

Abendblatt: Herr Gardner, vor der Saison versprachen Sie eine torgefährliche Defensive, mehr Balance im Angriff und ein Team, das die Top sechs anpeilt. Nach 17 Spielen sind Sie Letzter. Wie kann man sich so täuschen?

Paul Gardner: Ich verhehle nicht, dass wir alle sehr enttäuscht über den bisherigen Saisonverlauf sind. Ich mag es nicht, nach Entschuldigungen zu suchen. Aber es gibt Gründe dafür, dass wir dort stehen, wo wir stehen.

Abendblatt: Welche?

Gardner: Die Verletzungen von Leistungsträgern wie Alex Barta und Richard Mueller, dazu die Sperren unserer Top-Verteidiger Paul Manning und Jere Karalahti. Zudem haben unsere Torhüter nicht die Form gehabt, die wir erwartet hatten. Diese Ausfälle haben dazu geführt, dass wir unser Selbstvertrauen verloren haben. Viele Spieler sind dann verkrampft, wollten zu viel und haben vergessen, dass sie nicht für sich spielen müssen, sondern für das Team. Die letzten drei Spiele vor der Pause haben mir aber Mut gemacht und gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Abendblatt: Sie werden trotzdem nicht übersehen haben, dass es einigen Neuzugängen an den Qualitäten mangelt, die ihnen vor der Saison zugeschrieben wurden. Spieler wie Ratchuk und Biron strahlen keine Gefahr von der blauen Linie aus. Loppi wollte Topcenter werden, zeigt bislang aber noch gar nichts.

Gardner: Mein Grundsatz ist, dass ich mich nie öffentlich über einzelne Spieler äußere. Dass die Jungs nicht mit dem zufrieden sind, was sie gezeigt haben, haben sie selbst schon zugegeben.

Abendblatt: Man fragt sich dennoch, warum solche Spieler, die von ihren Exklubs weggeschickt wurden, weil ihnen Qualität fehlt, bei den Freezers unterkommen. Stimmt das Gerücht, dass Sie diese Spieler nicht wollten?

Gardner: Ich übernehme das Team, das man mir vorsetzt und suche nachher nicht nach Ausreden. Es ist mein Team, ich hatte gewisses Mitspracherecht, und ich glaube an alle meine Spieler.

Abendblatt: Muss ein Trainer öffentlich so reden? Reden Sie intern anders?

Gardner: Es ist meine Philosophie, mich öffentlich immer vor mein Team zu stellen. Aber natürlich rede ich intern anders. Da spreche ich deutlich an, was mir nicht passt. Ich habe ja sogar in dieser Saison schon öffentlich gesagt, dass ich von der Leistung einiger Spieler sehr enttäuscht war. Das ist für mich ein drastischer Schritt, aber ich musste ihn gehen. Auch, um zu zeigen, dass ich als Trainer derjenige bin, der die Richtung vorgibt.

Abendblatt: Ihre Spieler lassen sich mittlerweile Gardner-Bärte wachsen, um ihre Sympathie zu Ihnen auszudrücken. Sind Sie manchmal zu sehr Kumpel und laufen Gefahr, dass Spieler fehlende Härte ausnutzen?

Gardner: Ich denke schon, dass ich den nötigen Respekt von den Spielern bekomme. Die Aktion mit den Bärten tut mir sehr gut, ich finde es tief in mir absolut erwärmend, weil es zeigt, dass der Charakter der Jungs stimmt und wir alle an einem Strang ziehen.

Abendblatt: Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, was würden Sie anders machen?

Gardner: Ich würde in der Vorbereitung 30 statt 20 Spieler zusammenholen, um mehr Auswahl und Tiefe im Kader zu haben. Das ist es doch, was uns fehlt. Ausfälle wie Barta und Mueller können wir nicht adäquat ersetzen.

Abendblatt: Das heißt, Sie drängen auf Neuverpflichtungen?

Gardner: Es wird definitiv Veränderungen geben, vielleicht schon in der Deutschland-Cup-Pause. Wir haben einige Ideen und werden mit Moritz Hillebrand (Interims-Chef der Freezers, d. Red. ) darüber reden.

Abendblatt: Wäre es nicht schön, wenn es auch einen Sportdirektor gäbe, mit dem Sie darüber sprechen könnten?

Gardner: Am liebsten wäre mir, wenn ich mit meinen Assistenten Danny Naud und Boris Rousson die Rolle des Sportdirektors spielen würde. Wir drei haben so viel Erfahrung und Kontakte, dass ich mir zutraue, Trainer und Sportdirektor in Personalunion zu sein. Aber als Tabellenletzter sind die Argumente momentan nicht auf meiner Seite.

Abendblatt: Ist Ihr Saisonziel, mindestens Platz sechs zu erreichen, noch realistisch?

Gardner: Ich rücke von diesem Ziel nicht ab, weil ich weiß, dass wir noch viele Spiele gewinnen können. Aber ich weiß auch, dass viel Arbeit wartet, um das zu schaffen.

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