Stadionverbote gegen Fußballfans können auch dann zulässig sein, wenn die Beteiligung an Gewalttätigkeiten nicht nachgewiesen ist.

Karsruhe. Die Obrigkeit des deutschen Fußballs atmet auf, die Fans sind empört: Anhänger können auch in Zukunft aus Stadien verbannt werden, wenn sie unter dem bloßen Verdacht der Gewaltbereitschaft stehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat in einer Grundsatzentscheidung die umstrittenen Regeln für Stadionverbote durch Fußball-Vereine als zulässig eingestuft.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB), die Deutsche Fußball Liga (DFL) sowie die Polizei reagierten erleichtert, während das Urteil in der Fanszene auf Kritik stieß. Polizei und DFL allerdings sind sich beim Thema Sicherheit uneinig und eröffneten einen Nebenkriegsschauplatz.

„Die Praxis der Stadionverbote ist grob ungerecht und belastet das Verhältnis zwischen Fans, den Vereinen und der Polizei. Die Fronten werden sich weiter verhärten“, sagte Wilko Zicht, Sprecher des Bündnisses Aktiver Fußball-Fans (BAFF), dem SID. Dies sei die „vorherrschende Meinung in der organisierten Fanszene“, erklärte Zicht: „Wenn Stadionverbote auf Verdacht ausgesprochen werden, werden viele Unschuldige bestraft.“

Der BGH wies am Freitag die Klage eines Fans von Rekordmeister Bayern München ab. Gegen den 19-Jährigen war aufgrund des Verdachts auf eine Gewalttat am 25. März 2006 in Duisburg vom MSV ein zweijähriges Besuchsverbot für sämtliche Fußballspiele in Deutschland verhängt worden. Der Kläger soll bei Ausschreitungen mit der als gewaltbereit geltenden Münchner Fan-Gruppe „Schickeria“ beteiligt gewesen sein. Ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch gegen ihn wurde jedoch eingestellt.

Dennoch folgte der BGH den Richtlinien des DFB. „Die Vereine können von ihrem Hausrecht Gebrauch machen, sofern sie nicht willkürlich Leute aussperren“, sagte BGH-Sprecherin Karin Milger dem SID. Es gehe darum, „potenzielle Störer auszuschließen, die die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf von Großveranstaltungen gefährden können“.

Das Urteil könnte möglicherweise bald ein Fall für das Bundesverfassungsgericht werden. „Der BGH verlangt, dass der Betroffene beweisen muss, dass er nicht als Störer aufgetreten ist. Dies halten wir für verfassungsrechtlich bedenklich. Wir werden daher prüfen, ob wir Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil einlegen“, sagte Marco Noli, der Anwalt des Auszubildenden.

Zufrieden reagierte man beim DFB. „Wir sehen dies als Bestätigung unserer Linie, durch Erlass von Stadionverboten gegen Gewalttäter oder Randalierer, friedliche Fans vor gewaltbereiten Zuschauern zu schützen“, sagte der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn. DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus ergänzte: „Die Sicherheit des Zuschauers ist das höchste Gut. Dies hat das Gericht bestätigt.“

Auch die Polizei reagierte erleichtert. „Wäre das Verbot gekippt worden, hätte sich die Polizei vom Fußball verabschieden können“, sagte Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), der dennoch keine ausreichende Sicherheit in deutschen Stadien sieht: „In der derzeitigen Situation müssen wir leider jedem Fußball-Fan sagen: Wer ins Stadion geht, begibt sich in Lebensgefahr.“

Diese Aussage rief seitens der DFL große Empörung hervor. „Das ist ein Schlag ins Gesicht von Millionen friedlicher Fußballfans. Diese Aussagen sind unverantwortlich und Panikmache aus Gründen der Selbstdarstellung“, sagte Christian Seifert, Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung.

Bei einer erfolgreichen Klage hätte der deutsche Fußball vor einem großen Problem gestanden. „Dann würde das Stadionverbot jede Signalwirkung verlieren“, hatte Richard Lindner, Anwalt des MSV Duisburg, im Vorfeld gesagt. Die Vereine hätten dann kein Recht mehr gehabt, Stadionverbote gegen Personen auszusprechen, die sich in gewaltbereiten Gruppen aufhalten, ohne nachweislich gewalttätig zu sein.