Der Allererste war gleich ein Musterfall. Mit zwölf Jahren deutscher Schülermeister, mit 18 Junioren-Europameister, und im selben Jahr - 1978 - der erste “Juniorsportler des Jahres“. Gewählt von der Jury der Stiftung Deutsche Sporthilfe und ausgestattet mit einem Stipendium, das er in eine Ausbildung zum Verwaltungsbeamten investierte.

Hamburg. Wer erinnert sich noch an Martin Knosp? Unter vielseitiger interessierten Sportfans vielleicht gar nicht so wenige. Da war dieses olympische Finale 1984 in Los Angeles, als der Freistilringer aus Renchen im Badischen vor einem tobenden Publikum gegen den entfesselten US-Amerikaner Dave Schultz mit geplatzter Augenbraue einigermaßen heroisch unterging. Und es gab seinen geflügelten Spitznamen: "Sprinter auf der Ringmatte"; gemünzt auf einen Kampfstil, der allerdings eher einem Überfall glich als einem Sprint. Ohne die Sporthilfe, sagt Martin Knosp heute, hätte es all das nicht gegeben. Und die Auszeichnung damals? "Sie hat mich motiviert und angespornt, das Vertrauen in die in mich gesetzten Erwartungen zu erfüllen."

Das klingt brav, ist aber keineswegs selbstverständlich. Eine alte Faustregel besagt, dass - quer durch die Sportarten und Disziplinen - nur die Hälfte der im Jugendalter glänzenden Sportler die Hoffnungen und Erwartungen, eigene wie fremde, später auch erfüllen. Wer zum Beispiel die Aufstellungen früherer Jugend-Nationalmannschaften im Fußball durchgeht, wird die Regel ungefähr bestätigt finden. Die Entwicklung geht schließlich auch für 20-Jährige Athleten weiter, die Arbeit am und mit dem Körper birgt Risiken. Die sich entfaltende Persönlichkeit wird dem sehr speziellen Leben des Leistungssportlers und dem frühen Ruhm ausgesetzt. Hinzu kommt ein Faktor, den man ruhig "Schicksal" nennen kann: Es gibt Krisen, Kräfte und Konstellationen, die passen können oder auch nicht.

Gemessen daran, ist die "Trefferquote" bei den Juniorsportlern der Sporthilfe verblüffend gut. Die Siegerliste seit 1978 enthält die meisten großen Namen in den Individualsportarten der letzten 30 Jahre. Ein Auszug der Galerie von Weltrekordlern, Weltmeistern und Olympiasiegern, die mit 20 (oder jünger) nicht zu übersehen waren: Schwimmer Michael Gross (1981), Fechterin Anja Fichtel (1985), Skirennläuferin Katja Seizinger (1990), Schwimmerin Franziska van Almsick (1992), Anni Friesinger (Eisschnelllaufen, 1996), Timo Boll (Tischtennis, 1997), Maria Riesch (Ski alpin, 2004), schließlich die Biathletin Magdalena Neuner, Gewinnerin der beiden letzten Jahrgänge 2007 und 2008. "In manchen Fällen war es einfach sonnenklar", sagt Christa Thiel, die als Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbands und Sprecherin aller Fachverbände in der Jury sitzt. "In anderen Jahren war es sehr knapp. Ich rate dringend, die ersten fünf oder wenigstens die ersten drei jeder Abstimmung zu betrachten, um ein gutes Bild zu bekommen."

Ein guter Tipp: So kommt zum Beispiel der spätere Turn-Weltmeister Fabian Hambüchen in den Blick, der 2004 knapp Zweiter wurde. Zufällig ist hier nichts, die Jury bekommt vorher umfangreiche Dossiers zu allen Sportlern, die von den Fachverbänden ausgesucht und anschließend in der Zentrale des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Abstimmung mit der Sporthilfe noch einmal geprüft und gesiebt werden. Christa Thiel: "Mit den Unterlagen zu den Nominierten kann man sich stunden- und tagelang beschäftigen, und die Juroren tun das auch." Die Reihenfolge will wohlüberlegt sein. Anders als bei Publikumswahlen - und solchen, wo Sportjournalisten abstimmen - sollen Sympathiepunkte und erreichte Prominenz hier keine Rolle spielen.

Im Ergebnis imponiert die Sicherheit, mit der das System der Sportförderung, das sich im Auswahlprozess und in der Jury ja abbildet, auch in Randbezirken richtige Prognosen stellt. Wer kennt zum Beispiel schon den Nachwuchs in einem so exotischen und unwägbaren Sport wie dem Modernen Fünfkampf?

Lena Schöneborn wurde im Jahr 2007 auf Platz zwei gewählt, ein Jahr später gewann sie Olympia-Gold in Peking. Ganz offenbar wurde der Jury deutlich genug dokumentiert, dass die junge Frau aus Troisdorf in den Disziplinen Schießen, Fechten, Schwimmen, Reiten und Laufen zu Großem fähig sein würde.

Wer "Juniorsportler des Jahres" in Deutschland wird, gehört jedenfalls zu den Ausnahme-Athleten, Attribute wie "Wunderkind", "Naturereignis" oder gar "Jahrhunderttalent" waren bei allen nicht weit. Natürlich ist aber nicht jede Karriere geglückt: "In der Übergangsphase vom Junioren zum Erwachsenen kann es viele Gründe geben, die zu sogenannten Drop-outs führen", sagt Schwimm-Präsidentin Thiel. "Und manchmal zeigt sich, dass Talent nicht allein genügt, um sich in der Spitze zu etablieren."

In ihrem eigenen Metier gab es ein Beispiel: 1992 wurde Franziska van Almsick gewählt, sammelte Weltrekorde und war zehn Jahre lang eine der faszinierendsten Gestalten des deutschen Sports. Die zwei Jahre später gekürte Julia Jung war vielleicht ebenso begabt, wurde 1995 auch Europameisterin über 800 Meter Freistil. Als "neue Franzi" begrüßt zu werden dürfte ihr das Leben nicht leichter gemacht haben. Jung verlor in den ersten Krisen Richtung und Motivation und beendete ihre Karriere, um ein (erfolgreiches) Sportstudium aufzunehmen.

Ein weiteres Beispiel: Der Biathlet Fabian Mund gewann im Jahr 2000 alle vier möglichen Titel bei der Junioren-WM, wurde selbstverständlich zum "Juniorsportler des Jahres" gewählt - und kam nie wieder auch nur in die Nähe der Siegertreppchen. Für Christa Thiel sind solche Beispiele kein Grund, am System zu zweifeln: "So etwas passiert und ist dann zwar schade für den Verband und vielleicht für den Sport, aber absolut okay."

Auffallend wenig Glück hatten die Juroren mit der Leichtathletik - vielleicht weil die Sehnsucht nach neuen Impulsen hier besonders stark war. Die Hoffnungen auf eine Rückkehr alter Sprint-Herrlichkeit konnten weder Jürgen Evers (1983) noch Sina Schielke (1999) erfüllen. Der Zehnkämpfer Michael Kohnle (1989) überragte im Juniorenalter alle und stagnierte dann, während bald darauf Frank Busemann oder Paul Meier - oberflächlich betrachtet - aus dem Nichts an die Spitze schossen.

Was nichts daran ändert, dass die zehn Nachwuchssportler der diesjährigen Vorschlagsliste einer glänzenden Zukunft entgegensehen.