Der 28 Jahre alte Tischtennis-Star Timo Boll (Borussia Düsseldorf ) stapelt vor der am Sonntag in Stuttgart beginnenden Heim-EM tief.

Leipzig. Kaum Spielpraxis, ein Fitness-Experiment und der immer wieder schmerzende Körper: Timo Boll stapelt vor der am Sonntag in Stuttgart beginnenden Heim-EM tief. „Ich sehe mich in diesem Jahr nicht als absoluten Favoriten“, sagt der dreifache Titelverteidiger vor dem Tischtennis-Höhepunkt des Jahres.

Der Weltranglistendritte geht nach den Enttäuschungen der vergangenen Monate in die Defensive, er will die ohnehin schon hohen Erwartungen nicht noch weiter steigern. Boll macht vor allem sein seit Jahren schmerzender Rücken zu schaffen, bereits im Frühjahr musste er „in der Form meines Lebens“ die WM-Teilnahme absagen.

„Mein Körper ist mein größter Gegner. Der hat mir schon oft genug einen Strich durch die Rechnung gemacht“, sagt Boll. Sein bisher letztes internationales Turnier bestritt er im März, nach der Sommerpause griff der 28-Jährige lediglich einmal beim Liga-Auftakt mit Borussia Düsseldorf zum Schläger.

Den Team-Wettbewerb will Boll von Sonntag an nutzen, um in das Turnier hineinzukommen. „Den habe ich im vergangenen Jahr auch gebraucht. Da war ich nicht überragend, aber danach lief es optimal“, sagt der Linkshänder. Mit dem Team, im Doppel mit Christian Süß und schließlich im Einzel gewann Boll Gold und verteidigte damit als erster Spieler der EM-Geschichte alle drei Titel erfolgreich.

Um überhaupt eine Chance auf den dreifachen Hattrick zu haben, hat Boll sein Training rigoros umgestellt. Er verzichtete bewusst auf zwei Turniere in Asien und widmete sich ganz dem Training. Früher hatte Boll stets betont, dass er viele Spiele brauche, um seine Top-Form zu erreichen. Sein Körper zwang ihn zum Umdenken. Es sei, meint Boll, ein neuer Weg, ein Experiment. Er sei selbst gespannt, wie es ausgeht.

Nur noch eine Stunde steht er täglich am Tisch. Das reicht dem Ausnahmespieler. „Ich achte mehr auf die Qualität als auf die Quantität“, sagt Boll. Beim Fitness-Training verzichtet er wegen der hohen Belastung auf das Laufen. Mit einsam gezogenen Bahnen im Schwimmbecken und Radtouren durch den heimischen Odenwald schafft der achtmalige Europameister einen Ausgleich.

Im Sommer habe es einige Rückschläge gegeben, seit einigen Wochen sei er aber nahezu schmerzfrei, erzählt er. Nur dann und wann braucht Boll noch schmerzstillende Mittel. Die frühere Nummer eins der Welt hat in einem langen Prozess gelernt, auf die Warnsignale des Körpers zu achten.

Rückblickend gesteht Boll auch Versäumnisse ein: „Es war vielleicht ein Fehler, dass ich nach Olympia kaum noch etwas für die Kondition getan habe. Das hatte auch etwas mit meiner Motivation zu tun.“ Damals sei er körperlich in einer so guten Verfassung gewesen wie nie zuvor: „Auf diesem Niveau bin ich jetzt noch nicht.“

Künftig will sich Boll rar machen, sich die Turniere raussuchen und öfter mal absagen. Sein Weg wird ihn vermehrt nach Asien führen. Nur dort sind Duelle mit den besten Chinesen garantiert.

Die Stars aus dem Reich der Mitte sucht man in Stuttgart logischerweise vergebens, die EM ist für Boll dennoch die Rückkehr auf die große Bühne nach fast einem halben Jahr. Trotz seines Rückenleidens ist der Hesse in Europa noch immer die Nummer eins und bei der EM große Favorit. Ob er will oder nicht.