Die Brüder Ole und Martin Rückbrodt vom Hamburger und Germania Ruder-Club lieben ihren Sport. Für Deutschland fahren sie zur WM nach Polen.

Ratzeburg. Ole Rückbrodt sollte eigentlich gar nicht hier sein. Er sollte in der Bibliothek der Hamburger Universität sitzen und Hausarbeiten schreiben. Er hatte einen Haken gesetzt hinter diese Rudersaison. Und dann durfte er doch mitfahren zu den Weltmeisterschaften diese Woche in Poznan. Als Ersatzmann zwar nur für die Riemenboote, aber Rückbrodt musste nicht lange überlegen, um zuzusagen.

Drei Wochen lang haben sich Ole und sein Bruder Martin (23) vom Hamburger und Germania Ruder-Club im Trainingslager am Ratzeburger See den letzten Schliff für den Saisonhöhepunkt geholt. Martin kämpft in Polen im Vierer ohne Steuermann um eine Medaille. Es ist nicht seine erste WM, zweimal gewann er schon Silber. Aber er ist jetzt zum ersten Mal als Normalgewichtiger am Start. "Ein enormer Gewinn an Lebensqualität, nicht mehr ständig daran denken zu müssen, was man isst", sagt er. Maximal 72,5 Kilogramm darf ein Leichtgewichtsruderer auf die Waage bringen. Bei ihm waren es vor Beginn der Wettkampfsaison nicht selten zehn Kilogramm mehr: "Das Abspecken wurde von Jahr zu Jahr schwieriger."

Ole Rückbrodt (26) wäre gern das Leichtgewicht geblieben, als das er 2006 Weltmeister im Zweier ohne Steuermann wurde. Aber als es im vergangenen Jahr um die Besetzung des olympischen Vierers ging, da hatte er das Gefühl, um seine Chance betrogen zu werden: "Meine Kollegen und ich fühlten uns stark genug, aber die Besetzung für Peking wurde festgelegt, ohne dass sich das Boot einmal der nationalen Konkurrenz stellen musste."

Er hat sich entschieden, in der offenen Klasse einen neuen Anlauf auf Olympia zu nehmen. Jetzt ist Ole Rückbrodt 13 Kilogramm schwerer als noch vor einem Jahr und wundert sich manchmal selbst darüber. Denn eigentlich fing alles damit an, dass er zu schmächtig war. Als 15-Jähriger war er bereits ausgewachsen, wog aber nur 60 Kilogramm. Wenn er einen langen Spaziergang machte, bekam er Rückenschmerzen. Ein Orthopäde empfahl ihm zu rudern, und weil der Vater eines Schulfreundes Präsident von Germania war, stand er eines Tages im Bootshaus an der Alster. "Mein erster Gedanke war: So bekloppt bin ich nicht", erinnert er sich. Er war es dann doch. Mit 17 war er bereits deutscher Juniorenmeister. Und bald waren auch Martin und der jüngste Bruder Kay (19) dabei.

Bekloppt also. 14 Trainingseinheiten kommen in der Woche zusammen, jeden Tag zwei: morgens vor den Vorlesungen vier Runden über die Außenalster, nachmittags laufen oder Rad fahren. Am Wochenende geht es dann meist auf den Ratzeburger See. Spitzenruderer sind an sieben Tagen in der Woche auf dem Wasser: zwei Wochen à 24 Stunden, eine Woche à zwölf Stunden und so weiter. "Diese Zeit braucht man, um sich aufeinander einzuspielen", sagt Ole Rückbrodt. Die Großboote sind meist bunt zusammengemischt. Je nach Herkunft gebe es unterschiedliche "Schlagphilosophien", die miteinander in Einklang gebracht werden müssten.

Und wozu nun das Ganze? Geld? Martin Rückbrodt muss lachen: "Man zahlt sogar drauf." 150 Euro bekommen die beiden vom Team Hamburg, die Zuwendungen der Sporthilfe gehen für Nahrungsergänzungsmittel und Ausrüstung drauf. Der Verein kommt für die Boote auf und übernimmt 50 Prozent der Trainingslagerkosten. Ohne die Unterstützung der Eltern ginge es nicht. Vom Rudern leben können die Wenigsten. Bleibt also der Ruhm. "Die Wettkämpfe machen extrem viel Spaß", sagt Martin Rückbrodt. Nach Platz zwei im Vorlauf ist er morgen im Halbfinale wieder dran. Auch Ole wird seinen Einsatz in Poznan bekommen, selbst wenn auf der Backbordseite keiner ausfallen sollte. Am Wochenende findet ein Rennen für die Ersatzleute statt.