Auf den großen schwarzen Hut wollte Betty Heidler nicht verzichten. Sie hat Heike Kugler gebeten, ihn bei der Hammerwurfentscheidung wieder aufzusetzen.

Berlin. Leichtathleten sind wie alle Sportler leicht abergläubisch. Aber sie spüren auch, was ihnen gut tut. Und die Zusammenarbeit mit Kugler hat Heidler gut getan.

2005 in Helsinki scheiterte die Frankfurterin bereits in der Qualifikation - alle drei Versuche waren ungültig. In der Folge suchte sie den Rat der promovierten Pädagogin und Sportpsychologin aus Magdeburg. Auch vor Beginn dieser Titelkämpfe habe man "gut und intensiv gearbeitet", erzählt Kugler dem Abendblatt. Ein Zwischenergebnis war am Donnerstag im Berliner Olympiastadion zu besichtigen: Im ersten Qualifikationsversuch wirbelte Heidler den Hammer auf die WM-Rekordweite von 75,27 Metern und zog mit einem WM-Rekord-Grinsen von dannen.

Drei Sportpsychologen stehen der Mannschaft des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) bei dieser WM mit Tat und vor allem Rat zur Seite. Ihre Arbeit wird längst nicht mehr nur akzeptiert - sie gilt als unverzichtbar. Von vielen Spitzenathleten wird die Seelenmassage ebenso bereitwillig in Anspruch genommen wie die Knetdienste der Physiotherapeuten. "Wir sind mittlerweile ein selbstverständlicher Teil des Teams", sagt Walter Wölfle im Abendblatt-Gespräch.

Auf 60 bis 80 Prozent beziffert DLV-Generalsekretär Frank Hensel den mentalen Anteil am Erfolg. Letztlich muss der Athlet mit der besonderen Situation im Stadion, noch dazu bei einer Heim-WM, allein fertig werden. Doch im Geist kann sie zuvor gemeinsam vorempfunden und verarbeitet werden. "Diese Art der Vorbereitung spielt eine wichtige Rolle bei unserer Arbeit", sagt Wölfle. So hatte Christina Obergföll, die als Jahresbeste im Speerwurf nach Berlin angereist war, mit ihrer Mentaltrainerin Tanja Damaske das WM-Finale im Vorfeld durchgespielt. Am Ende scheiterte sie wohl nicht am Druck - die Form war schlichtweg nicht mehr da.

Der Erfolg lässt sich nicht einfach herbeireden. Wölfle geht es vielmehr darum, im Dialog mit Trainern und Athleten sogenannte Störfelder zu erkennen. Etwa wenn sich ein Athlet von der Leistung eines Konkurrenten zu sehr beeindrucken lässt oder mit einer Verletzung hadert, die medizinisch unbedenklich ist. "Was die Lockerheit und Selbstsicherheit angeht, sind uns andere Nationen seit Jahren voraus", hat Wölfle beobachtet. Auch in der Nachbereitung ist der Rat der Wissenschaftler gefragt. Die, bei denen der erhoffte Erfolg ausblieb, kämen oft erst mit einigen Tagen Abstand, um den Wettkampf noch einmal zu reflektieren.

Für Betty Heidlers Auftritt am Sonnabend hat Heike Kugler keine Bedenken: "Ich sehe nichts, was sie einschränken würde." Ein ähnlich gutes Gefühl hatte sie auch am vergangenen Sonntag bei der Kugelstoßentscheidung der Frauen. Nadine Kleinert, mit der sie ebenfalls zusammenarbeitet, gewann mit persönlicher Bestleistung die Silbermedaille. Kugler hatte selbstverständlich den Hut auf.