Statt erhoffter 55 000 Besucher kamen bislang im Schnitt nur 40 000 täglich. Die schwachen Besucherzahlen überschatten das perfekt organisierte Event. Preisrabatte werden ausgeschlossen.

Berlin. Die Frage, ob Christian Ude ein gutes Gehör hat, ist nicht ganz unwichtig. Als der Münchner Oberbürgermeister kürzlich bei einem Empfang anlässlich der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin weilte, da war ihm, als hätten die Vertreter des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zum Abschied etwas gesagt wie: "Auf Wiedersehen in München 2018!" Wenn er richtig gehört hat, dann dürfen sie sich in Bayern jetzt einige Hoffnung machen auf die Winterspiele in neun Jahren. Und vielleicht haben sie das am Ende sogar den Preußen zu verdanken.

"Der Auftakt dieser WM war sehr stark, die Atmosphäre fantastisch", schwärmt Bernhard Schwank, der Geschäftsführer der Münchner Bewerbungsgesellschaft, im Gespräch mit dem Abendblatt: "Das geht als Signal in die Welt." Im Juli 2011 erteilt das IOC den Zuschlag für die Spiele. Auch Pyeongchang (Südkorea), Annecy (Frankreich) und voraussichtlich Harbin (China) melden Ansprüche an. Der Leichtathletik-WM, nach Olympia und Fußball-WM das weltweit drittgrößte Sportereignis, kommt dabei besondere Bedeutung zu. Sie ist eine Leistungsschau nicht nur der Aktiven, sondern auch der Organisatoren.

Die internationale Resonanz ist laut Schwank "gut bis sehr gut". Das lässt sich so von den Zuschauern im Olympiastadion noch nicht sagen. Bierzeltstimmung wie in Stuttgart 1993 oder in München bei der EM 2002 wollte sich im grauen Rund selten einstellen. Dass die Hauptstadt ein "nicht gerade leidenschaftliches Leichtathletik-Publikum" habe, merkte vor Jahren schon Ex-Weltverbandsvizepräsident Helmut Digel an. Einmal allerdings, beim 100-Meter-Sensationslauf von Usain Bolt, geriet das alte Gemäuer schier aus den Fugen. "Dieser Abend war das Aufregendste, was ich je in der Leichtathletik erleben durfte", schwärmte die britische Lauflegende Sebastian Coe. Aber selbst an diesem knisternden Sonntagabend blieben etliche Plätze leer.

74 000 bietet das Olympiastadion, etwa 65 000 stehen bei der WM zum Verkauf. Tageskassenpreis je nach Veranstaltungstag: 23 bis 153 Euro. Nicht viel im Vergleich zu anderen Stadionveranstaltungen. Zu viel, wie etwa Abendblatt-Leser Bernd Graner meint. Schon werden Forderungen nach Preissenkungen laut. Das sei ein angemessenes Mittel, um das Stadion voll zu bekommen, findet der Sportausschussvorsitzende des Bundestags, Peter Danckert (SPD). Eine große Koalition Berliner Landespolitiker aus SPD, CDU und Linker pflichtete eilends bei, einzig die FDP kanzelte den Vorschlag als "durchweg populistisch" ab.

Das Preisgefüge sei gut gestaltet, kontert WM-Vermarkter Michael Mronz die Kritik. Wie sonst sei zu erklären, dass im Vorverkauf immerhin 336 000 Tickets abgesetzt wurden? Rabatte kämen nicht infrage. Verkalkuliert haben sich die Organisatoren freilich, was das Kaufverhalten ihres Publikums angeht. Das sei in der Leichtathletik erfahrungsgemäß kurz entschlossen, wurde im Vorwege beschwichtigt: Bis zu 40 Prozent der Zuschauer hätten bei vergleichbaren Veranstaltungen ihr Ticket an der Tageskasse erworben. Doch am ersten Wochenende waren gerade 4226 Besucher spontan ins Stadion zu bewegen. Folge: Statt erhoffter 55 000 liegt der Durchschnittsbesuch bisher bei 40 000 Zuschauern. Da half auch nicht, dass die Organisatoren etwas dreist die Besucherzahlen von Vormittag und Nachmittag addierten - obwohl es nur Tageskarten gab. Hinter vorgehaltener Hand wird nun bemängelt, dass man es versäumt habe, das Großereignis in der Stadt frühzeitig bekannt zu machen.

Inzwischen kommt man an der WM kaum noch vorbei. Die Geher- und Marathonwettkämpfe am Wochenende werden voraussichtlich mehr als 200 000 Menschen erleben. Dann wird auch das Stadion voll sein, verspricht Sprecher Cem Herder: "Ab Donnerstag haben wir sehr gute Verkaufszahlen."