Die Handballer des HSV Hamburg haben mit der Vorbereitung auf die kommende Saison begonnen. Ein Titel gilt als oberstes Ziel.

Hamburg. In den vergangenen sieben Wochen hat Guillaume Gille etwas ganz Besonderes gemacht: nichts. Das stimmt so natürlich auch wieder nicht, der Kapitän der HSV-Handballer hat viel Zeit mit seiner Familie in Hamburg verbracht. Aber eben ohne den ständigen Druck, ans nächste Spiel zu denken, und ohne die ständigen Schmerzen, die ihn ans letzte Spiel erinnern. "Ich war völlig außerhalb der Handballwelt", sagt Gille, "es war eine ganz neue Erfahrung für mich."

Und es war genau das, was der französische Weltmeister und Olympiasieger gebraucht hat, um nach zwei Jahren gleichsam ohne jede Atempause wieder Luft und Lust zu haben auf den gestrigen Trainingsauftakt in der wohl temperierten Volksbank-Arena. Sogar den Lehrgang der Nationalmannschaft im Juni hatte Gille ausgelassen. "Ich hatte das Gefühl, mich sonst in Gefahr zu bringen." Nun müsse er sich erst einmal wieder eine "Handball-Woche" kaufen, um sich wieder auf den aktuellen Stand zu bringen, was so passiert ist in der Bundesliga.

Beim HSV ist es diesmal ja vergleichsweise ruhig geblieben. Weil Marcel Schliedermann noch mit der Jugendnationalmannschaft bei der WM in Tunesien spielt, war Igor Vori der einzige Neuling, den Trainer Martin Schwalb gestern begrüßen konnte. Sogar Pascal Hens war da, nur eine Woche nach seiner Operation und acht Wochen vor seinem erhofften Comeback. Eine komplette Vorbereitung mit dem kompletten Kader, das war Schwalb zuletzt vor zwei Jahren vergönnt. Heute geht es für fünf Tage ins Trainingslager nach Herrsching. Ein Dutzend Testspiele sind eingeplant bis zum Super-Cup in Nürnberg am 1. September gegen Meister THW Kiel.

Zu klären wäre noch, ab wann Vori (28) mitspielen darf. Noch verweigert sein alter Verein RK Zagreb dem kroatischen Weltklasse-Kreisläufer die Freigabe. Bis längstens Freitag kommender Woche könnte sich die Sache noch hinauszögern.

"Er wird uns in allen Bereichen weiterhelfen", ist sich Gille sicher, das habe Vori im Verein wie bei der Nationalmannschaft bewiesen. Dort ist der "wertvollste Spieler" der WM 2009 unersetzlich. Beim HSV teilt er sich seinen Arbeitsplatz künftig mit Gilles Bruder Bertrand, einem Welthandballer. Vori sieht es gelassen: "Wir werden beide genug Spielanteile bekommen. Jeder von uns wird weniger spielen, aber mehr geben können."

Ein bisschen was müssen sie wohl auch drauflegen, soll die kommende Saison den eigenen Ansprüchen besser standhalten als die vergangene. "Um alle Titel mitspielen" will Präsident Andreas Rudolph, auf mehr lässt er sich noch nicht festlegen. Immerhin habe man den Etat, Schätzungen zufolge betrug er mehr als acht Millionen Euro, durch die Abgänge von Dimitri Torgowanow, Arne Niemeyer und Heiko Grimm "kräftig heruntergefahren".

Diese Aussage gilt freilich nur, falls Domagoj Duvnjak nicht noch bald zur Mannschaft stößt. Der kroatische Rückraumstar besitzt einen ab 2011 gültigen Dreijahresvertrag mit dem HSV, wovon sein bisheriger Arbeitgeber, wiederum Zagreb, allerdings erst erfuhr, nachdem er sich bereits mit dem THW auf einen Wechsel Duvnjaks verständigt hatte.

Entsprechend frostig fiel die Atmosphäre bei den Ablöseverhandlungen aus. Zagreb will seinen Spielmacher am liebsten sofort loswerden, sich dies aber mit - nicht eben marktüblichen - 1,5 Millionen Euro honorieren lassen. "Etwas enttäuschend" findet Rudolph die Pokertaktik, "wir sind da andere Verhandlungspraktiken gewohnt." Wie es der Zufall wollte, nahm auch der kroatische Serienmeister gestern das Training auf, und HSV-Sportchef Christian Fitzek kann sich denken, "dass Domagoj dort jetzt ziemlich unter Druck steht". Auch Rudolph würde Duvnjak (21) gern sofort freikaufen, "um es ihm nicht so schwer zu machen". Die 650 000 Euro dürften wohl nicht das letzte Gebot des HSV bleiben.