Im Hotel Royal Meridien warb Rekord-Nationalspieler Lothar Mätthäus für den „Tag der Legenden“ am 6. September.

Hamburg. Neben Lothar Matthäus werden am 6. September noch 60 ehemalige Fußballstars beim „Tag der Legenden" zu Gunsten der Jugendinitiative Nestwerk spielen. Im Abendblatt nahm Matthäus Stellung zur jüngsten Entwicklung beim HSV und seiner persönlichen Zukunft.

Abendblatt: Herr Matthäus, in Hamburg wird ein Sportchef gesucht, hätten Sie Empfehlung? Gehandelt wird auch Thomas Helmer, ihr ehemaliger Mitspieler.

Matthäus: Es werden meines Wissens viele Kandidaten gehandelt. Thomas arbeitet bekanntlich fürs Fernsehen, war immer nahe am Fußball, er lebt in Hamburg. Vorstellbar ist vieles. Ein Sergej Barbarez war auch bei der Pressekonferenz zum „Tag der Legenden“.

Abendblatt: Welches Öffentlichkeitsbild hat der Klub für Sie zuletzt abgegeben?

Matthäus: Ich würde sagen, ein Bild, das kein Verein braucht. Wichtig ist, dass man möglichst schnell diese Ungereimtheiten hinter sich lässt und möglichst schnell durchdachte Entscheidungen trifft. Ich glaube aber, dass man mit Bernd Hoffmann jemanden hat, der weiß, was er macht. Anscheinend hat es zwischen ihm und Dietmar Beiersdorfer nicht mehr geklappt. Es gab ja auch einige Dinge, die nicht den erhofften Erfolg brachten. Ich kann im vergangenen Winter nicht sechs Spieler auf Leihbasis holen, von denen keiner beim anderen Verein gespielt hatte, und will dann Meister werden. Dann hole ich lieber zwei Gestandene, die den Unterschied machen. Solche Punkte haben sicher dazu beigetragen, dass ein Vorstandsboss kritisch wird. Das ist völlig normal für mich. Es wäre allerdings besser gewesen, wenn man das intern diskutiert hätte, eine ruhige Lösung. Ich wünsche dem HSV jedenfalls Erfolg.

Abendblatt: Das klingt nach besonderer Sympathie.

Matthäus: Der Klub hat europaweit Geschichte geschrieben. Hamburg ist für mich die schönste Stadt Deutschland, Wenn ich’s mir raussuchen könnte, würde ich in Hamburg leben. Geographisch bin ich natürlich mehr mit den Bergen verbunden, mit München. Aber der HSV ist ein toller Fußballverein, mit tollen Fans, einem tollen Trainingsgelände. Der Verein hat alles, was man sich wünscht, auch als Trainer. Das einzige, was fehlt, ist der Erfolg. Wenn in Hamburg Ruhe einkehrt, könnte man etwas Großes aufbauen.

Abendblatt: Wie steht es um Ihre persönlichen Planungen?

Matthäus: Ich habe in den vergangenen Wochen fünf konkrete, unterschriftsreife Verträge abgelehnt, weil ich den sportlich richtigen Schritt gehen möchte. Das waren interessante Angebote, es hätte vieles gepasst, aber das Sportliche ist für mich das Wichtigste, die Positionierung des Trainers muss zukunftsorientiert gedacht sein.

Abendblatt: Die Führungsstruktur ist ja auch beim HSV ein großes Thema. Wie sieht Ihre Idealkonstellation aus?

Matthäus: Man hat seine Wünsche, aber man muss natürlich auch finden. Natürlich ist es schön, wenn man mit professionellen, seriösen Leuten zusammenarbeitet, mit denen man kontrovers diskutieren kann. Man sollte nicht immer einer Meinung sein. Das beste Beispiel ist für mich Bayern München. Ich weiß genau, das die wichtigen Leute bei Bayern nie einer Meinung sind, aber es wird intern diskutiert und danach eine Meinung nach außen getragen. Das ist vielleicht ein entscheidender Punkt, ob man mittel- oder langfristig erfolgreich arbeiten kann, dass man der Öffentlichkeit nicht die Möglichkeit gibt, sich mit verschiedenen Meinungen gegenseitig zu zerfleischen. Wichtig ist für mich, dass die sportliche Perspektive da ist, was die vorhandenen und künftigen Möglichkeiten betrifft.

Abendblatt: Das klingt, als ob Sie beim nächsten Verein gerne längerfristig arbeiten möchten.

Matthäus: Ich hätte auch gerne bei Rapid Wien, meiner ersten Trainerstation, länger gearbeitet. Ich bin keiner, der sagt, ich gehe zu einem Verein und bin dann nach zwei Monaten wieder weg. Das war nie meine Absicht. Es gab einen Fehltritt, das war Brasilien, da habe ich die private Situation, wo ich durch die Entfernung die Beziehung zu der Familie und den Freunden nicht herstellen konnte. Alle anderen Geschichten kann man nicht planen: Wenn ein Verein die Hälfte des Gehaltes nicht überweist, zieht man eben die Reißlinie. Oder wenn ein neuer Präsident kommt und diesem nicht mein Gesicht passt, kann man auch nichts ändern. Grundsätzlich waren es immer dumme Zufälle, wo man persönlich nicht viel beigetragen hat. Nehmen Sie Israel: Was kann ich dafür, wenn mich der Eigentümer um Vertragsauflösung bittet, weil er kein eigenes Geld mehr in den Verein reinstecken möchte?

Abendblatt: Sie fühlen Ihre Arbeit nicht entsprechend gewürdigt?

Matthäus: Überall, wo ich gearbeitet habe, ob in Belgrad, in Salzburg oder bei der ungarischen Nationalmannschaft, kann ich wieder hingehen, weil es jedes Mal bergauf gegangen ist.

Abendblatt: Sie haben im Ausland viele Erfahrungen gesammelt, ist jetzt nicht die Zeit reif für Deutschland?

Matthäus: Das liegt nicht in meiner Hand, ich kann ja nicht sagen: Hallo, hier bin ich, legt mir einen Vertrag vor. Die Verantwortlichen werden sich immer hinterfragen, wer für sie der Beste ist, wie jetzt bei Labbadia in Hamburg. Ich bin offen für die Bundesliga, aber genauso für das Ausland. Die Erfahrungen dort waren sehr wichtig für mich als Trainer, weil ich lernen musste, mit verschiedenen Kulturen umzugehen und sie zu respektieren. Und vor allem: Man sollte versuchen, mit den Menschen zu reden, nur dann kann ich Probleme lösen.

Abendblatt: Hat man Angst vor Ihrem großen Namen in Deutschland?

Matthäus: Das kann ich nicht beurteilen. Ich denke, dass bei vielen Vereinen in Deutschland meine frühere Verbindung zum FC Bayern eine Rolle spielt. Die Münchner sind ja bei vielen Fans anderer Klubs nichts sehr beliebt, dienen als Feindbild. Diese Vergangenheit ist ganz sicher hinderlich, das habe ich in Nürnberg und Frankfurt gemacht. Ein kleiner Fanaufstand, und schon sind die verantwortlichen Leute wieder umgefallen.

Abendblatt: Im Ausland…

Matthäus: …ist die Wertschätzung viel größer. Meine Frau wundert sich immer wieder, welche Popularität ich dort genieße und welche Liebe die Menschen mir entgegen bringen, auch in Ländern, wo der Fußball nicht so im Mittelpunkt steht.

Abendblatt: Können Spieler der heutigen Generation überhaupt noch zur Legende reifen?

Matthäus: Im Fußball hat sich vieles geändert, Verträge zählen eigentlich nichts mehr, siehe Ribery, es wird nur diskutiert, wo man mehr Geld verdient. Dann sind die Berater dahinter. Früher hat man sich noch mehr mit dem Verein oder der Nationalmannschaft identifiziert. Für mich war es nie eine Sache des Geldes, um in der Nationalmannschaft zu spielen und den Marktpreis zu steigern. Für mich war es eine Herzensangelegenheit, genau wie bei Bayern oder Inter Mailand. Mich hätte nur ein Angebot während eines laufenden Vertrags interessiert: Das war 1991 Real Madrid. Deshalb kann ich Ribery verstehen, wenn er dorthin wechseln will. Ich war mit damals mit Madrid einig, hatte mich in Genf mit dem Präsidenten getroffen, wollte wirklich zu Real. Legenden ordnet man Vereinen zu: Uwe Seeler zum HSV, mein Name wird immer wieder mit Bayern in Verbindung gebracht. Auf den Seychellen kommen die Fans mit dem Bayern-Trikot zu mir. Wenn einer heute 20-mal wechselt, hat er einen bekannten Namen, ist aber keine Legende.

Infos zum Tag der Legenden unter „www.tagderlegenden.de“