Neue Gegenstromanlage: Für Schwimmer Steffen Deibler gehört der Kampf gegen Widerstände künftig wieder zum (Trainings-)Alltag.

Hamburg. Deibler ist der schnellste Schwimmer Deutschlands, Meister über 50 Meter Freistil. Wenn er jedoch in die Fluten des Strömungskanals am Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein springt, muss er Herausforderungen besonderer Art überstehen. Eine leichte Drehbewegung des Schalters im Kontrollraum genügt, und das Wasser in dem sieben Meter langen und 2,5 Meter breiten Becken fließt ihm mit einer Geschwindigkeit von 2,2 Metern pro Sekunde entgegen. Hielte er das Tempo 20 Sekunden lang durch, würde er einen neuen Weltrekord in seiner Vorzeigedisziplin aufstellen.

Dass Deibler diese weltmeisterliche Erfahrung am eigenen nackten Leib spüren darf, verdankt der 21-Jährige der Stadt Hamburg, dem Bundesinnenministerium und der Hamburger Bäderland GmbH. Die ließen für insgesamt 1,4 Millionen Euro den Strömungskanal am Dulsbergbad instand setzen. Die damals umgerechnet 1,25 Millionen Euro teure Anlage war 1992 eingeweiht und vor zwei Jahren weitgehend stillgelegt worden. Immer wieder hatten sich bei höheren Geschwindigkeiten durch Verwirbelungen massenhaft Blasen im Wasser gebildet, das dadurch milchig eintrübte und Trainern wie Kameras den Blick auf die Schwimmer und ihre Techniken verwehrte. Hamburgs Sportsenatorin Karin von Welck nahm den Kanal gestern Nachmittag erneut in Betrieb. Neun Monate hatten die komplizierten Reparaturarbeiten gedauert.

Das blasenhaltige Wasser wird jetzt einem sogenannten Rucksack außerhalb des Beckens zugeführt. Dort kann die Luft entweichen. Das dann nahezu blasenfreie Wasser fließt in den Rückstromkanal, wird dort von zwei Pumpen in einen labyrinthartigen Entgasungsbehälter gesaugt und dem Becken am Ende des Rückstromkanals wieder zugeleitet. "Dank dieser ausgeklügelten Technik ist unsere Anlage jetzt die beste der Welt", sagte Bäderlandchef Klauspeter Schelm. Rund 20 Strömungskanäle dienen weltweit den Schwimmern als Trainingsstätte. Alle wurden von der Firma TZ (Technisches Zentrum) aus Leipzig gebaut. Ihr Know-how stammt aus DDR-Zeiten.

Spitzensport ist heute Hightech. Der Kampf um Zehntel- und Hundertstelsekunden kostet inzwischen Millionen. Olympiastützpunkte sind ausgewählte Stätten für Innovationen. Sie verstehen sich als Dienstleistungszentren, wollen ihren Athleten beste Voraussetzungen für Topleistungen bieten. Der Hamburger Kanal wird daher von vielen genutzt, regelmäßig von der deutschen Nationalmannschaft, wiederholt auch von ausländischen Weltklasseschwimmern. Die müssen pro Stunde 190 Euro Miete zahlen.

Der Clou des Beckens ist nicht allein die mit einem Regler exakt einstellbare Geschwindigkeit, vier fest installierte Kameras beobachten alle Bewegungen auf und unter dem Wasser. Der Computer im Kontrollraum verarbeitet die Informationen, berechnet die Winkel von Armen, Händen und Füßen und setzt sie ins Verhältnis zu angenommenen Idealwerten. "In einem gewöhnlichen Becken können wir meist nur erahnen, was die Schwimmer richtig oder falsch machen, im Strömungskanal entgeht uns kein Fehler", sagt Janina Gerckens. Sie ist Trainingswissenschaftlerin am Olympiastützpunkt.

Deibler wird noch in den nächsten drei Tagen ihr Gast sein. Dann fliegt er ins Trainingslager der Nationalmannschaft nach Ravenna. Ende des Monats steht für ihn die WM in Rom an. "Leider haben wir den Kanal bisher nicht effektiv einsetzen können. Ich erhoffe mir von ihm künftig großen Nutzen. Gerade im Sprintbereich ist das Training in der Anlage sehr hilfreich", sagt Deibler. Der Strömungskanal war ein Grund, warum es ihn 2008 nach Hamburg zog. Jetzt steht er ihm endlich zur Verfügung.