Till Grewe gründete mit fünf Freunden und Verwandten den “Stall Domstadt“, und eines Tages kam ihnen der Zufall zur Hilfe.

Hamburg. Der Anruf kam aus der Nähe von London: "Welche Startbox haben wir?", fragte Till Grewe (32) bei Freunden in Hamburg an. Kaum hatte der Unternehmensberater aus Köln erfahren, dass Turflegende Hein Bollow in Horn für den dreijährigen Vollbluthengst Egon die Box Nummer 11 ausgelost hatte, fiel ihm ein Stein vom Herzen. "Damit können wir leben", sagte er.

Till Grewe ist einer von sechs Turffans, die ihr Herz an ein Galopprennpferd verloren haben. Es heißt Egon und läuft am Sonntag im 140. Deutschen Derby in Hamburg (Programm-Nummer 5, siehe Grafik unten). Im Sattel sitzt der irische Jockey Richard Hughes, derzeit die Nummer zwei in der Rangliste der "British Flat Jockey Championship".

"Ein Traum geht in Erfüllung", sagt Grewe. "Wir kleinen Leute nehmen jetzt den Kampf mit etablierten Besitzern und Züchtern auf." Warum, fragt er sich, sollten wie so oft die teuren Pferde von Nobelgestüten wie Schlenderhan, Röttgen oder Auenquelle siegen? Könnte sich nicht das Wunder von 1982 wiederholen, als der 608:10-Außenseiter Ako für die 16 Jahre alte Schülerin Steffi Seiler triumphierte? Schließlich hat Egon ein großes Kämpferherz und war Vierter bei der Derby-Generalprobe, der Kölner Union.

Im Sommer 1996 nahmen Freunde aus Norderstedt, selbst begeisterte Turffans, Grewe zum ersten Mal mit nach Horn. Das war der Tag, als Lavirco unter Jockey Torsten Mundry Derbysieger wurde. Und später am Abend schwor sich der damals 19-Jährige: "Eines Tages werde ich einen Derbystarter besitzen."

Till Grewe gründete mit fünf Freunden und Verwandten (Steuerberater, Soziologe, Rentner, Logistiker, Kommunikationsberater) den "Stall Domstadt", und eines Tages kam ihnen der Zufall zur Hilfe. Grewes Ehefrau Bea, eine ambitionierte Reiterin, lernte die Schwiegertochter des Turfagenten Rüdiger Alles kennen.

Der Pferdeexperte hat schon viele schnelle Galopper vermittelt. Und so ersteigerte er auf der Jährlingsauktion vor zwei Jahren in Baden-Baden für die Kölner Turffans für 43 000 Euro einen bildschönen Hengst. Egon sollte er heißen, zusammengebastelt aus den Buchstaben seines Halbbruders und Supergaloppers Egerton. "Wir wollten ein Pferd mit vornehmer Abstammung haben und waren bereit, dafür auch den entsprechenden Kaufpreis zu zahlen", sagt Grewe.

Egon kam ins Training zu Waldemar Hickst nach Köln-Weidenpesch. Zu einem Mann, der keine großen Sprüche macht. "Wenn der sagt, dass ein Pferd schnell laufen kann, dann kann man sich darauf verlassen", sagt Grewe. Die Äußerung des Trainers nach dem Abschlusstraining am vergangenen Montag ("Er ist gut gegangen") fasst er deshalb auch als optimistische Prognose auf.

Auf der Rennbahn machte Egon stetig Fortschritte. Bei seinem einzigen Start als Zweijähriger wurde er Fünfter, in diesem Jahr steigerte er sich auf die Plätze zwei, drei und vier. 7200 Euro hat Egon bisher verdient, im Derby am Sonntag werden bei einer Platzierung ganz andere Kurse gezahlt. Das Gesamtpreisgeld des Traditionsrennens beträgt 795 000 Euro, 475 000 Euro erhält der Sieger, immerhin noch 13 500 Euro der Fünfplatzierte. "Wir trauen unserem Egon alles zu", sagt Till Grewe.