Der Schwergewichtler aus dem Hamburger Universum-Stall sprach über seine Siegchancen im Duell mit Wladimir Klitschko (Sa., 22 Uhr, RTL).

Abendblatt:


Herr Chagaev, als am Pfingstwochenende Ihr geplanter Kampf gegen Nikolai Valuev abgesagt wurde, waren Sie am Boden zerstört. Drei Wochen später stehen Sie nun gegen Wladimir Klitschko vor dem größten Kampf Ihrer Karriere. Haben Sie schon verarbeitet, was in den vergangenen 21 Tagen alles passiert ist?


Ruslan Chagaev:


Dazu war keine Zeit. Außerdem geht dieses Auf und Ab in meiner Karriere ja schon so, seit ich im April 2007 Weltmeister geworden bin. Der Achillessehnenriss und die Krankheiten, die ich hatte, waren nicht normal. Zum Glück scheint es nun bergauf zu gehen.


Abendblatt:


Was haben Sie gedacht, als Ihr Management Sie von der Möglichkeit unterrichtete, gegen Klitschko zu boxen?


Chagaev:


Ich dachte, dass das eine Chance ist, die nur einmal im Leben kommt. Deshalb habe ich auch gar nicht nach Geld gefragt, sondern sofort gesagt, dass ich kämpfen will.


Abendblatt:


Glauben Sie, dass diese Chance der Lohn für Sie ist, nachdem der Kampf mit Valuev in Helsinki unter dubiosen Umständen abgesagt worden war?


Chagaev:


Nein, so denke ich nicht. Helsinki habe ich schon vergessen. Es war bestimmt nicht alles sauber, was dort abgelaufen ist, aber das ist für mich nicht mehr interessant. Die Absage war Glück im Unglück für mich.


Abendblatt:


Der finnische Verband hatte den Kampf mit Valuev abgesagt, da er befürchtete, Sie als Träger von Hepatitis-B-Antigenen könnten eine Ansteckungsgefahr darstellen. Wie war es für Sie, dass Ihr Gesundheitszustand öffentlich diskutiert wurde?


Chagaev:


Seltsam. Ich habe die Politik von Valuevs Promoter Sauerland nicht verstanden und fand sie unfair. Aber ich möchte nicht mehr darüber sprechen. Wichtig ist, dass die deutschen Fachleute bewiesen haben, dass von mir keine Gefahr ausgeht. Wie man professionell mit so etwas umgeht, hat Wladimir bewiesen. Der hat sofort gesagt, er vertraue den deutschen Ärzten, und zusätzlich ist er gegen Hepatitis B geimpft.


Abendblatt:


Es fällt auf, dass Sie und Klitschko übermäßig respektvoll miteinander umgehen.


Chagaev:


Ja, ich habe großen Respekt vor ihm, als Sportler und als Mensch. Dass er nach der Absage von David Haye sofort bereit war, sich auf mich als Rechtsausleger umzustellen, zeigt, dass er großen Sportsgeist besitzt. So handelt ein wahrer Champion.


Abendblatt:


Nicht, dass Sie am Sonnabend vor lauter Dankbarkeit in Ehrfurcht erstarren ...


Chagaev:


Nein, keine Sorge. Ich bin dankbar für die Chance, aber ich denke, dass auch er mir dankbar ist, denn immerhin stand ich sofort als Ersatzmann bereit. Wir helfen uns gegenseitig, aber im Ring geht es um alles. Da werde ich nichts verschenken.


Abendblatt:


Klitschko hatte zuletzt viele Gegner, die vorher so geredet haben, und wenn sie dann mit ihm im Ring standen, war der Mut schnell weg. Wie können Sie gegen ihn bestehen?


Chagaev:


Ich weiß, dass ich mutig sein muss. Ich habe mehrere Pläne, werde aber keinen verraten. Lassen Sie sich überraschen.


Abendblatt:


Ein Vorteil für Sie könnte sein, dass Sie sich nicht umstellen mussten. Sie hatten sich auf Valuev vorbereitet, der genau wie Klitschko deutlich größer und schwerer als Sie ist.


Chagaev:


Ja, ich konnte tatsächlich dieselben Sparringspartner nutzen wie in der Vorbereitung auf Valuev. Allerdings ist Wladimir technisch besser und viel schneller. Ich muss mich also auf einen viel stärkeren Gegner einstellen.


Abendblatt:


War es denn ein Nachteil, dass Sie durch die Absage in Finnland aus dem Training gerissen wurden?


Chagaev:


Körperlich gar nicht. Ich habe ja keinen Tag Trainingspause gemacht, weil ich nach der Absage die Order bekam, mich weiter fit zu halten, falls der Weltverband schnell einen neuen Termin ansetzt. Wie gut das war, sehen wir ja jetzt. Valuev war ja schon im Urlaub, als Klitschko anfragte.


Abendblatt:


Und mental? Immerhin haben Sie nach Helsinki nächtelang kaum geschlafen.


Chagaev:


Das stimmt, mental waren die Tage nach Helsinki mit die härtesten meines Lebens. Aber die Anfrage von Klitschko war genau die Motivation, die ich brauchte, um da wieder herauszukommen.


Abendblatt:


Wie werden Sie mit der Atmosphäre von 60 000 Zuschauern, die zum großen Teil gegen Sie sind, klarkommen?


Chagaev:


Das ist kein Problem für mich. Ich weiß, dass in Usbekistan 20 Millionen hinter mir stehen. Und wenn ich einen guten Kampf mache, werden das auch die deutschen Fans honorieren.


Abendblatt:


Bis gestern hatte der Weltverband WBA noch nicht festgelegt, ob Sie Ihren WM-Titel aufs Spiel setzen dürfen. Wie wichtig wäre Ihnen das?


Chagaev:


Ich fühle mich als Champion, denn Valuev hat mich nie besiegt. Aber wenn die WBA das anders sieht, kann ich nichts tun. Dann freue ich mich eben, dass ich am Sonnabend Wladimirs WBO- und IBF-Titel habe.