Die Stadionsprecher Arnd Zeigler und Lotto King Karl über Rivalität, Parallelen und den Gärtner van der Vaart.

Rotenburg (Wümme). Sie trafen sich auf halber Strecke beim Italiener in Rotenburg, sie fielen sich um den Hals und wirkten wie beste Freunde - die Stadionsprecher von Werder und dem HSV: Arnd Zeigler und Lotto King Karl. Beide pflegen eine leidenschaftliche Liebe zu ihrem Klub, dem sie mit Erfolg eine Stadionhymne gewidmet haben. Als die Karten gereicht wurden, sagte Lotto spontan: "Eigentlich müsste ich Nummer 87 essen." In Anlehnung an das HSV-Geburtsdatum: Lammrückenfilet mit Balsamicosoße, 17 Euro. Lotto aß dann aber dann doch nur Tortellini.


Abendblatt:

Wir dachten, es herrscht die große Rivalität. Weshalb verstehen Sie sich so gut?

Lotto King Karl:

Ich bin alt genug. Arnd ist ja noch ein wenig jünger.



Arnd Zeigler:

Ich dachte, ich sei älter. Ich werde dieses Jahr 44.



Lotto:

Stimmt ja. Wir sind auf jeden Fall ungefähr ein Alter. Und warum sollten wir uns denn nicht verstehen? Zumal wir an 32 Saisonspieltagen sowieso kein Problem miteinander haben.



Zeigler:

Ich denke auch, dass wir uns sehr ähnlich sind. Wir haben kulturell den gleichen Zugang, da wir in einem ähnlichen Alter sind und deswegen fast die gleiche Fanentwicklung genommen haben. Nur mit dem Unterschied: Er hatte seine größten Erfolge mit 20 hinter sich, meine kamen da erst. Aber das verbindet ja auch.



Lotto:

Und unterm Strich kommt ja der Punkt, wo ich sage: Bevor die Bayern Meister werden, dann lieber ihr. Denn wir sind ja alle in erster Linie Norddeutsche.



Abendblatt:

Sehen Sie das ähnlich, Herr Zeigler?

Zeigler:

Ich halte verordnete Rivalitäten grundsätzlich für unsinnig. Wenn ich irgendeinen Verein nicht mag, möchte ich, dass er sich das bei mir erwirbt.



Lotto:

Das stimmt.



Zeigler:

Und der HSV hat weniger Angriffsfläche. Es gab selten so viele Typen, die man okay findet. Es gab selten einen Trainer, den man so okay findet. Vor drei Jahren war das noch anders. Im Moment ist alles auf einer gesunden Ebene. Ich denke, dass wir beide eine ähnliche Auffassung von der Rivalität haben. Sie muss sein. Aber nur bis zu einer gewissen Grenze. Ich kriege zum Beispiel als Stadionsprecher Pickel, wenn sich die Werder-Fans in der Kurve mehr über ein Gegentor für den HSV freuen als über einen eigenen Treffer. Es kann nicht sein, dass die Rivalität wichtiger ist als die Liebe zum eigenen Verein.



Lotto:

Als Stadionsprecher musst du im Nordderby zusehen, dass du die Wogen glättest. Generell hat man aber lieber die großen Spiele vor vollem Haus. Auf die Bayern freut man sich immer.



Zeigler:

Bei mir ist ohnehin Schalke der Verein, für den ich am wenigsten übrig habe. Da gibt es ganz wenige Spieler, die ich in meiner Mannschaft sehen will.



Lotto:

Hoffenheim ist ähnlich negativ behaftet. Dabei ist die Jugendarbeit wirklich klasse, der Fußball absolut sehenswert. Und die Entwicklung ist schneller gelaufen als zum Beispiel in Wolfsburg. Erst wenn die dreimal in Folge Meister werden, werden sie vielleicht mal ein ausverkauftes Haus gegen Bayern haben. Und da wird auch jede Menge Geld von außen reingepumpt.



Zeigler:

Die buttern da 40 Millionen in die Mannschaft, und Felix Magath behauptet ernsthaft, sie seien im Übergangsjahr.



Abendblatt:

Können Sie sich mit Mäzenen identifizieren?

Zeigler:

Mal angenommen, ich würde ganz viel Geld im Lotto gewinnen ...



Lotto:

Witzig.



Zeigler:

Dann würde ich das auch in meinen Verein stecken.



Lotto:

Wenn du im Lotto gewinnst, dann kannst du vielleicht Diego halten oder kaufen oder ungefähr die Vorstellungen von Rafael van der Bank erfüllen.



Zeigler:

Und der macht dann bei dir den Garten.



Lotto:

Das würde ich dann vorschlagen, ja.



Abendblatt:

Viermal Derby in 19 Tagen. Finden Sie das gut?

Zeigler:

Ich finde das geil.



Lotto:

Jede Anomalie, jede besondere Situation, die man miterlebt, ist doch super.



Abendblatt:

Herr Zeigler, sind Sie neidisch auf Lottos Song "Hamburg, meine Perle"?

Zeigler:

Ich bin ein bisschen neidisch, dass er Spiel für Spiel so funktioniert. Unser Song wird auch im Stadion gespielt, allerdings glücklicherweise nicht live. Dieses Ritual mit Lotto ist einmalig. Der größere Charterfolg war aber "Lebenslang Grün-Weiß".



Lotto:

Ich habe es schon immer gesagt: Die Leute kaufen bei uns einfach zu wenig Platten.



Zeigler:

Ich finde es wirklich sehr beeindruckend, dass der Song so funktioniert. Und man weiß, es wird nie anders sein. Davon träumt jeder, der so einen Song macht - dass der irgendwann gar nicht mehr hinterfragt wird. Und es ist eben ein Song, der nicht diese gängigen Strukturen wie "Wir stehen immer zu dir, egal was passiert" hat. Wie bei uns haben sich die Fans ihn ausgesucht. Wir sind damals 2004 nach dem 3:1-Sieg in München berauscht ins Tonstudio gegangen und haben das Lied für das Radio aufgenommen. Eine Woche später konnte dann ganz Bremen den Text auswendig. So muss es sein.



Abendblatt:

Bei aller Lobhudelei - rote Tücher gibt es aber schon noch beim Gegner, oder?

Zeigler:

Wenn ich die Mannschaft durchgehe, ist es fast langweilig positiv, da gibt es kaum noch feindbildtaugliche Spieler. Als Fan eines anderen Klubs kommt man mit Jarolim nicht so recht klar. Nicht viel einstecken können, aber relativ viel austeilen.



Lotto:

Einspruch, David Jarolim geht dahin, wo es wehtut - der geht keinem Zweikampf aus dem Weg und wird deshalb oft gefoult.



Zeigler:

So geht es bei uns mit Diego. Der wird in den ersten Minuten eines Spiels immer ganz brutal umgetreten. Das ist Methode.



Lotto:

Trotz allem ist Diego für mich das rote Tuch bei Werder, er fällt zu oft und zu schnell. Und dazu natürlich Tim Wiese, obwohl er teilweise überragende Leistungen zeigt. Und dafür, dass er wie Michael Ammer aussieht, kann er ja auch nichts ...



Abendblatt:

Haben Sie Lieblingsspieler beim anderen Verein?

Zeigler:

Ich habe mir gerade ein Kevin-Keegan-Brettspiel aus den 80er-Jahren gekauft. Ich habe mir damals auch eine Autogrammkarte von ihm geholt.



Lotto:

Uwe Seeler mag ich natürlich sehr. Keegan ist auch mein Idol. Ich habe noch einen BP-Aufkleber mit ihm: "Super-Kevin stoppt den Energie-Galopp". Und bei Werder mochte ich Völler, Okudera, Pezzey, der leider viel zu früh starb. Mir ist auch ein Typ wie Thomas Schaaf sympathisch, weil er schon so lange da ist.



Zeigler:

Und weil er sich dir optisch annähert. Ganz nebenbei, ich habe noch ein Original-Trikot von Mladen Pralija, die HSV-Fans werden sich noch an ihren Torwart erinnern.



Abendblatt:

Haben Sie ein besonderes Nordderby in Erinnerung?

Zeigler:

Ich denke noch mit Schrecken an ein Spiel in Hamburg zurück, wir waren mit einer Ente da, die wurde unterwegs platt gefahren, deswegen kamen wir eine Viertelstunde zu spät ins Stadion, der HSV führte 2:0 - und gewann 2:0. Es passierte nichts mehr, nur unsere kaputte Ente mussten wir dann nachts nach Bremen zurückschleppen.



Abendblatt:

Beide Klubs kämpfen nun um den "Verlierer-Cup", wie einst Beckenbauer sagte. Wie denken Sie über den Uefa-Pokal?

Zeigler:

Wenn man nicht in die Kategorie ManU gehört, dann ist der Uefa-Cup das Größte, was man international gewinnen kann.



Lotto:

Das Niedermachen ist Münchner Tradition. Nein, nein, der Uefa-Cup war schon eine gute Sache, in Istanbul findet ja nun das letzte Finale statt.



Abendblatt:

Würden Sie Werder im Finale die Daumen drücken?

Lotto:

Dann hätten sie vorher den besten Klub geschlagen ...



Abendblatt:

Daumen drücken?

Lotto:

Gibt es eine diplomatischere Antwort? Und noch mal zur Wertigkeit: Ich bin restlos davon überzeugt, dass auf Jahre hinaus kein deutscher Klub die Champions League gewinnen wird. Es sei denn, Wolfsburg steckt noch einmal mächtig viel Geld in die Mannschaft.



Abendblatt:

Was ist jetzt eigentlich schlimmer: Andrea Berg an der Spitze der Hitparade oder Wolfsburg an der Tabellenspitze?

Zeigler:

Das ist dasselbe. Wolfsburg liegt mir aber nach dem 5:1-Sieg über Bayern etwas näher.



Lotto:

Das interessiert mich nicht. Charts sind eine Scheinwelt, das Spiegelbild einer Illusion. Fußball ist da ganz anders.