Martin Jols Team spielte in der ersten Halbzeit wie ein Titelkandidat, vergab aber zu viele Torchancen. Frank Rost tobte über den Schiedsrichter.

Hamburg. Nach 45 Minuten schien das Märchen für den neuen deutschen Fußball-Helden Piotr Trochowski weiterzugehen. Nach seinem Siegtor am Mittwoch gegen Wales hatte der Nationalspieler auch im Spitzenspiel gegen Schalke 04 zum 1:0 getroffen und das Ausrufezeichen hinter eine begeisternde und temporeiche erste Halbzeit gesetzt, in der der HSV klar dominierte. Am Ende jedoch gingen Trochowski und seine Kollegen nicht ganz zufrieden vom Platz, denn erstmals in dieser Saison schaffte sein Team keinen Heimsieg - auch wenn das 1:1 reichte, um sich nach Hoffenheims 5:2 gegen Hannover am Wochenende wieder die Tabellenführung zurückzuerobern.

Die gestiegene Wertschätzung Trochowskis in Hamburg wurde schon zehn Minuten vor dem Anstoß deutlich. Als sich beide Mannschaften gerade auf den Weg aus den Kabinen machten, rief Stadionsprecher Lotto King Karl in sein Mikrofon: "Und mit der Nummer 15, Martin Jols bester Mann, Piotr Trochowski." Riesiger Jubel brandete auf.

Vielleicht wollte Trochowski ja deshalb seinem Publikum an diesem Abend etwas Besonderes bieten. Als er nach schönem Zuspiel von David Jarolim seinen Treffer erzielt hatte, zeigte der Techniker den Hamburgern eine Welt-Premiere. Einen Tor-Salto hatte er bislang allen seinen Fans vorenthalten. Aber diesmal zeigte er ihn. Sogar zwei am Stück! Hervorragend gesprungen und überschlagen, beste Noten für die Ausführung und den Inhalt. Später kommentierte er diese turnerische Spitzenleistung grinsend: "Ich wollte mal zeigen, dass auch ich ihn drauf habe. . ."

Die Kollegen umarmten ihn, klopften ihrem Torschützen auf die Schultern, feierten den HSV-Mann der Woche. Als sich die Spielertraube auflöste, lief "Troche" ganz allein zur Mittellinie und sprang vor Freude noch einmal kurz in die Luft, schlug mit dem rechten Arm in Richtung Abendhimmel. Er hatte eine, er hatte seine unglaubliche Woche noch einmal gekrönt - ein Traum.

Auf der Tribüne zeigte sich Olli Dittrich restlos begeistert: "Ich habe schon vor dem ersten Spiel gesagt, dass das die Saison von Piotr Trochowski wird, er ist in einer sagenhaften Form." Und im Allgemeinen ergänzte "Dittsche": "Es ist einfach nur als großartig zu bezeichnen, was Martin Jol aus diesem HSV gemacht hat. Wir haben doch in der ersten Halbzeit mehr Torchancen für den HSV gesehen, als in allen Heimspielen der vergangenen Saison zusammen." Stimmt genau. Auf dem Rasen schwärmte Mittelstürmer-Idol Uwe Seeler zur Pause bei Premiere" genauso: "Piotr führt die gesamte Mannschaft. Wenn es das weiter so gut macht, kann der HSV Meister werden."

Tatsächlich: Könnte der HSV diese Leistung der ersten Halbzeit beständig über volle 90 Minuten abzurufen, dann wäre dieser HSV, der unter Trainer Jol deutlich gereift und spielerisch vorangekommen ist, durchaus ein echter Titelaspirant. Am Sonntag konnte er es nicht.

Nach dem frühen 1:1 zeigten sich die HSV-Profis zunächst geschockt, während die Schalker, beflügelt vom Ausgleich, nun ihre Qualitäten demonstrierten: Die Gäste rückten nach vorne, waren viel präsenter in der Hamburger Hälfte und erzeugten Druck.

Zwar war die Partie weiter intensiv, hart umkämpft und packend, doch bei einigen HSV-Akteuren zeigte die Kurve etwas nach unten. Besonders Trochowski musste den Belastungen der vergangenen Tage Tribut zollen und sich einige Ruhepausen nehmen, zeitweise wirkte er platt. Auch Dauerläufer Ivica Olic - ebenfalls mit seiner Nationalelf unterwegs - und sowie der anfangs agile Jonathan Pitroipa bauten später ab. Mit Nigel de Jong fehlte zudem eine wichtige Stütze, Mladen Petric stand nur als Einwechselspieler zur Verfügung.

"Wenn wir zur Pause 2:0 führen, dann wäre das Spiel wohl für uns entschieden gewesen", sagte Trainer Martin Jol und gab zu: "Ich kann mit diesem 1:1 zwar leben, aber so richtig zufrieden sind wir nicht."

Was allen Hamburgern deutlich anzumerken war. Vor allem Frank Rost war nach dem Schlusspfiff kaum zu bremsen. Der Torwart stürmte auf den schwachen Schiedsrichter Babak Rafati zu und reklamierte, fauchte, meckerte, wütete und schimpfte ohne Pause. Auch deshalb, weil der Unparteiische aus Hannover zum Schluss keine Rote Karte gegen den Schalker Rafinha gezeigt hatte (der Brasilianer hatte HSV-Stürmer Ivica Olic brutal umgetreten, als der Ball schon weit weg war). Aber vielleicht auch ein wenig, weil er zu denen gehörte, die immer den maximalen Erfolg wollen. Auch wenn das Remis gerecht war.

Hamburg: Rost - Demel, Reinhardt, Mathijsen, Atouba - Trochowski, Jarolim, Benjamin, Pitroipa (86. Torun) - Olic, Guerrero (61. Petric).

Schalke: Neuer - Rafinha, Bordon, Krstajic (46. Höwedes), Westermann - Jones, Engelaar, Ernst - Farfan, Kuranyi (62. Asamoah), Altintop.

Tore: 1:0 Trochowski (30.), 1:1 Höwedes (48.). Schiedsrichter: Rafati (Hannover). Zuschauer: 57 000 (ausverkauft). Gelb: Demel (3), Jarolim (4), Atouba, Benjamin (2) -Rafinha (3), Bordon (2).