Der Trainer der Freezers über seine Methoden, Ausraster und die Suche nach Anerkennung.

ABENDBLATT: Herr Stewart, bis zum Spiel gegen Düsseldorf hatten Sie mit den Freezers drei Siege und zwei Niederlagen eingefahren. Hat sich also nichts geändert im Vergleich zu Ihrem Vorgänger Mike Schmidt?

BILL STEWART: Ich denke schon. Mike hat ein anderes System gehabt. Ich habe unser Unterzahlspiel verändert und damit Erfolg gehabt. Man muss aber jeden Tag versuchen, Dinge zu verbessern, und da stehen wir sicherlich erstam Anfang. Wir werden jetzt bald den nächsten Schritt gehen müssen.

ABENDBLATT: Gibt es eine Art Erste-Hilfe-Plan, den man als neuer Coach anwendet?

STEWART: Es gibt kein festes Schema, jeder macht es anders. Ich habe den Jungs erklärt, dass wir die Saison wie ein Golfspiel sehen müssen. Jedes Spiel ist ein Loch, in das wir unsere gesamte positive Energie investieren müssen. Wir dürfen dabei nicht an das letzte Loch denken, sondern nur an das, das wir gerade bespielen.

ABENDBLATT: Und das genügt, um aus einem schwächelnden Team ein Siegerteam zu machen?

STEWART: Natürlich nicht. Das Team hat gar nicht so sehr geschwächelt. Ich habe hier eine Gruppe von hart arbeitenden Männern vorgefunden, die körperlich auf einem Topniveau ist. Es ist immer die größte Sorge, dass im Fitnessbereich geschludert wurde, weil man das nur schwierig wieder aufholt. Aber das war nicht der Fall. Das Team ist intakt, es fehlt ihm aber an Selbstvertrauen und der richtigen Einstellung, eine Niederlage nicht gleichgültig hinzunehmen, sondern alles zu tun, um nicht zu verlieren. Aber dieses Team ist leicht zu führen.

ABENDBLATT: Wie führen Sie denn ein Team? Wie würden Sie Ihre Art von Coaching beschreiben?

STEWART: Ich lege großen Wert darauf, den Spielern zu erklären, warum ich wann welche Maßnahme ergreife. Nur wenn Aktionen Sinn machen, werden sie auch ordentlich durchgeführt. Und ich bin ein absoluter Teamplayer, entscheide nichts allein. Letztlich gebe ich die Richtung vor, aber nicht selbstherrlich.

ABENDBLATT: Mike Schmidt galt als Freund der Spieler. Sie gelten dagegen als harter Hund. Sind Sie das?

STEWART: Wenn harter Hund bedeutet, dass ich eine gewisse Autorität für gut befinde, dann bin ich einer. Für mich ist die Rollenverteilung klar. Mein Assistent muss die Brücke zwischen Trainer und Team sein, Bob Leslie füllt diese Aufgabe sehr gut aus. Der Trainer aber muss autoritär sein, sein Wort muss respektiert werden. Das geht nur, wenn man selbst Respekt vorlebt und Freiheiten gibt. Ich kann nicht immer nur herumbrüllen, dann stellen die Jungs irgendwann mental die Lautstärke ab und hören nicht mehr zu. Sie müssen immer spüren, dass man sie ernst nimmt und als Menschen behandelt.

ABENDBLATT: Genau das sprechen viele ehemalige Weggefährten Ihnen ab. Ihr Image ist schlecht, Spitznamen wie "Psycho Bill" unterstreichen das. Lässt Sie Ihr Bild in der Öffentlichkeit kalt?

STEWART: Überhaupt nicht, es stört mich sehr. Ich wollte immer als Gewinner anerkannt sein, und das ist mir auch gelungen. Sieben Titel in elf Jahren als Trainer sind jedenfalls nicht schlecht. Aber die andere Seite ist meine Wirkung als Mensch. Darüber mache ich mir viele Gedanken. Ich versuche, mich politisch korrekter zu verhalten. Mit zunehmendem Alter nimmt auch die Weisheit zu.

ABENDBLATT: Die scheint Ihnen früher gefehlt zu haben. Über Sie gibt es wilde Geschichten, wie den Flaschenwurf im Mannheimer Teambus oder die Story, dass sie sechs Jahre Einreiseverbot in die USA hatten, weil sie einen ukrainischen Juniorenspieler illegal einschmuggeln wollten. Was hat Sie da geritten?

STEWART: Es gibt immer eine Geschichte hinter der Geschichte. Vieles, was erzählt wird, ist falsch, wie zum Beispiel, dass ich mal ein Team bis morgens um drei in der Kabine eingeschlossen haben soll, weil es schlecht gespielt hat. Das mit dem Schmuggeln stimmt, aber ich hatte die Wahl, den Jugendlichen an der Grenze stehen zu lassen oder meiner Aufsichtspflicht nachzukommen, auch wenn es illegal war. Ich habe mich für das Schmuggeln entschieden und dafür gebüßt. Der Flaschenwurf war ein Unfall. Schon in dem Moment, als die Flasche die Scheibe durchschlug, habe ich gedacht: ,Was tust du hier, bist du verrückt?' Ich habe viele Gespräche geführt, um das wieder geradezurücken. Heute kann ich sagen, dass die Mannheimer Verantwortlichen meine Freunde sind.

ABENDBLATT: Gibt es Dinge, die Sie nicht mehr tun würden?

STEWART: Natürlich. Ich würde nie mehr eine Flasche durch einen Bus werfen. Den Schwächeanfall, den ich als Adler-Coach vorgetäuscht habe, damit sechs meiner Spieler ihre kaputten Schlittschuhe reparieren lassen konnten, würde ich auch nicht mehr machen. Damals fand ich die Aktion richtig, heute würde ich für den Erfolg nicht mehr gewisse Regeln brechen. Aber ich kann die Vergangenheit nicht ändern, ich kann nur aus ihr lernen.

ABENDBLATT: Das scheint Ihnen jedoch nicht immer zu gelingen. Ihr Abgang aus Linz nach Hamburg war von Getöse begleitet. Man warf Ihnen Vertragsbruch vor.

STEWART: Ich werde mich zu den Vorwürfen nicht äußern, weil ich es nicht professionell finde, in der Öffentlichkeit schmutzige Wäsche zu waschen. Ich weiß, warum ich die Entscheidung getroffen habe und dass sie richtig war.

ABENDBLATT: Sie nannten Ihre Kinder als Grund, weil diese in Hamburg bessere schulische Möglichkeiten hätten. Diese sind jedoch volljährig und in Kanada.

STEWART: Mein Sohn spielt in Kanada Eishockey, er wird dort bei seiner Mutter bleiben. Aber meine Tochter möchte ich gerne zum Studium nach Hamburg holen. Sie hat hier bessere Möglichkeiten, als sie sie in Linz gehabt hätte. Ich habe durch meinen Job wenig Zeit für die Familie gehabt, dadurch ist nach 26 Jahren meine Ehe zerbrochen. Wenn ich jetzt etwas tun kann, um meinen Kindern zu helfen, dann tue ich es. Das sollte respektiert werden.

ABENDBLATT: Wie erklären Sie sich, dass Sie zwar bei den meisten Ihrer Stationen Erfolg hatten, aber meist auch nicht in Freundschaft geschieden sind?

STEWART: Wenn man auseinandergeht, scheidet man selten in Freundschaft. Ich wollte immer ein großer Trainer sein, und große Trainer haben neben sportlichem Erfolg auch eine menschliche Seite, die ihnen Anerkennung bringt. Es gibt nicht viele solcher Trainer. Aber ein solcher zu werden ist mein Ziel. Dafür muss ich an meinem Image arbeiten. Respekt ist nun mal leider die Sache, die am schwierigsten zu bekommen und am leichtesten zu verlieren ist.

ABENDBLATT: Aktionen wie die in Linz, als Sie Chris Hamilton, den farbigen Mentaltrainer von Gegner Vienna Capitals, mit den Worten "Go home, fucking nigger!" beleidigt haben sollen, tragen dazu nicht gerade bei.

STEWART: Chris ist mein Freund, ich habe mich bei ihm entschuldigt, er hat diese Entschuldigung angenommen. Ich halte ihn für ein Genie und würde ihn gern nach Hamburg holen, um mit ihm zu arbeiten. Ich habe mich zu einer Beleidigung hinreißen lassen. Aber nur Chris und ich wissen, was ich wirklich gesagt habe. Alles, was dazu geredet wurde, macht mich traurig, ich kann es aber nicht ändern. Nur soviel: Über die Worte, die ich gesagt haben soll, will ich gar nicht diskutieren. Solche Worte wären überall auf der Welt fehl am Platz.

ABENDBLATT: Den Vorwurf des Rassismus konnte Hamilton tatsächlich entkräften. Den Wutausbruch und das Wort Nigger hat er jedoch bestätigt. Das zeigt doch, dass Sie sich bis heute emotional nicht unter Kontrolle haben.

STEWART: Das stimmt, und daran arbeite ich. Emotionen sind gut, kontrollierte Emotionen besser.

ABENDBLATT: Andererseits würden Sie sich doch einer Stärke berauben, wenn Sie nicht mehr Sie selbst sein könnten. Oder sind Sie in Wahrheit doch ganz zahm und wollen nur als Trainer hart sein?

STEWART: Ich habe es nicht mehr nötig, für den Erfolg alle Mittel zu nutzen. Ich habe oft genug nachgewiesen, dass ich erfolgreich arbeiten kann. Ich will mich jetzt als ordentlicher Mensch präsentieren. Es ärgert mich, dass mich eine Zeitung hier als "Kill Bill" bezeichnet, als ob ich ein Massenmörder wäre. Jeder sollte sich ein eigenes Bild machen und anderen eine faire Chance geben.

ABENDBLATT: Sie haben drei Richtlinien, die Sie Spielern mitgeben. Komme nicht zu spät, lüge nicht und betrüge das Team nicht. Haben Sie immer danach gelebt?

STEWART: Ich habe es versucht. Mehr kann ich nicht erwarten. Wer alles versucht, dem kann man nichts vorwerfen.

ABENDBLATT: Sie haben schon als Spieler alles versucht, um Erfolg zu haben. Sie waren immer als "Bad Guy" verschrien.

STEWART: Ich war kein Bad Guy, ich habe immer hart gearbeitet. Ich bin auf einer Farm aufgewachsen, ich weiß, was harte Arbeit ist. Wenn man diese Werte mitbekommt, dann ist man bereit, mehr zu tun als andere. Das musste ich als Spieler immer, um nicht aus dem Team zu fliegen.

ABENDBLATT: Wie würde der Spieler Stewart über den Trainer Stewart denken?

STEWART: Diese Frage stelle ich mir häufig. Aber letztlich wäre der Spieler Stewart mit dem Trainer Stewart zufrieden, weil er sich respektiert fühlen würde und Erfolg hätte.

ABENDBLATT: Was glauben Sie, welchen Erfolg Sie mit den Freezers haben werden?

STEWART: Ich bin niemand, der mit großen Worten Erwartungen weckt. Erwartungen sind der größte Feind eines Teams. Wir haben eine gute Mannschaft, die in der Offensive ihre Stärken hat. Dazu haben wir eine solide Defensive und gute Torhüter. Aber wir müssen auch viel verbessern.

ABENDBLATT: Was konkret?

STEWART: Wir dürfen nicht so viele unnötige Strafen kassieren, weil sie unsere Energie auffressen. Die Disziplin mit und ohne Puck ist das Wichtigste.

ABENDBLATT: Vor der Saison wurde von der Meisterschaft geredet. Ist dieses Ziel zu erreichen?

STEWART: Ich hätte niemals das Wort Meisterschaft in Verbindung mit den Freezers in den Mund genommen. Eine Meisterschaft vorauszusagen ist unmöglich. Es reicht doch, wenn man weiß, wie man sie gewinnen kann . . .