BOXEN. Die Erfolgsgeschichte des Hamburger Stalls, der viel mehr ist als die Heimat der Klitschko-Brüder.

Hamburg. Am vergangenen Freitag war wieder einmal "Familienfeier". Die Trainer waren da, Michael Timm und Fritz Sdunek mit ihren Ehefrauen, Tommy Brooks ohne Begleitung. Geschäftsführer Peter Hanraths, frisch gebräunt aus dem wegen der ständigen Terminhatz kurzfristig abgebrochenen Mallorca-Urlaub, unterhielt sich angeregt mit seinen Pressesprechern Rainer Koppke und Christiane Diezemann. Kartenchefin Gabi Günsch plauderte mit Europameister Luan Krasniqi, Physiotherapeut Mathias Böhme präsentierte - ganz stolzer Vater - seinen Nachwuchs im Kinderwagen. Mittendrin und voll dabei ein Dutzend Boxer, darunter Weltmeister Artur Grigorian, Europameister Krasniqi, Top-Talent Felix Sturm. Auf einer Großbildleinwand im Ring des Gyms schauten alle gemeinsam die erste Folge der vierteiligen ZDF-Dokumentation "Der Klitschko-Clan". Auch wenn sich das Oberhaupt der Universum-Familie, Klaus-Peter Kohl, im Urlaub befand, wurde eins deutlich: Das Unternehmen, 2001 zum weltbesten Boxstall des Jahres gewählt, setzt auf den Gemeinschaftssinn als oberste Maxime. Cheftrainer Fritz Sdunek: "Es ist bei uns das wichtigste Anliegen, dass alle gemeinsam für das Ziel arbeiten, unsere Boxer an die Spitze zu bringen. Wir haben ein Team, in dem jeder volle Leistung bringt, jeder brennt für das Boxen." Auch wenn Universum ein profitorientiertes Unternehmen ist, stehen die Menschen im Vordergrund. Sdunek: "Hier wird jeder, vom Sparringspartner bis zum Weltmeister, ernst genommen. Das macht die Atmosphäre bei uns einzigartig." Wie alles begann? 1984 stellte Klaus-Peter Kohl mit den Rocchigiani-Brüdern Ralf und Graciano seine erste eigene Veranstaltung auf die Beine. Anfangsschwierigkeiten konnten den Hamburger Kaufmann, der wegen einer Sehschwäche früh mit dem Boxen aufhören musste und seine passive Laufbahn 1970 als Zeitnehmer für den Bund Deutscher Berufsboxer begann, nicht aufhalten. Sein Credo: "Ohne Vision keine Aktion, ohne Aktion kein Erfolg." Sein Erfolg: fünf aktuelle Weltmeister (Wladimir Klitschko, Dariusz Michalczewski, Artur Grigorian, Regina Halmich, Daisy Lang), zwei Europameister (Luan Krasniqi, Michel Trabant) und zehn ehemalige Weltmeister. Bis zum heutigen Tag hat Kohl 185 Kampftage veranstaltet, seine Kämpfer sind in Europa und mittlerweile auch in den USA bekannt. Es ist immer wieder überraschend, den Ort zu betreten, an dem die Weltmeister gemacht werden (und wurden). Wer die unscheinbare Fabrikhalle im Gewerbegebiet an der Walddörferstraße nicht kennt, passiert sie, ohne einen flüchtigen Blick zu verschwenden. Über einen Hof, der zur angrenzenden Tischlerei gehört, gelangt man vor die schwere blaue Stahltür, hinter der sich das Universum ausbreitet. "Heute kein öffentliches Training" - das Schild an der Tür ist so nutzlos wie falsch. Trainiert wird täglich mehrmals, und wer zuschauen möchte, wird nicht daran gehindert. Solange die Sportler nicht gestört werden, sind Fans willkommen. Eine kleine Tribüne bietet ausreichend Sitzplatz. Auf rund 500 Quadratmetern finden 25 der 31 Universum-Profis - die restlichen sechs trainieren seit 1998 unter der Leitung von Torsten Schmitz im Berliner Ableger - beste Trainingsbedingungen. Zwei Boxringe, Sandsäcke verschiedenster Größe, Hanteln, Laufbänder, Hometrainer - alles da, was Champions und die, die es werden wollen, brauchen. Für Ordnung sorgt das umtriebige Hausmeisterehepaar Ballschun. Ohne Moni und Dieter geht nichts, dieses Motto kennt jeder. Mehrmals im Jahr lockt das allseits beliebte Gym-Boxen jeweils bis zu 1000 Zuschauer in die Halle. Die durch das Gemisch von Schweiß und Staub normal schon stickige Luft ist dann zum Zerschneiden dick. Und dennoch ist es diese Atmosphäre, die die Besonderheit von Europas größtem (und erfolgreichstem) Stall ausmacht. "Das Gym-Boxen bringt uns den Kontakt zur Basis, es ist die Verbindung von familiärer Geselligkeit und sportlicher Weltklasse", sagt Kohl. Die Zukunft seines Imperiums liegt wohl dennoch in den großen Arenen. Kohl treibt die Eroberung des US-Marktes unbeirrt voran. Wladimir Klitschko hat sich durch seinen Sieg über Ray Mercer am 29. Juni in Atlantic City in Übersee etabliert, sein Name wird beim dortigen Pay-TV-Riesen HBO und dessen Konkurrenten Showtime mittlerweile mit Respekt genannt. "Wir wollen expandieren, unser Ziel ist es natürlich, weltweit die Nummer eins zu werden", sagt Kohl. Dabei helfen soll der neue TV-Vertrag, den der Promoter ausgehandelt hat. Wladimir Klitschkos Kampf gegen Ray Mercer war der Auftakt für das ZDF, das zunächst für fünf Jahre bis zu 15 Universum-Kampfabende jährlich live übertragen wird. "Wir wollen die erste Garde der Boxer präsentieren und die zweite bekannter machen", so ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Durch Besuche der Kämpfer im "Sportstudio" (am vergangenen Sonnabend machte Krasniqi den Anfang) und nicht zuletzt die Doku-Reihe sollen die Fans einen umfassenden Einblick in den Hamburger Stall erhalten. Sdunek glaubt rückblickend, mit seinem Eintritt in die Universum-Familie im Februar 1994 seinen größten Glücksgriff getan zu haben. "Es war das Beste, was mir passieren konnte. Der Sieg mit Dariusz über Virgil Hill, der WM-Titel mit Ralf Rocchigiani in Manchester, das sind unvergessliche Momente in meinem Leben. Wie auch im negativen Sinn Witalis Verletzung im Kampf gegen Chris Byrd, die uns weit zurückgeworfen hat." Der Cheftrainer malt die Zukunft in leuchtenden Farben: "Wladimir wird die Schwergewichtsszene in den kommenden Jahren beherrschen. Und wir haben einige Talente, von denen wir viel erwarten können. Dimitrenko, Veit, Küchler, alles Jungs mit Perspektive." Die Universum-Familie wird auch in Zukunft weiterwachsen. "Wir haben ständig Interessenten aus ganz Europa, die zu uns kommen möchten", so Sdunek. "Aber wir müssen darauf achten, dass Neuzugänge uns qualitativ verbessern. Und vor allem müssen sie menschlich zu uns passen." Seine Familie kann sich eben auch ein Boxer nicht einfach so aussuchen.