INTERVIEW Präsident Theo Zwanziger über den Wettskandal, Berti Vogts, die WM und Fernsehverträge.

ABENDBLATT: Herr Zwanziger, dient der heutige DFB-Bundestag in Mainz dazu, einen Schlußstrich unter die Affäre um Schiedsrichter Robert Hoyzer zu ziehen?

THEO ZWANZIGER: Einen Schlußstrich werden wir nicht ziehen, wir müssen weiter aufmerksam bleiben - das ist der Grund für die Einberufung des Bundestages. Vielleicht verbunden mit einer kleinen Zäsur, die uns die Chance gibt, dieses Thema größtenteils aus der öffentlichen Betrachtung zu nehmen.

ABENDBLATT: Sie erhielten für Ihre Arbeit im Wettskandal viel Lob, wie denken Sie darüber?

ZWANZIGER: Ich will nicht gelobt werden, aber ich würde mir wünschen, wenn man sagt, daß der DFB auf ein Kriminalstück, was das Ganze ja ist, mit seinen Mitteln als Sportverband optimal reagiert hat. Wir sind nicht die Hüter der Gesetze der Republik, aber wir haben das Mögliche getan, um den Sport vor den schlimmen Folgen des Skandals zu schützen.

ABENDBLATT: Es wurden bislang nur zwei Spiele, die Hoyzer verpfiffen hat, wiederholt - warum vertraut der DFB einem Betrüger, der vielleicht viel mehr Spiele manipuliert hat?

ZWANZIGER: Wir haben im Moment nur ein Beweismittel, nämlich die Aussagen des Herrn Hoyzer. Es kann sein, daß wir in zwei Monaten ein anderes haben, so ist es. Herr Hoyzer ist glaubwürdig, weil er aus Unwahrheit in die Wahrheit zurückgegangen ist, er hat freiwillig ein Geständnis abgegeben. Seine Aussagenstrategie ist so, daß man die große Gewißheit gewinnen kann: Der will sich jetzt mit dem, was er weiß, im vollen Umfang offenbaren. Das bestätigen uns nicht nur die Staatsanwälte, sondern auch unsere Sportrichter.

ABENDBLATT: Ist daran gedacht, daß sich der DFB den entstandenden Schaden vom Verursacher begleichen läßt? Klagt der DFB gegen Robert Hozyer?

ZWANZIGER: Natürlich werden wir das tun müssen, wenn diese ganzen Dinge abgeschlossen sind. Das müssen wir tun, um Titel zu erwirken, um da auch sauber zu bleiben - wir sind ein gemeinnütziger Verband. Wir werden das in der zweiten Jahreshälfte angehen, obwohl wir wissen, daß ein Titel gegen Hoyzer nicht dazu führen wird, daß wir das Geld übermorgen in der Kasse haben, aber der junge Mann muß wissen, daß das, was er da getan hat, nicht dazu führen kann, daß er morgen in Talkshows oder bei anderen Veranstaltungen mit seinem Betrug Geld verdienen kann.

ABENDBLATT: Fürchten Sie Beeinträchtigungen durch den Wettskandal für die Weltmeisterschaft 2006?

ZWANZIGER: Es ist natürlich ein Imageschaden entstanden, aber wie soll man den bemessen?

ABENDBLATT: Erwarten Sie denn eine WM, die friedlich, ohne Skandale über die Bühne geht?

ZWANZIGER: So überzeugt ich davon bin, daß wir sichere Stadien haben, so realistisch ist die Einschätzung, daß im Umfeld viele Gefahren lauern. Da gibt es viele Risiken, die einen Imageschaden mit sich bringen können. Und der könnte viel größer sein, als der, der durch den Wettskandal entstanden ist.

ABENDBLATT: War der Wettskandal auch ein Härtetest für die Zusammenarbeit mit Ihrem Präsidenten-Kollegen Mayer-Vorfelder, also auch ein Härtetest für die DFB-Doppelspitze?

ZWANZIGER: Das war er. Ich habe die Doppelspitze von Anfang an nicht so verstanden, daß jetzt jeder von den beiden für alles zuständig ist, und jeder dann, wenn es ihm paßt, eine Aufgabe für sich reklamiert. Dann ist das Chaos vorprogrammiert. Wir haben damals - in dem guten Vertrauensverhältnis, was uns auch heute verbindet - einfach gesagt: Was soll da passieren? In unserer Aufgabenzuordnung war das nicht so klar, wie es bei einem solchen Gebilde sein muß. Dadurch sind Schwierigkeiten entstanden.

ABENDBLATT: Haben Sie Ihre Lehren daraus gezogen?

ZWANZIGER: Ich habe daraus gelernt. Die Sacharbeit, die Person und die Kommunikation müssen möglichst in einer Hand sein. Nur dann erreicht man die notwendige Aufmerksamkeit und auch das notwendige Verständnis für die Sache. Wenn da zu viele, insbesondere zwei Präsidenten, ihre Interpretation wiedergeben - und selbst wenn die nur in Nuancen voneinander abweichen - werden sie mit einer Eigendynamik in der Öffentlichkeit wahrgenommen, die sofort den Konflikt in diese Konstruktion trägt. Das mußte geklärt werden, sonst hätten wir das nicht bis 2006 geschafft, und wir haben es geklärt. Jeder weiß, für was er zuständig ist, und aus den Verlautbarungen von MV in den letzten Wochen habe ich nicht das Gefühl, daß er das nicht respektiert.

ABENDBLATT: Wie geht es denn mit Berti Vogts weiter, wird er der neue DFB-Sportdirektor?

ZWANZIGER: Es gab bislang keine Abstimmung. Wir sind nicht an dem Punkt, wo abgestimmt wird. Man muß da Sache und Person trennen. Jürgen Klinsmann hat einen vernünftigen Vorschlag gemacht. Einen erfahrenen und starken Trainer zu holen, der nicht mehr in einer unmittelbaren Mannschaftsbetreuung steht, dafür spricht vieles. Wir haben hohe Aufgaben in der Talentförderung, und ich sehe darin auch, nachdem was bei der EM in Portugal 2004 passiert ist, eine Schutzfunktion für den Verband. Jemanden zu haben, der bei einem Vakuum einspringt, wenn beim Bundestrainer eine Situation eintritt, die keiner vorhersehen kann. Wir wissen nicht, wie sich Jürgen Klinsmann nach der WM 2006 entscheidet, aber wir können dann, wenn er nicht mehr weiter macht, nicht wieder im Juli nach einem Trainer suchen. Das ist nicht machbar. Wir brauchen dann einfach einen Mann, dem man eine gewisse Zeit eine Nationalmannschaft geben kann, ohne daß er das selbst so anstrebt.

ABENDBLATT: Wann gibt es da eine Entscheidung?

ZWANZIGER: Zwischen Confederations Cup im Juni und der WM-Auslosung Ende des Jahres in Leipzig werden wir dafür die Zeit haben. Ich lasse mich da auch nicht drängen.

ABENDBLATT: Hat Berti Vogts also doch noch Chancen?

ZWANZIGER: Ich sehe das als völlig offen an. Ich halte für möglich, daß er zum DFB zurückkehrt, ich halte es aber auch für möglich, daß es anders wird.

ABENDBLATT: In Sachen Fernsehen und Bundesliga tut sich etwas, halten Sie einen gesplitteten Spieltag - von Freitag bis Sonntag - für möglich?

ZWANZIGER: Für mich ist verständlich, daß die Profi-Klubs nach der Kirch-Krise solche Gedanken haben, das ist deren Pflicht. Es gibt für mich keinen Grund zu sagen, das dürft ihr nicht. Dieser nächste Fernsehvertrag wird auch für das internationale Geschehen eine riesige Bedeutung haben. Ich habe großes Verständnis dafür, daß die Klubs alle Optionen am Fernsehmarkt sondieren. Und ich sage damit auch nichts Unrechtes gegen die kleinen Vereine. Die haben damit absolut nichts zu tun. Wir leben von der Wirtschaftlichkeit der Bundesliga und der Nationalmannschaft, und es muß auch das Anliegen eines A-Klassen-Vereins sein, daß die Bundesliga international wettbewerbsfähig ist. Wenn wir das nicht mehr wollen, wenn wir einen Spalt aus dem Amateurlager dazwischentreiben, dann machen wir einen Fehler.

ABENDBLATT: Beim DFB gibt es wohl Pläne, künftig als Wettanbieter aufzutreten. Wie weit ist dieses Vorhaben inzwischen gediehen?

ZWANZIGER: Die entscheidende Frage ist ja die, wer was darf. Das entscheidet im Sommer das Bundesverfassungsgericht. Alles das, was jetzt gemacht wird, ist ein Vorbereiten darauf, wie im Sommer entschieden wird, die Wettangebote zu liberalisieren. Liberalisieren heißt, daß es kein alleiniges staatliches Veranstaltungsmonopol mehr gibt. Der staatliche Ordnungsrahmen für Sportwetten ist ungeheuer wichtig, der muß auch bleiben - und der wird auch bleiben, davon bin ich überzeugt. Die Frage ist nur: Ist der Staat der einzige, der es machen darf?

ABENDBLATT: Der DFB plant also, unter die Wettanbieter gehen?

ZWANZIGER: Ich denke, daß derjenige, der die Wetten erst möglich macht, indem er Fußball spielt, indem er Sport treibt, daß man den mal fragen muß, ob er es nicht selbst machen will. In welcher Form dann auch immer, ob mit Oddset, mit dem DSF - das ist völlig egal. Und darauf bereitet sich die Liga vor, und ich unterstütze das.

ABENDBLATT: Der DFB oder die Bundesliga haben einst auch an ein eigenes Fußball-Fernsehen gedacht, ist das Thema immer noch aktuell?

ZWANZIGER: Der Gedanke war immer mal wieder da, aber für den DFB ist das keine Überlegung mehr. Interview: DIETER MATZ