Handball: Kapitän Thomas Knorr über die HSV-Krise und seinen Groll gegen die Liga-Oberen

ABENDBLATT: Herr Knorr, der HSV hat bei Großwallstadt am Mittwoch eine unerwartete Niederlage kassiert und die Tabellenführung verloren. Läßt sich die Mannschaft von den Querelen im Umfeld nun doch beeindrucken?

THOMAS KNORR: Überhaupt nicht. Bei dem Spiel kam nur einiges zusammen. In der ersten Halbzeit haben die Schiedsrichter nicht gut gepfiffen, wir haben viel zu viele Chancen ausgelassen, Jon Belaustegui fehlte, dann hat sich auch noch Bertrand Gille verletzt (Innenbandriß im linken Sprunggelenk, fällt mehrere Wochen aus - die Red. ). Und Großwallstadt hat ausgerechnet gegen uns sein bestes Saisonspiel gemacht. Aber wir haben gekämpft wie die Schweine. Es gab keine Anzeichen, daß äußere Einflüsse eine Rolle gespielt haben.

ABENDBLATT: Was bedeutet diese Niederlage im Hinblick auf die Saisonziele?

KNORR: Wenn wir die kommenden drei Bundesliga-Heimspiele (am 15. gegen Wilhelmshaven, am 18. gegen Pfullingen, am 21. gegen Gummersbach - die Red. ) gewinnen und in Magdeburg am 26. noch etwas für uns zu machen ist, sind wir schon wieder im Soll. Dann hätten wir auf jeden Fall eine gute Hinrunde gespielt.

ABENDBLATT: Wie sehr beschäftigt sich die Mannschaft mit der Verhaftung von HSV-Geschäftsführer Winfried M. Klimek, der Bestrafung durch die Liga und der drohenden Insolvenz?

KNORR: Die Vorgänge im Umfeld nehmen wir zur Kenntnis. Aber sie beschäftigen uns sehr viel weniger als noch in der vergangenen Saison, da war wesentlich mehr Unruhe.

ABENDBLATT: Weil man den Kummer mittlerweile gewöhnt ist?

KNORR: Man stumpft mit der Zeit sicherlich ein bißchen ab. Aber wir sind im Moment auch alle ganz positiv gestimmt.

ABENDBLATT: Ist es nicht demotivierend, wenn man weiß, daß einem am Ende womöglich vier Punkte abgezogen werden?

KNORR: Mich macht es eher sauer auf die Funktionäre der Handball-Bundesliga. Von denen will ich keinem begegnen, die sollen sich vor mir in acht nehmen.

ABENDBLATT: Glauben Sie, daß bei der Entscheidung des Ligavorstands, in dem Vertreter von Konkurrenten sitzen, auch persönliche Interessen im Spiel waren?

KNORR: Mit Sicherheit. Lemgo oder Flensburg haben wohl ein bißchen Angst vor uns bekommen. Ich erinnere mich gut, was Lemgo 2001 mit Bad Schwartau gemacht hat (das Spiel war 38 Sekunden vor Schluß beim Stand von 21:20 für Bad Schwartau und Ballbesitz wegen des Herztods eines Zuschauers abgebrochen worden, Lemgo bestand trotz Remis-Angebots auf einem Wiederholungsspiel - die Red. ). Das war das Unsportlichste, was ich je erlebt habe. Die anderen Klubs haben doch genauso Dreck am Stecken, auch wenn es lange zurückliegt. Wir sind eben ein junger Verein, die anderen hatten anfangs alle ihre Probleme.

ABENDBLATT: Fühlen Sie sich als Spieler zur Zeit machtlos?

KNORR: Das ist schon so. Alles, was man tun kann, ist, seine Meinung zu sagen und weiter gut Handball zu spielen.

ABENDBLATT: Ist es angesichts der Finanzlage denkbar, daß die Mannschaft auf einen Teil des Gehalts verzichtet?

KNORR: Darüber müßte mit uns erst noch gesprochen werden. Aber ich sehe nicht, daß es so weit kommen muß.

ABENDBLATT: Ist die jetzige Situation die schwierigste, die Sie als Handballer erlebt haben?

KNORR: Nein. Ich bin 1992 mit dem VfL Bad Schwartau aus der Bundesliga abgestiegen. Das war viel nerviger. Interview: ACHIM LEONI