Scharfe Kritik des Vorstands nach dem 0:4 in Barcelona. Interimslösung mit Breitner oder Hitzfeld denkbar.

München. Die Worte, die Jürgen Klinsmann wählte, kamen aus dem Stehsatz. Er hatte sie schon häufiger benutzt in dieser Saison. "Es ist normal, dass ein Trainer nach Niederlagen Kritik einstecken muss." Das sei unangenehm, aber gehöre dazu. Das allerdings sagte er schon am Donnerstag und nicht am Karfreitag, was bemerkenswert ist, weil er erstmals auf einer Pressekonferenz vor einem Spiel fehlte. Die Bayern schickten gestern Luca Toni vor, den glücklosen Torjäger.

Auch er hatte Parolen im Repertoire, aber mehr Pathos. "Der Trainer ist der Trainer des FC Bayern, und wir müssen versuchen, zu gewinnen - für den Trainer und die ganze Mannschaft", sagte der Weltmeister vor der Partie am Sonnabend gegen Eintracht Frankfurt: "Wenn wir den Titel in der Bundesliga gewinnen, ist das Jahr einigermaßen gerettet. Falls nicht, ist das ganze Jahr gescheitert." Und damit auch das Projekt Klinsmann, das viele schon jetzt für gescheitert halten. Im Sommer sei alles vorbei, berichtete etwa die "Bild"-Zeitung. Bestätigen will das niemand, verstehen könnten es spätestens seit Mittwoch viele: Mit 0:4 waren die Bayern im Viertelfinalhinspiel der Champions League beim FC Barcelona untergegangen.

Es war eine Demontage, man wurde vor aller Welt vorgeführt wie eine Schülermannschaft von Außerirdischen. Auch das Grundvertrauen der Führung in den Trainer war erschüttert. Selbst dass Klinsmann gegen Frankfurt wieder auf der Bank Platz nehmen darf, war nach dem Debakel zunächst nicht sicher. Es gab zu viele Irrtümer.

Auf Augenhöhe mit Europas Besten hatte Trainer Klinsmann seine Mannschaft noch am Tag vor dem Debakel gesehen. Er hatte von einer schweren, aber lösbaren Aufgabe gesprochen. Wenn Barcelona Lionel Messi habe, dann habe Bayern eben Franck Ribery, hatte er munter geplaudert und von einem Sieg fabuliert. Nur 24 Stunden später musste Klinsmann eingestehen: "Die Mannschaft ist an ihren Grenzen angekommen." Er auch. Hatte Klinsmann vorher betont, dass auf jeden Fall eine respektable Elf auflaufen werde, hieß es danach, Ausfälle wie jene von Philipp Lahm, Lucio, Daniel van Buyten oder Miroslav Klose seien nicht zu ersetzen. Doch auch die Bestbesetzung hat zu oft enttäuscht in diesem Jahr - was Fragen aufwirft.

Ob er das Team noch erreiche etwa, wurde er nach der Partie in Barcelona angegangen. Er bejahte. Hinter vorgehaltener Hand aber beklagen einige Spieler die mangelnde taktische Vorbereitung, das Fehlen eines deutschsprachigen Assistenten und die Sonderrechte, die den Superstars eingeräumt werden. Neulich etwa durfte sich Luca Toni in Italien behandeln lassen. Die Vereinsoberen registrieren all das, sahen aber auch die überaus erfolgreiche Bilanz in der Champions League. Nach der Blamage von Barcelona sind sie auf dem Boden der Tatsachen gelandet und ringen nach Worten. Der Stolz des Vereins sei "mit Füßen getreten" worden, befand der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der nun einforderte, "in den nächsten Wochen alles zu geben, sich zu zerreißen in der Bundesliga, nachdem wir im Pokal und auch in der Champions League unsere Ziele nicht erreicht haben".

Die Titelverteidigung in der Bundesliga hatten sie als Pflicht ausgerufen, sie ist Klinsmanns letzter Joker. Jedes Spiel wird für ihn zum Seiltanz am Abgrund, jeder Gegner zum Scharfrichter. Schon gegen Frankfurt geht es für ihn um den Job - auch wenn das offiziell niemand sagt.

Sein Engagement war ursprünglich auf zwei Jahre ausgelegt, mit Option auf eine Verlängerung. Doch sollte ein weiterer Rückschlag folgen, findet das Projekt Klinsmann nach nicht mal zehn Monaten ein vorzeitiges Ende. Zwar mahnte der Vorstand noch in der Nacht von Barcelona ausdrücklich zur Besonnenheit. "Es gilt jetzt trotzdem, zu versuchen, rational zu bleiben und keine spontanen, unsinnigen Entscheidungen zu fällen", sagte Rummenigge, der als Klinsmann-Befürworter gilt. Doch die Trainerfrage wird intern schon länger diskutiert, weil sich die Rückschläge häuften und 2009 bereits sechs Pflichtspielniederlagen ereigneten.

Als Vierter in der Bundesliga drohen die Bayern nun ihr Minimal-Ziel zu verpassen, und spätestens, wenn die direkte Qualifikation für die Königsklasse akut gefährdet sein sollte, ist der Vorstand zum Handeln gezwungen - wie im Januar 2007 bei Felix Magath, dem das doppelte Double auch nichts mehr half, als er plötzlich Tabellenvierter war.

Doch welche Alternativen gibt es? Eine soll Ottmar Hitzfeld sein, heißt es, sein Vorgänger, der nun die Nationalmannschaft der Schweiz trainiert. Auch das Duo Paul Breitner, Berater des Vorstands, und Chefscout Michael Henke waren schon im Gespräch. Es wären nur Interimstrainer. Als längerfristige Lösungen werden Armin Veh, Matthias Sammer, Bernd Schuster und Frank Rijkaard gehandelt. Die "Daily Mail" berichtet bereits, Bayern wolle Arsène Wenger, den Trainer des FC Arsenal, mit mehr als fünf Millionen Euro Gehalt ködern.

Klinsmann gibt sich noch kämpferisch: "Wir müssen jetzt zusammenhalten und die drei Punkte Rückstand aufholen und alles geben, um Meister zu werden", sagte er und dass er noch viel Lust verspüre, weiterzumachen. Überhaupt sei er überzeugt, "dass wir das schaffen". Oft darf er sich nicht mehr täuschen.