Bayern-Boss Rummenigge spricht beim nächtlichen Bankett vom Klubstolz, der mit Füßen getreten wurde. Demütigung durch die Katalanen hinterlässt Spuren. Trainer Jürgen Klinsmann übt sich mit Durchhalteparolen. Bilder, Pressestimmen und Sprüche von Bayerns Nacht der Schande.

Barcelona. Karl-Heinz Rummenigge schwankte zwischen Wut und Trauer, Franz Beckenbauer schimpfte über die größte Bayern- Katastrophe der angezählte Coach Jürgen Klinsmann dachte nicht ans Aufgeben und griff nach der bitteren Nacht zum letzten Strohhalm. "Wir müssen uns jetzt voll auf die Bundesliga konzentrieren. Daran wird der Trainer und jeder einzelne Spieler gemessen", sagte der Fußball-Trainer des FC Bayern München am Tag nach dem 0:4-Debakel in der Champions League beim FC Barcelona. Einen Rücktritt schloss Klinsmann nach dem zweiten Desaster binnen vier Tagen aus. "Als Trainer muss man aufstehen", sagte der Coach am Donnerstag vor der Flucht vom Ort des Bayern-Desasters.

Video: Klinsmann: 'Ich stehe meinen Mann.'

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"Dass das ein schwerer Moment ist, ist ganz normal. Das gehört zum Job. Es gibt nicht nur sonnige Situationen", gab der Coach vor dem Abflug des gedemütigten Bayern-Trosses Einblick in seine Gefühlswelt. Doch an Aufgabe wollte Klinsmann nicht denken: Die Lust und Freude an seiner Arbeit sei ihm "in keinster Weise" vergangen, beteuerte der Bayern-Trainer und beschwor das letzte verbliebene Saisonziel deutsche Meisterschaft. "Jetzt weiß die Mannschaft, dass es fünf vor Zwölf ist. Aber ich weiß, was in der Mannschaft steckt und habe keine Zweifel, dass sie eine Reaktion zeigt am Samstag", sagte Klinsmann mit Blick auf die Bundesliga-Partie gegen Eintracht Frankfurt.

Gescheitert im DFB-Pokal, gedemütigt auf Europas Fußball-Bühne - nach der historischen Europapokal-Pleite des FC Bayern droht das Projekt des Jürgen Klinsmann jedoch nach nicht einmal zehn Monaten ein unrühmliches Ende zu nehmen. "Wir sind ein stolzer Klub. Dieser Stolz ist heute Abend zum Teil speziell in der ersten Halbzeit - mit Füßen getreten worden", klagte Vorstandschef Rummenigge im Hotel Rey Juan Carlos bei seiner nächtlichen Bankettansprache. "Ich weiß nicht, was ich mehr bin schockiert, traurig oder wütend über das, was wir heute Abend hier gesehen haben."

Video: Udo Lattek hat geweint

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Dem 1:5 in der Liga gegen Wolfsburg folgte das 0:4 im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League derartig geprügelt wurde der glorreiche Klub vielleicht noch nie in seiner mehr als 46 Jahre langen Europacup-Historie. "Eine Katastrophe. Die erste Halbzeit war das Fürchterlichste, was ich je vom FC Bayern gesehen habe", begriff Beckenbauer das Aufeinandertreffen zweier Fußball-Welten überhaupt nicht. "Es wurde zuletzt genug geredet, doch die Spieler haben es nicht kapiert." Über die Treffer von Lionel Messi (9. Minute und 38.), Samuel Eto’o (13.) und Thierry Henry (43.) konnte der "Kaiser" in der pechschwarzen Bayern-Stunde dagegen nur staunen.

Dass die hilf-, mut- und chancenlosen Münchner im Camp Nou nicht zweistellig untergingen, war mehr als den eigenen Fähigkeiten den spanischen Hochgeschwindigkeits-Fußballern zu verdanken, denn die stellten nach der Pause das Toreschießen ein. "Ich habe unseren alten Freund Udo Lattek in der Halbzeit gesehen: Er hat geweint. Ich weiß nicht, ob es Tränen der Wut oder Tränen der Traurigkeit oder Trauer waren. Aber es war signifikant für das, was wir heute Abend leider hier gesehen haben", erklärte Rummenigge im Saal Mare Nostrum und bat die rund 400 Gäste um Verzeihung. "Ich muss mich bei allen, die dem FC Bayern nahe stehen, entschuldigen. Das ist ein ganz bitterer Moment, den wir heute Abend erleben."

Zwar betonte der Vorstandschef, man solle "rational" bleiben und keine "spontanen, unsinnigen Entscheidungen" treffen aber die sportlichen Argumente für eine weitere Zukunft mit Trainer Klinsmann sind gering. Vieles hat der 44-Jährige angepackt, geglückt ist ihm für den Erfolg in der laufenden Saison praktisch nichts.Sogar in der Bundesliga droht der aktuelle Tabellenvierte wie vor zwei Jahren die Königsklasse zu verpassen. "Wir müssen retten, was zu retten ist, das heißt: In den acht Spielen in der Bundesliga müssen wir jetzt trotzdem versuchen, unsere Ziele zu erreichen", formulierte Rummenigge eine Kampfansage, die nach Durchhalteparole klang.

Nie zuvor haben sich Manager Uli Hoeneß und Rummenigge so eng an einen Coach gebunden wie an Klinsmann. Doch im Zweifel wird dem ehemaligen Bundestrainer das nicht helfen, denn es zählt allein der sportliche Erfolg. Alles hat der 44-Jährige dem Ziel untergeordnet, den FC Bayern wieder an die europäische Spitze heranzuführen - Barcelona ist derzeit Lichtjahre entfernt. "Das ist ein Moment, wo man einiges einstecken muss. Das ist nicht angenehm, aber als Trainer muss man sich der Kritik stellen", sagte Klinsmann und wirkte wie ein angeschlagener Boxer. "Ich denke, dass ich die Mannschaft sehr wohl erreiche." Sein Motto "als Kämpfer": "Helm auf und durch".

Die nächsten Bundesliga-Partien werden für Klinsmann, dessen Torwart-Wechsel von Michael Rensing zu Jörg Butt keinen Erfolg hatte, nun zum Dauer-Endspiel.Denn jetzt geht es für die Bayern nur noch um Schadensbegrenzung. Spätestens wenn das Minimalziel Platz zwei und damit die direkte Qualifikation zur Champions League gefährdet ist, bleibt den Bayern-Bossen eigentlich keine andere Wahl, als eine Trennung von Klinsmann zu verkünden.

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