Mögliche Halbfinalgegner sind der THW Kiel, die Rhein-Neckar Löwen und Ciudad Real.

Hamburg. Wie große Handballopern verlaufen, weiß Marcin Lijewski nur zu gut, er war ja oft genug ein Hauptdarsteller. Wenn am Ende die Halle tobt, weil die Zuschauer die Spannung irgendwie rauslassen müssen; wenn sich die Gefühle, die sich in 60 Minuten voller Kampf und Leidenschaft aufgestaut haben, überschlagen und sich alles nur noch auf diese eine, entscheidende Situation zuspitzt. "Auf der Platte ist das kein Problem", sagt Lijewski, "du stehst so unter Adrenalin, dass du gar nichts merkst." Am Freitag aber war der Pole nur dabei statt mittendrin, früh hatte der HSV-Profi im Champions-League-Viertelfinalspiel gegen Flensburg-Handewitt seinem Bruder Krzysztof Platz gemacht. Lijewski: "Es war kaum auszuhalten."

Mit 29:31 hatte sein neuer Verein gegen seinen alten verloren, nur ein glücklicher Wurf fehlte den Flensburgern, und sie wären trotz einer 25:28-Heimniederlage im Hinspiel ins Halbfinale eingezogen. "Das war die schönste Niederlage der Saison", sagte HSV-Rechtsaußen Hans Lindberg, der Sekunden vor Schluss bei Fünf-gegen-sieben-Unterzahl den Ball erobert hatte. Seine Geistesgegenwart, die man im Spiel der Hamburger zuvor schmerzlich vermisst hatte, ist mindestens 40 000 Euro wert: So viel erhält jeder Halbfinalist als Garantiesumme. Pro Punkt kommen 15 000 Euro Prämie hinzu.

Es war schon paradox: Mit der "schlechtesten Saisonleistung" (Vizepräsident Dieter Jost) hatte der HSV den größten Erfolg der Vereinsgeschichte wiederholt. Verdientermaßen, wie Trainer Martin Schwalb befand: "Nicht jedes Team schafft es, nach einem Sechstorerückstand zurückzukommen."

Zu fragen wäre noch, wie es nach dem klaren Hinspielsieg überhaupt so weit kommen konnte. Aber das hat wohl mit ebenjenem 28:25 zu tun. "Ein ganz tückisches Ergebnis", sagte HSV-Rückraummann Blazenko Lackovic, der wie Lijewski in der vergangenen Saison noch auf der anderen Seite gestanden hatte: "Du glaubst, deine Halle ist voll, und es geht von allein." Man habe die Sache ruhig angehen wollen, aber die Flensburger spielten da nicht mit und kämpften beherzt um ihre letzte Titelchance. Am Ende war die Lektion für den HSV schmerzhaft, aber nicht versetzungsrelevant. "Wir sollten unsere Lehren daraus ziehen, damit uns das nicht mehr passiert", empfahl Lackovic. Auch Marcin Lijewski bemühte sich um eine langfristige Perspektive: "In jedem Wettbewerb kommen einmal solche Schwächemomente. Das passiert uns nicht noch mal."

Was bedeuten würde, dass dem HSV in der Champions League noch einiges zuzutrauen ist. Morgen wird in Wien das Halbfinale ausgelost, als Gegner kommen der THW Kiel, die Rhein-Neckar Löwen und Ciudad Real infrage. Ob er da einen Wunsch habe? "Nein", entgegnet Lijewski. Beim Weggehen dreht er sich noch einmal um: "Lieber nicht Kiel!"