In München musste der Trainer trotz Titel gehen. Beim 5:1-Sieg mit dem VfL Wolfsburg nahm Magath Revanche.

Wolfsburg. Man kann sich das Gesicht von Diego Benaglio vorstellen, als Felix Magath ihn anbrüllte. Der wahre Adressat des Wutanfalls stand indes neben dem Wolfsburger Torwart: Torjäger Grafite. Benaglio musste die Pausenpredigt des Trainers für den Brasilianer übersetzen. In der Kabine ist das der Job des Aushilfsdolmetschers aus der Schweiz - nur die Lautstärke war diesmal eine andere. "Er hat mich zusammengeschrien, weil ich in der ersten Hälfte nicht das gemacht habe, was ich sollte", gab Grafite zu, der in der 85. Minute auf einem Teppich aus stürmischem Beifall vom Platz geschritten war.

Zu diesem Zeitpunkt waren der Torjäger und sein Trainer längst wieder Freunde. Schließlich hatte Grafite beim 5:1-Sieg über die Bayern seine Saisontore 19 und 20 erzielt. Und ebendieser 20. Treffer war die Krönung. Nach einem Sololauf kickte er den Ball mit der Hacke an der gesamten verdutzten Abwehr vorbei ins Tor. Von dem kann man annehmen, dass es bald zum "Tor des Jahres" wird - und womöglich zur Eintrittskarte der ersten deutschen Meisterschaft der Wolfsburger Vereinsgeschichte.

Es wäre auch das Werk von zwei so unterschiedlichen Spezialisten. Hier Grafite, der Torjäger, verpflichtet für 7,5 Millionen Euro. Eigentlich keiner dieser Samba-Artisten, die Fußball nur tanzen. Sondern einer, der 90 Minuten läuft, rauscht, dampft und arbeitet. Ein Aufsteiger, der in seiner Heimat Campo Limpo nahe São Paulo einst Mülltüten an Haustüren verkaufte, um seiner Familie bescheidenen Wohlstand zu sichern.

Dort Felix Magath, der in Personalunion als Trainer, Manager und Geschäftsführer in zwei Jahren 60 Millionen Euro für insgesamt 40 neue Spieler ausgeben durfte: "Einen solchen Umbau hat in der Bundesligageschichte noch niemand gewagt", sagt Magath. Es war ja auch noch nie ein Trainer so mächtig wie er. Der ehemalige HSV-Star muss keine Rücksicht nehmen auf die Meinungen von Managern, Vereinschefs oder Aufsichtsräten, sondern entscheidet im Rahmen seines Budgets praktisch im Alleingang.

Wie gut seine Entscheidungen sind, zeigt Edin Dzeko, der zweimal gegen Bayern traf. Den Bosnier hatte kaum einer auf der Rechnung. Magath griff für drei Millionen zu. Ein meisterliches Schnäppchen mit bis dato 15 Saisontoren.

"Phänomenal, wie wir in der zweiten Hälfte gespielt haben", lobte Magath als Tabellenführer nach dem achten Sieg in Folge und genoss seine Revanche an den Bayern. Im Januar 2007 hatten sie ihn nach dem Gewinn zweier "Doubles" rausgeworfen. Nach dem Abpfiff eilte er ins "Aktuelle Sportstudio" und setzte weitere provokante Stiche. "Wenn ich mich recht erinnere, wollte doch Uli Hoeneß den Balkon ans Wolfsburger Rathaus bauen", sagte er. In München hatte man sich über den fehlenden Balkon lustig gemacht.

Und dann die Geschichte mit dem Torwart: In der 88. Minute wechselte er Torwart Benaglio gegen die Nummer zwei, Andre Lenz. "Das war kein Freundschaftsspiel oder kein Abschiedsspiel für irgendjemanden. In meinen Augen ist das eine Demütigung, schlimmer geht es fast nicht", tobte Bayern-Star Mark van Bommel. Magath bestritt vehement jede Provokation: "Lenz hat in Hamburg den Sieg gerettet und musste trotzdem wieder raus. Ich habe ihm versprochen, dass er irgendwann noch einmal reinkommt. Dass das gegen die Bayern sein wird, konnte ich ja nicht wissen", sagte Magath süffisant. Und schickte als Gruß noch via "Welt" hinterher: "Ich habe kein Verständnis für van Bommels Kritik. Er sollte sich besser um seine eigene Leistung kümmern."