Manchmal erzählt Andreas Rudolph von diesem Traum, den er früher träumte. Der Medizin-Unternehmer, der heute den Handballklub HSV Hamburg als...

Hamburg. Manchmal erzählt Andreas Rudolph von diesem Traum, den er früher träumte. Der Medizin-Unternehmer, der heute den Handballklub HSV Hamburg als Präsident und Mäzen führt, wollte einst Schauspieler in Hollywood werden. Die Aufmerksamkeit, die ein Tom Cruise in der Öffentlichkeit erweckt, ist Rudolph zwar noch nicht zuteil geworden. Aber der Auftritt vom Montagnachmittag, als er in Hamburg den Gremien des THW Kiel und der deutschen Handball-Bundesliga (HBL) fehlenden Aufklärungswillen im aktuellen Skandal vorwarf, sorgte für viele Schlagzeilen. "Die Champions League werdet ihr nie gewinnen. Ich habe lange gebraucht, um zu erfahren, dass dazu Schiedsrichter bestochen werden müssen", diese Sätze habe THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker ihm im Juli 2007 in seiner Finca auf Mallorca gesagt, hatte Rudolph berichtet. Kein Wunder, dass Rudolphs Rundumschlag auch das beherrschende Thema der HBL-Präsidiumssitzung war, die gestern im Marriott Airport-Hotel in Fuhlsbüttel stattfand.

Rudolph hatte schließlich auch HBL-Präsident Reiner Witte vorgeworfen, den Skandal verschleiern zu wollen. Als Freund des THW-Geschäftsführers habe Witte selber erklärt, befangen zu sein, begründete Rudolph seine Forderung, Witte müsse bis zur Klärung der Manipulationsvorwürfe gegen den THW Kiel sein Amt ruhen lassen. Witte kritisierte Rudolphs Vorgehen gestern. "Ich spreche die Dinge grundsätzlich nicht öffentlich an", sagte er. Das Präsidium, dem neben Witte auch Bob Hanning (Füchse Berlin), Volker Zerbe (TBV Lemgo), Uli Derad (TSV Dormagen), Werner Fischer (TSG Friesenheim), Peter Rauch (Post Schwerin) und Frank Flatten (HSG Düsseldorf) angehören, erklärte gestern erwartungsgemäß, mit Witte als Präsident weiterarbeiten zu wollen. "Meine Personalie ist in meiner Abwesenheit erörtert worden", berichtete Witte, es gebe einen einstimmigen Beschluss des Präsidiums, mit ihm an der Spitze weitermachen wollen. "Weiterhin fordern wir die EHF und die IHF auf, die in Rede stehenden Partien gründlich zu analysieren und darüber Bericht zu erstatten", so Witte.

Trotz dieses Resultats ist die Führungskrise im deutschen Handball offensichtlich. Beim Deutschen Handball-Bund (DHB), der für das Schiedsrichterwesen auch in der HBL verantwortlich zeichnet, ist es in den letzten Tagen merkwürdig still geworden. Und das Image der HBL hat seit dem 2. März, als Witte nur 24 Stunden nach Bekanntwerden der Vorwürfe erklärte, es lägen keine "belastbaren Beweise" vor, erhebliche Kratzer bekommen. "Reiner Witte hat bisher sicher eine unglückliche Figur abgegeben", meint nicht nur Fynn Holpert, Geschäftsführer der SG Flensburg-Handewitt. Dass Schwenker sein Amt als HBL-Vizepräsident, als Vizepräsident der europäischen Klubgruppe GCH und als Mitglied der EHF Marketing-Kommision nun bis zur Aufklärung der Angelegenheit ruhen lässt, befürwortet Holpert.

Ungeteilte Zustimmung findet Rudolphs Gang an die Öffentlichkeit allerdings nicht. Er spreche als HSV-Präsident und nicht als HBL-Aufsichtsrat, betonte Rudolph am Montag, aber einige Kollegen aus dem Kontrollgremium verurteilten Rudolphs Presseerklärung scharf. "Ich will auch, dass diese Sache aufgeklärt wird", sagte Hans-Peter Krämer. Aber der Stil Rudolphs rege ihn auf: "Da lechzt jemand geradezu danach, einen Ligakonkurrenten zu schlachten." Es sei "eine Frechheit, die THW-Gremien aufzufordern, Schwenker freizustellen", so Krämer. Diese "schwierige Angelegenheit" werde auf der heutigen HBL-Aufsichtsratssitzung in Frankfurt, zu der auch HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann und Witte hinzugezogen werden, sicher gebührend gewürdigt. Auch andere Aufsichtsratsmitglieder wollen den Auftritt Rudolph kritisch hinterfragen.

Auch beim HSV scheinen nicht alle Verantwortlichen einer Meinung zu sein. Während die meisten Führungskräfte Rudolph am Montag mit ihrer Anwesenheit unterstützten, blieb Geschäftsführer Peter Krebs der Veranstaltung fern. Der HSV berief sich freilich auch auf den zunehmenden Druck der Sponsoren. Bei dem Unternehmen, das ein größeres Engagement beim HSV wegen der aktuellen Entwicklung kurzfristig absagte, soll es sich um den Energieversorger Vattenfall handeln, der bereits die Jugendarbeit des Klubs unterstützt. Vattenfall-Sprecher Ivo Banek dementierte dies jedoch. "Wir verfolgen die Diskussion genau, sind mit dem HSV im Gespräch, haben aber über unser zukünftiges Engagement noch nicht entschieden."