Als Uwe Schwenker (49) am Sonntagabend mit der Mannschaft des THW Kiel nach der Rückkehr vom Champions-League-Spiel bei Ciudad Real auf dem...

Kiel/Wien. Als Uwe Schwenker (49) am Sonntagabend mit der Mannschaft des THW Kiel nach der Rückkehr vom Champions-League-Spiel bei Ciudad Real auf dem Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel landete, warteten bereits Kriminalbeamte auf den Manager des deutschen Handball-Rekordmeisters. Die Staatsanwaltschaft Kiel hatte die Untersuchung angeordnet. Gegen Schwenker, auf eigenen Wunsch derzeit im Urlaub, besteht der Verdacht der Untreue, gegen den ehemaligen THW-Trainer Zvonimir Serdarusic (58) wird wegen Beihilfe ermittelt. Gleichzeitig wurden in Kiel die Geschäftsstelle des THW und, so die Staatsanwaltschaft, mehrere Privathäuser nach Beweismaterial durchsucht, vermutlich die von Schwenker und Serdarusic.

Das sind die Vorwürfe: Die Kieler sollen in der Handball-Champions-League seit 2000 in zehn Fällen Schiedsrichter gekauft haben, konkret die Polen Marek Goralczyk und Miroslaw Baum beim Finalrückspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt am 29. April 2007 für angeblich 96 000 Euro. Über diesen Vorgang soll ein Kontoauszug existieren. Weil Schiedsrichter keine offiziellen Amtspersonen sind, ist ihre Bestechung juristisch nicht strafbar, die Verwendung von Vereinsgeldern für diesen Zweck stellt jedoch den Tatbestand der Untreue dar.

"Der Anfangsverdacht hat sich am Ende der vergangenen Woche nach dem Abschluss der Prüfvorgänge verdichtet", sagte der Kieler Oberstaatsanwalt Uwe Wick. "Wir ermitteln mit Hochdruck, wann mit Ergebnissen zu rechnen ist, steht nicht fest. Es gibt da einiges zu tun. Von einer Verurteilung sind wir weit entfernt." Schwenker, Serdarusic und die beiden Polen bestreiten alle Anschuldigungen.

Die Handball-Bundesliga (HBL) und die Europäische Handball-Föderation (EHF) haben am Rande der Champions-League-Auslosung gestern in Wien (siehe Infokasten unten) ihr weiteres Vorgehen beraten. Beide Organisationen wollen zunächst die Ermittlungsergebnisse der Kieler Staatsanwaltschaft abwarten. EHF-Präsident Tor Lian (Norwegen) zeigte sich "tief besorgt" und forderte eine "konsequente Aufklärung". Dem THW Kiel droht im schlimmsten Fall ein mehrjähriger Ausschluss aus dem Europapokal.

"Es gibt verschiedene Behauptungen, aber weiter keine belastenden Unterlagen", sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann und versprach: "Die Sache wird aber nicht im Sande verlaufen." Allerdings bewertet Bohmann ein Protokoll der Rhein-Neckar Löwen, bislang das zentrale Indiz der Affäre, nicht als Beleg für die Vorwürfe. Die Gesellschafter des Bundesligaklubs begründen in dem Schriftstück vom 17. Februar, warum sie von einer Verpflichtung Serdarusic' als Trainer der Rhein-Neckar Löwen Abstand nehmen wollten. Serdarusic hätte ihnen in einem Gespräch eröffnet, Kiel habe Schiedsrichter bestochen. Bohmann: "Dieses Papier ist uns jetzt vorgelesen worden. Wir haben es zur Kenntnis genommen, Beweiskraft hat es nicht."

Jetzt aber legte Löwen-Gesellschafter Jesper Nielsen gegenüber "Mannheimer Morgen" noch einmal nach: "Ich kann bestätigen, dass mir von Serdarusic Casino-Belege und Kontoauszüge gezeigt wurden, die den THW belasten."

Wie der Fall auch ausgehen wird, der Handball wird Konsequenzen aus den Verdächtigungen ziehen müssen, fordert Dr. Gerd Butzeck. Der 49-Jährige ist General Manager der Group Club Handball (GCH), einem Zusammenschluss der wichtigsten europäischen Vereine mit dem THW Kiel und dem HSV. Weil Handball-Schiedsrichter seit Jahrzehnten nicht über jeden Verdacht erhaben sind, "müsse das Schiedsrichterwesen im Europapokal grundlegend geändert werden, schon zur nächsten Saison", sagte Butzeck dem Abendblatt.

Sein Vorschlag: Nach dem Vorbild des Basketballs sollten die Schiedsrichteransetzungen den Klubs nicht mitgeteilt werden, momentan werden sie eine Woche vor dem Spiel veröffentlicht. Zudem sollten die Referees jede Kontaktaufnahme der Vereine der EHF melden müssen und besser vergütet werden. Bislang erhält jeder Schiedsrichter in der Champions League 400 Euro plus Reisekosten.